Am Samstag empfängt der FC Viktoria im Rahmen seines 120-jährigen Jubiläums den 1. FC Köln. Wunderlich spricht über beide Klubs.
Viktoria Kölns Franz Wunderlich„Vor ein paar Wochen habe ich nicht geglaubt, dass wir es schaffen“
Der FC Viktoria Köln feiert am Samstag im Rahmen der großen Saisoneröffnung sein 120-jähriges Bestehen. Allerdings wurde der aktuelle Drittligist erst 2010 gegründet – die Höhenberger haben sich den 120. Geburtstag des ältesten Stammvereins FC Germania Kalk als Jubiläum ausgesucht. Nach zahlreichen Fusionen, Umbenennungen und Neugründungen wurde aus den Rechtsrheinischen der heutige FC Viktoria Köln. Rund um den Sportpark Höhenberg ist für Samstag allerlei familienfreundliches Programm geplant, los geht es um 12.30 Uhr. Highlight ist das Testspiel gegen den großen Nachbarn 1. FC Köln (14 Uhr). Vor der großen Saisoneröffnung haben wir mit Vereinsikone Franz Wunderlich gesprochen.
Herr Wunderlich, was bedeutet Viktoria Köln für Sie?
Franz Wunderlich: Hier bin ich zuhause, ich habe schon vor über 50 Jahren hier gespielt, damals war es der SC Viktoria. Mein Sohn hat hier seine ersten Schritte gemacht, mein Enkel hat hier seine ersten Schritte gemacht. Als Funktionär gehe ich jetzt in meine 15. Saison beim FC Viktoria – hier verbringe ich einen Großteil meiner Zeit.
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Welche Rolle spielt die Viktoria in Köln? Gerade im Rechtsrheinischen?
Natürlich sind wir auf unserer Rheinseite der klassenhöchste Verein, aber wir wollen immer Solidarität und ein Miteinander vorleben. Gerade weil ich ein Kind des Amateurfußballs bin, versuchen wir hier den Kontakt zu allen kleineren Klubs zu pflegen. Ein Beispiel: Am Wochenende der ersten DFB-Pokalrunde werden wir bei der SV Deutz ein Benefizspiel für David Marti Alegre veranstalten, der ja leider vor einigen Wochen zusammen mit seiner ganzen Familie bei einem Autounfall in Spanien ums Leben kam. Wenn wir hier irgendwo etwas machen können, dann tun wir das auch – aus Überzeugung.
Am Samstag kommt der FC nach Höhenberg. Auch für Sie persönlich ein Highlight?
Natürlich. Ich habe vier Jahre für den 1. FC Köln spielen dürfen und meine beiden Bundesliga-Einsätze dort gemacht. Ich war und werde immer FC-Fan sein – im Klub hatten und haben wir viele Spieler und Mitarbeiter mit enger FC-Bindung.
Es gab vor einiger Zeit eine Phase, in der Funkstille zwischen den Klubs herrschte.
Ja, in der Tat. Die damaligen Verantwortlichen beim FC hatten Franz-Josef Wernze (früher Investor und Verwaltungsratsmitglied beim FC, d. Red.) nach ein paar Meinungsverschiedenheiten nicht mit dem Respekt und der Wertschätzung behandelt, die er verdient hatte. Das hat mich sehr getroffen. Da gab es dann einen Bruch, ich war Herrn Wernze loyal gegenüber. Aber ich bin froh und glücklich, dass das der Vergangenheit angehört. Wir hatten im Zuge der El-Mala-Transfers sehr gute Gespräche mit Christian Keller und Thomas Kessler, den ich schon seit über 20 Jahren kenne – mein Sohn Mike hat damals in der FC-Jugend mit ihm zusammengespielt. Es waren sehr angenehme Gespräche, wir konnten viele Dinge aus dem Weg räumen.
Ob wir das irgendwie vertraglich festhalten müssen, weiß ich gar nicht. Wenn die Verantwortlichen einen guten und engen Draht haben, genügt das oft. Stephan Küsters und ich haben zuletzt mit Keller und Kessler über den einen oder anderen Spieler gesprochen. Im Rahmen des Transfers der El-Mala-Brüder ist auch unser Testspiel zustande gekommen. Natürlich bringt uns das auch wirtschaftlich einen Vorteil. Aber es ist auch ein Zeichen, dass beide Klubs bereit sind, eng zusammenzuarbeiten. Der 1. FC Köln ist und bleibt in der Stadt konkurrenzlos. Trotzdem glaube ich, dass sie auch von der Viktoria profitieren können. Den Nachwuchsbereich als Beispiel: Dort müssen wir uns keinesfalls verstecken – weder vor Bayer Leverkusen noch vor dem FC. Mit Viktoria sitzen wir hier, ich nenne es immer „Arbeiterviertel“: Vingst, Kalk, Höhenberg – wo die Straßenfußballer herkommen. Und da wird es immer wieder Jungs geben, die dann irgendwann für den FC interessant werden. Auf der anderen Seite wird es beim FC auch Spieler geben, die gut über die Dritte Liga an den Bundesliga-Kader herangeführt werden können.
Viktorias langjähriger Mäzen Franz-Josef Wernze ist im April 2023 verstorben. Wie funktioniert der Verein ohne seinen größten Gönner?
Unabhängig davon, dass uns allen der Mensch Franz-Josef Wernze fehlt – seine wirtschaftliche Kraft tut es natürlich auch. Fakt ist, dass wir mindestens 20 Prozent Etat einsparen müssen. Und wo wird das meiste Geld ausgegeben?
Bei den Profis.
Genau, darum müssen wir dort am meisten einsparen. Das trifft nicht nur die Mannschaft – Trainer- und Betreuerteam wurden auch abgespeckt. Das hat mich schon bei einigen Mitarbeitern getroffen. Der Spieler auf der anderen Seite tut mir nicht weh, da muss mir niemand kommen und das Wappen küssen. Die gehen hier raus und unterschreiben woanders. Klar hatten sie hier eine geile Zeit, das ist hier ein Schlaraffenland für Profis mit unseren Bedingungen und der Tatsache, dass du relativ ruhig arbeiten kannst. David Philipp hatte Tränen in den Augen. Aber dieser Schmerz vergeht schnell. Natürlich hätte ich einen Ben Voll gerne behalten oder einen Luca Marseiler. Aber sie zu verkaufen oder die Verträge nicht zu verlängern, weil die Spieler teuer sind und woanders das trotzdem das Doppelte verdienen – zu diesem Weg sind wir gezwungen. Wir können trotz allem in den Spiegel gucken und sagen, dass wir einen vernünftigen Kader zusammengestellt haben.
Herr Wernze hat dem Verein Geld hinterlassen, damit er für eine Zeit nach seinem Tod versorgt ist. Sind Sie zuversichtlich, dass die Viktoria finanziell auf eigenen Beinen steht, wenn das Geld aufgebraucht ist?
Das muss unser Ziel sein. Aktuell macht der Verein in jedem Jahr ein Minus. Dieses Minus wird am Ende mit dem Geld von Herrn Wernze ausgeglichen. Wenn wir jetzt auf Sponsoren und Gönner zugehen, dann macht es einen Unterschied, ob du sagst, dass wir für die schwarze Null zehn oder 100 Euro brauchen. Aber wir sind da auf einem guten Weg. Das müssen wir auch. Noch sind wir versorgt. Und wir stehen jetzt alle in der Verpflichtung, das, was im Säckchen drin ist, seriös zu verwalten und den Verein auf die neuen Rahmenbedingungen vorzubereiten. Sehr glücklich sind wir über Partner wie unseren Hauptsponsor Peynoos, die uns auf unserem Weg begleiten.
Was verbinden Sie als erstes mit Franz-Josef Wernze?
Erst einmal könnte ich Bücher darüber schreiben, was ich mit dem Boss erlebt habe. Und das war nicht immer leicht. Er war ein Machtmensch. Aber gleichzeitig hatte er auch eine sehr soziale Seite und der Nachwuchsbereich hat immer eine gigantische Rolle für ihn gespielt. Viele Investoren oder Sponsoren pumpen immer alles in die erste Mannschaft, der Nachwuchs ist denen egal. Das war bei Herrn Wernze ganz anders. Egal, wo er gerade in der Welt unterwegs war – zum Termin der Weihnachtsfeier der Viktoria-Jugend ist er eingeflogen. Die Profis haben dann den Kids das Essen ausgegeben. Das werde ich vermutlich immer mit ihm verbinden.
Haben Sie nach Wernzes Tod und den großen Veränderungen für die Viktoria an einen Abschied gedacht?
Ja, ich habe länger überlegt, ob ich aufhören soll. Es wäre ein Leichtes gewesen, zu sagen: Wir sind noch eine Weile versorgt, aber bitte habt Verständnis, dass ich jetzt kürzertreten werde. Denn nur Spaß und Hobby ist der Job schon lange nicht mehr. Da kann ich mich noch so sehr zurückziehen. Wenn es irgendwo nicht läuft, stehe ich mit an vorderster Front.
Was gab den Anlass, bei Viktoria zu bleiben?
Mit dem Wissen, dass da oben einer ist (Wunderlich blickt gen Himmel, d. Red.), dem ich es versprochen habe, sein Lebenswerk zu beschützen und fortzuführen – das hat mich dann zum Bleiben bewegt. Das hätte ich nicht mit meinem Gewissen vereinbaren können, das bin ich dem Boss schuldig und werde es bis zum Ende durchziehen. Beim Abschiedsspiel von meinem Sohn hat Frau Wernze Mike dann noch ein Medaillon überreicht, das ihm für sein weiteres Leben Glück bringen soll. Da ist es mir dann klar geworden: Genau deswegen mache ich das hier, für solche Momente.
Für die kommende Saison ist der Klassenerhalt das oberste Saisonziel?
Vor ein paar Wochen habe ich nicht geglaubt, dass wir es schaffen. Da habe ich im Vorstand gesagt: Wir ziehen mit einer Pistole in den Krieg und haben keine einzige Patrone dabei. Aber dann kam noch einmal Bewegung in die Kaderplanung, das hat mir viel Mut gemacht. Ich glaube immer noch, dass es wegen des großen Umbruchs unsere schwerste Drittliga-Saison wird. Aber ich bin zuversichtlich, ich setze großes Vertrauen ins Trainerteam um Olaf Janßen und Marian Wilhelm.
Bereitet Ihnen das neuerliche Verletzungspech Sorgen?
Das verdränge ich. Denn Angst frisst die Seele auf. Wir müssen es so akzeptieren.
Wird sich im Kader noch etwas tun?
Nein, jetzt ist Schluss, Feierabend. Die Verpflichtung von Semih Güler war erstmal die Letzte. Wir wollen noch eine vernünftige Lösung für Suheyel Najar finden und gucken, dass er irgendwo unterkommt – dann sind wir durch.