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Sieg gegen Bochum1. FC Köln begeistert mit mutigem Angriffsfußball

Lesezeit 5 Minuten
Baumgart Fuast KR

FC-Trainer Steffen Baumgart

Köln – Anthony Modeste lächelte auf dem Weg zum TV-Interview freundlich und unentwegt. Ungewöhnlich für den Franzosen, der den Medien oft kritisch gegenübersteht. Ungewöhnlich aber auch, weil Modeste am dritten Spieltag der Fußball-Bundesliga 2021/22 trotz bester Möglichkeiten sein drittes Saisontor verwehrt geblieben war. Lediglich zwei Pfostenschüsse standen für den 33-Jährigen nach dem 2:1 (0:0)-Heimsieg gegen den VfL Bochum zu Buche. Der Grund für Modestes Dauerlächeln musste also ein anderer sein und der an diesem Samstag verhinderte Torjäger gab gerne Einblick in seine Gedanken, die sich mehr mit allen in der Mannschaft als mit dem Einzelnen beschäftigten: „Natürlich bin ich auch etwas enttäuscht, dass ich zweimal den Pfosten getroffen habe, aber ich freue mich so sehr für Louis als Rückkehrer und Tim, weil es sein erstes Tor war.“

82 Minuten lang hatten die Kölner nichts unversucht gelassen, um den Aufsteiger vor 25 000 begeisterten Zuschauern im Rheinenergiestadion mit aggressivem und mutigem Angriffsfußball zu erdrücken. Das 0:0 zu diesem Zeitpunkt war eigentlich unfassbar – alles fühlte sich mindestens nach einem 3:0 für die hochüberlegenen Geißböcke an. Womöglich musste der Weg zum zweiten Sieg im zweiten Heimspiel der Saison aber genauso schwierig sein, um aufzuzeigen, was den FC-Jahrgang 21/22 unter dem neuen Trainer Steffen Baumgart neben Lauffreude und festem Glauben an die eigenen Möglichkeiten noch auszeichnet. „Das ist das, was ich immer betont habe: Es gibt nicht nur die erste Elf. Es gibt alle Spieler“, erklärte Baumgart.

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Weil dies in seiner Trainerwelt so ist und unter seiner Führung in Köln auch funktioniert, wechselte der 49-Jährige den Sieg gegen Bochum ein. Erst kam Youngster Tim Lemperle nach 71 Minuten für den fleißigen aber glücklosen Sebastian Andersson als zweite Spitze neben Modeste, dann ersetzte Louis Schaub (78.) den leicht angeschlagenen Dejan Ljubicic, dem wegen eines Andersson-Schubsers (9.) und einem eigenen Handspiel (15.) gleich zweimal das 1:0 aberkannt wurde. Schaub war vier Minuten auf dem Platz, als er nach einem der vielen FC-Ballgewinne im Mittelfeld einen Angriff über links einleitete, durchlief und eine Flanke von Florian Kainz technisch anspruchsvoll aus der Luft ins lange Eck beförderte. Das zweite Bundesliga-Tor des Österreichers im erst zwölften Spiel verwandelte das Stadion endgültig in einen Quell tosender Freude.

Ausgerechnet Schaub, der von Ex-Sportchef Horst Heldt und Ex-Trainer Markus Gisdol im Winter 2020 aussortiert worden war und nach Leihen beim Hamburger SV und beim FC Luzern bei seiner Rückkehr auf der Liste der FC-Profis stand, die keine Zukunft mehr am Geißbockheim haben. „Ich wollte von Anfang an hierhin zurück und meine Chance suchen. Und der Trainer sagt immer, dass die Spieler, die von der Bank kommen können, wichtige Impulse setzen können. Wenn es dann gelingt, ist das auch ein schönes Zeichen für ihn“, erklärte der 26-Jährige. Baumgart ist ein Trainer, der niemanden einfach wegschickt, sondern erst einmal genau hinsieht. Bei Louis Schaub erkannte er in der Vorbereitung schnell ausreichend Willen und Können, um den Linksfuß mit drei Kurzeinsätzen zu belohnen und weiter zu fördern. Dem FC-Trainer ist es ein Anliegen, alle in einem Team mitzunehmen auf dem Weg zu spektakulärem, leidenschaftlichem und unterhaltsamem Fußball.

Tony Modeste: „Das kostet alles sehr viel Kraft“

„Das kostet alles sehr viel Kraft, aber es macht auch sehr viel Spaß und wir haben drei Punkte mitgenommen“, fasste Tony Modeste zusammen. Viel und hart arbeiten, trotzdem Freude haben und belohnt werden: Sogar der sensible und nicht für alle leicht zu händelnde Torjäger hat den neuen Stil verinnerlicht und lief die Bochumer 90 Minuten lang an. „Wie ein junger Hasse“, freute er sich.

Länderspielpause - Baumgart-Team testet gegen Enschede

Sechs Punkte nach drei Spieltagen bescheren dem 1. FC Köln eine angenehme erste Länderspielpause in der Saison 2021/22. „Es war ein verdienter Sieg. Dieses Gefühl nehmen wir gerne mit in die Länderspielpause“, freute sich Trainer Steffen Baumgart nach dem 2:1 gegen Bochum und gab seinen Spielern zwei Tage frei. Wenn es am Dienstag auf dem Trainingsplatz mit der Arbeit weitergeht, werden Baumgart eine ganze Reihe von Nationalspielern fehlen. Ondrej Duda (Slowakei), Ellyes Skhiri (Tunesien) Florian Kainz und Louis Schaub (beide Österreich) sind in den WM-Qualifikationsspielen ihrer Länder gefragt. Sava Cestic (Serbien), Tomas Ostrak (Tschechien) und Noah Katterbach (Deutschland) sind mit den U21-Nationalteams unterwegs, Tim Lemperle und Marvin Obuz mit der deutschen U20-Mannschaft. Torwart Jonas Urbig darf sich wie Jens Castrop beim U19-Nationalteam zeigen.

Trotz des personellen Aderlasses hat der FC für Donnerstag (14 Uhr, Franz-Kremer-Stadion) ein Testspiel gegen den niederländischen Erstligisten Twente Enschede mit Ex-Spieler Dimitrios Limnios vereinbart. Die Partie findet unter Ausschluss von Zuschauern statt. (sam)

Es passte ins Bild des neuen FC-Teamspirits, dass das 2:0 auf das Konto von Tim Lemperle ging. Der 19-Jährige brachte nach seiner Einwechslung sofort neuen Schwung und vollendete eine Flanke des ebenfalls eingewechselten und Bundesliga-Premiere feiernden Tomas Ostrak zu seinem ersten Bundesliga-Tor (90.+1). Einige hatten den hochtalentierten Lemperle nach den Ausfällen von Mark Uth und Jan Thielmann schon in der Startelf erwartet, doch Steffen Baumgart verfolgte mit dem erfahrenen Andersson einen anderen Plan, der wohl auch beinhaltete, die jungen Spieler nach und nach heranzuführen.

Tatsächlich alle mitnehmen. Ein passendes Beispiel bot auch Benno Schmitz. Baumgart hatte den Rechtsverteidiger beim 2:3 in München aus spieltaktischen Erwägungen auf der Bank gelassen, ihn gegen Bochum aber wieder in die Startelf beordert, weil er einen tief stehenden VfL und weniger Räume für sein Team ausgemacht hatte. Schmitz reagierte mit seinem besten Spiel im vierten Jahr beim FC. „Benno hat ein sehr gutes Spiel gemacht. Trotzdem kann es sein, dass er im nächsten Spiel auf der Bank sitzt“, sagte Baumgart trotzdem und erklärte sich: „Es sind immer alle gefragt. Es ist nicht leicht draußen zu sitzen und meine Entscheidungen zu akzeptieren. Aber das tun die Jungs und deshalb sieht es auch nach einer Mannschaft aus.“