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Trauerfeier am DonnerstagBewegender Abschied von Christoph Daum im Kölner Stadion

Lesezeit 7 Minuten
Trauerfeier für den früheren Bundesliga-Trainer Christoph Daum, RheinEnergieStadion: Ein Banner mit der Aufschrift „Mach et joot, Christoph“ (Mach es gut, Christoph) liegt auf dem Rasen.

Trauerfeier für den früheren Bundesliga-Trainer Christoph Daum, RheinEnergieStadion: Ein Banner mit der Aufschrift „Mach et joot, Christoph“ (Mach es gut, Christoph) liegt auf dem Rasen.

Christoph Daum war einer der erfolgreichsten Fußball-Trainer Deutschlands. Drei Wochen nach seinem Tod findet die Trauerfeier statt. Viel Prominenz nimmt Abschied - an einem besonderen Ort.

Es hätte ihm sicher gefallen. Auch wenn es stiller zuging als zu seinen Lebzeiten an der Seitenlinie. Christophs Daums letzte Bühne ist (s)ein Fußballstadion. In Köln, wo er in den 1980er Jahren seine Fußballlehrer-Karriere begann und 1986 als Trainer des 1. FC Köln die Mannschaft innerhalb von zwei Jahren vom 16. Tabellen- auf einen UEFA-Cup-Platz führte und schließlich sogar zum Jäger des FC Bayern München und zweimaligem Vizemeister machte. Und wo er auch privat sein Herz hergab: 2007 heiratete Christoph Daum seine Frau Angelika Camm-Daum am Mittelkreis im Stadion.

Vor zweieinhalb Wochen war Daum an den Folgen einer Krebserkrankung gestorben. Jetzt gaben sie ihm in Köln ein feierliches letztes Geleit: 5000 Fans und Freunde kamen ins Kölner Stadion, um Abschied zu nehmen von diesem Tausendsassa des deutschen Fußballs, vom fußballverrückten, streitbaren Kämpfer, der, wie auch ärgste Widersacher zuletzt betonten, anderen stets Mut gemacht hat.

Und – auch das eine Geschichte, die nur der Fußball schreibt: Gleich drei Vereine, der FC, der VfB Stuttgart und Bayer Leverkusen, hatten zu der öffentlichen Trauerfeier eingeladen: Denn Daums Erfolge reichten über Köln weit hinaus. Mit dem VfB Stuttgart wurde Daum 1992 Deutscher Meister, mit Bayer Leverkusen holte er die berühmteste Vizemeisterschaft der Bundesliga. Auch Fans und Vertreter der beiden türkischen Clubs Fenerbahce und Besiktas Istanbul, die er zu Meisterschaften und internationalen Erfolgen führte, erwiesen ihm die letzte Ehre.

Abschied von Christoph Daum

Die Trauerfeier war eine Mischung aus stillem Gedenken, tröstlicher und lebensbejahender Musik. Mit vielen persönlichen Erinnerungen. Bis kurz vor der Trauerfeier hatten sich die Fans im Stadion in ein Kondolenzbuch eintragen können. Teilweise mit epischen Danksagungen. „Er hat meine ganze Kindheit geprägt“, sagte ein trauriger Fenerbahce-Fan. „Da musste ich einfach etwas mehr schreiben.“

„Mach et joot, Christoph“ - jetzt saßen sie auf den Rängen und lauschten den vielen Songs und Klängen, die während der zweistündigen Trauerfeier live gespielt oder eingespielt wurden. Von Bruce Springsteens „Streets of Philapdelphia“ bis zu „Ich liebe das Leben“ von Vicky Leandros und bis hin zu einem sehr bewegenden „One true love“, das mit privaten Bildern auf der Videoleinwand seine Leben im Kreise seiner Lieben zeigte und von der Witwe zur Verfügung gestellt worden war.

Den Anfang hatten die Höhner live gemacht: „Echte Fründe“ – die Hymne, die über den Tod hinausträgt und tragen soll. Und ganz im Sinne Daums Mantra von Wertschätzung und Völkerverständigung sang die Band auf Deutsch und auf Türkisch. Auf der West-Tribüne saßen Familie und Wegbegleiter der verschiedenen Verein (unter anderem Rudi Völler, Reiner Calmund, Thomas Häßler, Simon Rolfes) eingerahmt von deutschen und türkischen Fans. Daum war auch in Istanbul eine Legende. Das wurde live gewürdigt von den Präsidenten der beiden Vereine und vom Turkish Chamber Orchestra and Choir unter Leitung von Betin Günes.

Werner Wolf, Präsident des 1. FC Köln, erinnerte an den Taktiker, akribischen Trainer, Motivator und Mann mit Visionen, der große Erfolge im In- und Ausland gefeiert habe und genauso gegen den Krebs gekämpft habe. „Unsere Clubs haben Christoph Daum viel zu verdanken. Dass er jetzt im Alter von nur 70 Jahren gehen musste, tut unendlich weh.“ Er zitierte zum Schluss Rainer Maria Rilke und wünschte der Familie viel Kraft in dieser schweren Zeit: „Gott will, dass wir uns wiederfinden.“

DFB-Präsident Bernd Neuendorf skizzierte die Karriere von Daum – auch mit Blick auf den Wunsch, den er sich nicht erfüllen konnte, Bundestrainer zu werden. „Er hat Fehler gemacht, stets aus ihnen gelernt – und sie nicht verhehlt. Und dann war die Fußballfamilie bereit, ihn wieder aufzunehmen.“

Neuendorf erinnerte an Daum, der Unmögliches möglich machen wollte, wie Mohammed Ali, der sein großes Vorbild war: „Christoph Daum wurde auch der Cassius Clay von Rhein genannt. Er war ein starkes Stück Bundesliga, einer der schillerndsten Charaktere des Fußballs, mit seinen bunten Trainingsanzügen, seinem markantem Lächeln und seinem durchdringenden Blick. Er wäre sicher auch ein erfolgreicher Bundestrainer geworden.“

Ex-Profi und TV-Kommentator Thomas Helmer führte durch die Trauerfeier und wurde gleich sehr persönlich: „Du warst Inspiration, Vorbild, ein echter Kulttrainer und wunderbarer Mensch. Für mich wird Christoph immer ein Freund bleiben.“

Der ehemalige FC-Geschäftsführer Michael Meier, der einst Daum zum Ja-Wort am Mittelkreis angeregt hatte, berichtete über den Tag, als er Daum überzeugen wollte, zum FC als Cheftrainer zu kommen. „Da war er gerade dabei, sein Wohnzimmer zu tapezieren.“ Und – typisch Daum, er ließ keinen Zweifel daran, dass er den Job meistern können. Meier: „Du hast nur gefragt: Und wer tapeziert jetzt mein Wohnzimmer zu Ende?“ Meier beschrieb sein Verhältnis zu Daum als „Schicksalsgemeinschaft“. „Wenn es in Gesprächen mit Spielern eng für mich wurde, konnte ich mich auf dich verlassen. Ich kann mich an kein Gespräch erinnern, in das du unvorbereitet gegangen wärest und einen Spieler nicht erreicht hättest. Für dich war es eine Niederlage, wenn der Spieler nach dem Gespräch mit dir nicht bereit war, sofort zu unterschreiben.“

Unter Tränen bekannte er schließlich: „Unsere beruflichen Wege haben sich dann getrennt. Aber wir haben unseren Kontakt nie verloren, uns gegenseitig zu Meisterschaften und Pokalen gratuliert. Ich hätte es uns gewünscht, dass wir mit dem 1. FC Köln hätten gemeinsam feiern können. Der liebe Gott hatte anderes vor mit dir, du konntest deine Geschichte nicht zu Ende schreiben. Du warst für den 1. FC Köln ein würdiger Repräsentant – ebenso wie für die Stadt Köln. Ich bin dankbar und stolz zugleich, dass ich dein Freund sein durfte.“

Dass Christoph Daum sein Meisterstück beim VfB Stuttgart, gemacht hat, fasste Alexander Wehrle, Vorstandsvorsitzender des VfB Stuttgart, ehrfurchtsvoll zusammen: „Das war kein Zufall. Ohne seine unbeschreiblich positive Energie und seinen unbändigen Glauben an das Gewinnen wären wir nie Deutscher Meister geworden. Mit diesem Titel hat er einen ganze Generation geprägt.“ Daum werde auf ewig seinen Platz in den Geschichtsbüchern des Vereins haben. „Der VfB verneigt sich in Dankbarkeit.

Littbarski mit emotionalen Worten

Pierre Littbarski, der zu Daums Zeiten auch Kapitän beim FC war, verband eine innige Freundschaft mit dem Verstorbenen. Ebenfalls mit den Tränen kämpfend, erklärte er: „Ich habe drei Personen gleichzeitig verloren. Meinen Lieblingstrainer, einen außergewöhnlichen Menschen und meinen Freund Christoph.“ Und er dankte Daum für die schönste Zeit, die er mit ihm beim FC verbringen durfte, garniert mit Anekdoten wie diesen: „Beim Abschlusstraining, freitags – jeder sollte Motivation und Spaß für den Samstag bekommen. Christoph deckte mich jeden Freitag, trat auf alles, was an mir war, Knöchel, Knie. Irgendwann platzte mir der Kragen: Bist du bekloppt? Er antwortete: Morgen, wenn du spielst, hast du genauso einen Bekloppten vor dir, darauf musst du reagieren können. Das war Christoph Daum.“

Auch wenn der Fußball eigentlich keinen Raum für Gefühle lasse, war Littbarski seine letzte Botschaft wichtig: „Christoph. Danke, dass ich in deinem Leben sein durfte. Ich hab‘ dich lieb.“

Rudi Völler (M), DFB-Direktor Nationalmannschaft, sitzt während der Trauerfeier auf der Tribüne.

Rudi Völler (M), DFB-Direktor Nationalmannschaft, sitzt während der Trauerfeier auf der Tribüne.

Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir war, so berichtete er in seiner Trauerrede, sofort beeindruckt von Daum. Der habe ihn beim ersten Kennenlernen ganz nach anatolischer Sitte mit einem Wangenkuss begrüßt. „Danach waren wir per Du.“ Özdemir würdigte Daums Einsatz für Verständigung – und machte das an der Versöhnung mit Uli Hoeneß nach jahrzehntelanger Rivalität fest. „Christoph Daum ha von dem Treffen mit Uli Hoeneß am Tegernsee berichtet. Was rüberkommt, dass Leute, die sich bekämpft haben, sich wieder zusammensetzen, wieder Brückenbauer sind. Das war für mich ein wichtiges Signal. Diese Haltung könnten wir heute gut gebrauchen – auch wenn ich an die letzten Wahlen denke.“

Feines Gespür für unsere Gesellschaft, sein Herz für Vielfalt, seine Courage, all das habe den Menschen Christoph Daum ausgemacht. Özdemir wandte sich auch an die Familie: „Ich kann mir nur vorstellen, welch schweren Weg ihr in den letzten zwei Jahren gegangen seid.“ Er habe Daum auch dafür bewundert, wie er mit seiner Krankheit umgegangen sei: „Diese unbändige Kraft, anderen mit der Diagnose Krebs Trost zu spenden. Was für ein Zeichen von Stärke, so seine Schwäche zu zeigen!“

Daums Einsatz, nicht nur für Krebserkrankte, sondern auch für die Deutsche Diabetes Hilfe schilderten eindrucksvoll Nicole Mattig Fabian und Jens Kröger. Sieben Millionen Fußball-Spielende – sieben Millionen Diabetes-Erkrankte – da war Daum sofort für die gute Sache dabei. Sie verabschiedeten sich unter Tränen liebevoll und kämpferisch: „Du wirst immer einer von uns sein. Misch den Laden da obenauf mit deinen markigen Sprüchen!“

Im Stadion schien an einem eigentlich eher regnerisch anmutenden Tag, auch das hätte Daum sicher gefallen, den ganzen Nachmittag die Sonne.