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Jugendteam besucht AuschwitzWie der 1. FC Köln gegen Antisemitismus kämpfen will

Lesezeit 5 Minuten

An einer Gedenktafel im einstigen Konzentrationslager Auschwitz stellen Jugendspieler des 1. FC Köln Kerzen auf.

Schweigend finden sich die Jugendlichen zu einem Halbkreis zusammen. Die jungen Sportler und ihre Betreuer von sechs Mannschaften aus Ungarn, Polen, Tschechien und Deutschland vereinigen sich auf diese Weise zu einer großen Gemeinschaft. Für die U15 des 1. FC Köln sind es Timo und Kristiyan, die mit anderen jungen Sportlern hervortreten, um das gemeinsame Gedenken abzuschließen. Die beiden Kölner tragen Kerzen nach vorne und entzünden sie an einer Tafel mit der Aufschrift: „Dieser Ort sei allezeit ein Aufschrei der Verzweiflung und Mahnung an die Menschheit. Hier ermordeten die Nazis etwa anderthalb Millionen Männer, Frauen und Kinder. Die meisten waren Juden aus verschiedenen Ländern Europas. Auschwitz-Birkenau 1940-1945.“

Kooperation mit der Synagogengemeinde

14 Teams gehören zur Jugend des 1. FC Köln. „Der 1. FC Köln positioniert sich seit Jahren klar gegen Antisemitismus. Dazu gehört es auch, unsere Nachwuchsspieler zu sensibilisieren und entsprechend zu bilden. Deshalb sind uns solche Reisen, wie sie jetzt unsere U15 unternommen hat, ein großes Anliegen“, sagt Präsident Werner Wolf.

Als Festredner hatte Wolf beim Neujahrsempfang der Kölner Synagogengemeinde ein klares Bekenntnis für eine Zusammenarbeit abgegeben. „Wir wollen eine Partnerschaft mit der SGK und suchen nun nach Projekten, bei denen wir kooperieren können“, betonte der FC-Präsident. Es erschrecke ihn, dass in Sportvereinen und insbesondere im Fußball der Antisemitismus weit verbreitet sei. „Es kann keine Normalität geben, solange Sie Sorge haben müssen, wenn Sie sich als Jude zu erkennen geben“, so Wolf. Der Präsident verwies darauf, dass „wir uns mit unseren 110 000 Mitgliedern dieser Verantwortung stellen und etwas bewegen wollen“.

Als ersten konkreten Schritt werde der Verein im Rahmen seiner Akzeptanz-Kampagne „Lebe wie du bist“ ausdrücklich den Kampf gegen Antisemitismus verankern. Zudem sollen Wege gefunden werden, um den Kontakt zwischen jüdischer Gemeinde einerseits sowie Mitgliedern und Anhängern des Vereins andererseits aufzubauen und mit Leben zu füllen. Das Thema Antisemitismus werde auch in Workshops im Leistungszentrum festgeschrieben. „Sport und besonders der Fußball haben die Kraft, Vorurteile zu überwinden“, so Wolf.

Bildungsreisen wie diese sind dem Präsidenten des 1. FC Köln, Dr. Werner Wolf, „ein großes Anliegen“ (siehe Kasten). Als Festredner hatte er beim Neujahrsempfang der Kölner Synagogengemeinde eine Kooperation mit dem 1. FC Köln angekündigt. Nun werden die jungen Fußballer in individuellen Führungen über das Gelände des einstigen Konzentrations- und Vernichtungslagers Auschwitz geführt. „Ein Besuch ist viel krasser als die Schwarz-Weiß-Fotos in den Schulbüchern“, urteilt Kristiyan. Timo pflichtet ihm bei und meint: „Was wir hier erlebt haben, ist mehr als Schulunterricht“. Die Frage nach dem beeindruckendsten Erlebnis beantwortet ein Teamkollege so: „Die Kinderschuhe“.

Synagogengemeinde freut sich über Sensibilisierung

Die Sensibilisierung der Jugend für deutsche und jüdische Geschichte freut auch Felix Schotland vom Vorstand der Synagogengemeinde: „Wir glauben, dass Sport und besonders der in Köln so geliebte Fußball einen großen Teil zum Kampf gegen Antisemitismus beitragen kann. Wir sehen diese Kooperation daher als die perfekte Brücke, um Menschen für dieses Thema zu sensibilisieren und durch gemeinsame Projekte zu erreichen“, sagt Schotland.

Rund vier Stunden dauert der Besuch im ehemaligen Konzentrationslager. Vor dem Eingangsbereich des Stammlagers mit der zynischen Begrüßung „Arbeit macht frei“ nimmt der stellvertretende Direktor der Gedenkstätte sowie Leiter des internationalen Bildungszentrums über Auschwitz und den Holocaust die sechs Mannschaften aus Köln und Augsburg, Ostrava und Vikovice aus Tschechien, dem polnischen Zabrze sowie von der ungarischen Puskas-Akademie in Empfang. „Ich bin sehr bewegt, dass ihr so zahlreich und gemeinsam aus Deutschland, Tschechien, Ungarn und Polen hierhergekommen seid“, sagt Andrzej Kacorzyk und ergänzt: „Gerade nach der langen Zeit der Pandemie und aufgrund der aktuellen Lage ist es umso wichtiger, dass junge Menschen diesen Ort sehen und gemeinsam der Opfer gedenken.“

„Prägt junge Spieler stärker als Schulunterricht“

Drei Tage hat sich die U15-Nachwuchsmannschaft des 1. FC Köln in Tschechien und Polen aufgehalten, um an einem Vierländerfußballturnier für Nachwuchsmannschaften im tschechischen Ostrava teilzunehmen. „Der Sport steht dieses Mal nicht im Vordergrund, denn es geht bei dieser Fahrt in erster Linie darum, die Persönlichkeitsentwicklung jedes einzelnen Spielers zu stärken“, betonen Matthias Heidrich und Carsten Schiel, die beiden Leiter des Nachwuchsleistungszentrums des 1. FC Köln. In den vielen Mannschaften des FC seien Menschen aus vielen Nationen aktiv. „Dass wir mit unserem FC-Nachwuchs gemeinsam in Auschwitz sind, prägt die jungen Spieler unter Umständen stärker als es beispielsweise der Schulunterricht leisten kann“, sagt Ex-Profi Carsten Cullmann, der jetzt Trainer der U15 ist.

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Zum Programm gehört unter anderem ein Workshop im Kulturzentrum von Ostrava – die Lerneinheit dauert zwei Stunden. Mitglieder jeder Mannschaft tragen Beispiele für gelebte Erinnerungskultur vor. Die Kicker aus Augsburg haben sich mit den „Stolpersteinen“ beschäftigt und berichten von jüdischen Fußballern aus der Fuggerstadt. Die Kölner stellen dar, wie jüdische Sportler in der NS-Zeit zunächst aus den Verbänden und Vereinen gedrängt und später verfolgt und ermordet wurden. Namentlich erinnerten sie an den Kölner Fußballer Adolf Levy sowie den engagierten Kölner Unternehmer und Fußballfunktionär Ernst Peltzer.

Bei dieser Reise ist der Fußball durchaus Nebensache. Die Jugendlichen haben Referate vorbereitet, in denen es nicht um Taktik und Spielsysteme geht. Stattdessen sprechen sie über Adolf Hitler und den Nationalsozialismus, Personen des Widerstands wie Georg Elser und Oskar Schindler. „Diese Vorträge sind für die Gruppe, aber auch für jeden Einzelnen sehr wertvoll“, fasst es Markus Halfmann, Co-Trainer der U15 und einer der Mitorganisatoren des Vierländerturniers, zusammen. Halfmann hatte die Idee zu den Referaten und ist dankbar, dass sich die Jugendlichen auf das Thema eingelassen haben, obwohl einige von ihnen dies noch nicht in der Schule behandelt haben. Genauso wichtig sei ihm nach der Rückkehr die Aufarbeitung der vielen Erlebnisse.