Köln – Anthony Modeste richtete Blick und Hände in den Abendhimmel von Müngersdorf. Augenblicke später wurde der Franzose von seinen Gefühlen übermannt. Tränen liefen über sein Gesicht. Während um ihn herum ein ganzes Stadion tobte, war der französische Mittelstürmer des 1. FC Köln nach seinem Führungstreffer zum 1:0 gegen RB Leipzig in Gedanken ganz woanders. „Das Tor war sehr emotional für mich“, schluchzte Modeste nach Spielende am Sky-Mikrofon, wo er erneut in Tränen ausgebrochen war. „Ich habe meinen Papa vor drei Jahren verloren, und heute hat er Geburtstag. Ich habe nach meinem Treffer an ihn gedacht.“
Guy Modeste, ein früherer Profi-Fußballer, wäre am Samstag 67 Jahre alt geworden. Ende 2018 war er nach schwerer Krankheit verstorben. Vater und Sohn pflegten ein inniges Verhältnis zueinander. „Tony hat einen Gruß nach oben geschickt, und ich bin mir sicher, sein Vater ist sehr stolz auf ihn“, sagte Modestes Sturmpartner Mark Uth, der den Torschützen tröstend in den Arm genommen hatte.
Spiel hatte Seltenheitswert
Jene Szene aus der 54. Minute bildete den emotionalen Höhepunkt eines gewaltigen Spektakels, von dem alle Beteiligten nach dem 1:1 (0:0)-Unentschieden im Topspiel des fünften Bundesliga-Spieltags ausgiebig schwärmten. „Wir haben zwei geile Mannschaften auf dem Platz gesehen, die einfach ein überragendes Fußballspiel gezeigt haben“, brachte es Steffen Baumgart in den für ihn typischen Art auf den Punkt. Den Kölner Trainer hatten die 90 Minuten im Rheinenergiestadion voller Spannung, Dramatik und Emotionen derart fasziniert, dass er seinen Platz in der Coachingzone am liebsten gegen den vor dem heimischen Fernseher ausgetauscht hätte: „Ich hätte mich heute sehr glücklich gefühlt, auf der Couch zu sitzen und so ein Fußballspiel als Neutraler zu sehen“, sagte der 49-Jährige.
Denn das, was sich an diesem denkwürdigen Samstagabend im Kölner Westen abspielte, hatte absoluten Seltenheitswert. „Es war ein verrücktes Spiel, mit so vielen Videoschiedsrichter-Entscheidungen“, staunte RB-Coach Jesse Marsch nach einem mit offenem Visier geführten Duell, in dem sechs Tore gefallen waren, aber nur zwei von ihnen in die Wertung eingingen.Sage und schreibe fünfmal hatte der „Kölner Keller“ zur Überprüfung kniffliger Szenen herangezogen werden müssen. Vier Toren aus haarscharfen Abseitspositionen (Uth/37. und Modeste/50. auf Kölner sowie Szoboszlai/5. und Forsberg/66. auf Leipziger Seite) wurde daraufhin die Anerkennung verwehrt. Die strittigste aller Szenen führte indes dazu, dass ein zweiter zunächst abgepfiffener Modeste-Treffer in die Kölner Führung umgewandelt wurde. Vorausgegangen war ein minutenlanges Videostudium von Referee Dr. Felix Brych, das von ohrenbetäubenden Pfiffen der 25.000 FC-Fans begleitet wurde.
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Mark Uth, der seinen Gegenspieler Mohamed Simakan bei der Entstehung des Tores am Fuß touchierte, schilderte den Aufreger wie folgt: „Er holt aus, will den Ball wegschießen. Ich komme dazwischen und berühre ihn leicht. Ich gehe aber nicht so hin, dass ich ihn foulen will. Ich weiß nicht, ob es ein Foul ist oder nicht. Der Schiedsrichter hat sich dagegen entschieden.“Es folgten wilde Proteste und Angriffsattacken der Sachsen, die durch einen Ecken-Kopfball von Amadou Haidara hochverdient gleichzogen (71.). Der überragende Timo Horn (siehe unten stehender Text) hielt den Kölnern fortan das Remis fest, aus dem ganz am Ende fast noch ein Sieg geworden wäre. Doch Sebastian Andersson und Ondrej Duda vergaben in der Nachspielzeit einen Konter leichtfertig.
Steffen Baumgart war dennoch rundum glücklich. „Wir holen einen Punkt gegen eine der besten Mannschaften“, freute sich der FC-Coach über den Achtungserfolg gegen den Vizemeister. „Das Unentschieden ist hart und gut erarbeitet.“ Mark Uth war das Fußballerherz ebenfalls aufgegangen: „Es hat Spaß gemacht, die Fans mitzureißen.“