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Gastbeitrag von Shary ReevesWarum singt man eine politisch ambitionierte Hymne?

Lesezeit 2 Minuten
Deutsche singen Hymne

Spieler von Deutschland singen die Nationalhymne.

August Heinrich von Fallersleben verfasste das „Lied der Deutschen“ im August 1841 auf der damals noch zu England gehörenden Insel Helgoland. Es geht darin um Freiheit, um nationale Einheit und das Vaterland: „Einigkeit und Recht und Freiheit sind des Glückes Unterpfand“ – Werte, die für alle ein Garant sein sollen, sind Stolpersteine für manch einen, der seither mit dem deutschen Adler aufläuft.

Mesut Özil, Jérôme Boateng und Sami Khedira sangen die Hymne jahrelang nicht mit. Sie wurden kritisiert. DFB-Ehrenpräsident Gerhard Mayer-Vorfelder forderte nach dem EM-Aus 2012 gegen hymnenstarke Italiener die Sangespflicht. 2014 bat Bundesinnenminister Thomas de Mazière die Spieler mitzusingen. Das Eintreten für Deutschland solle überzeugender zelebriert werden.

Interessant: Manche singen bei der EM äußerst inbrünstig (alle Italiener), andere gar nicht (die Belgier Kevin De Bruyne und Eden Hazard). Wieso hinterfragt das kaum jemand? Was macht es für einen Unterschied, in Bezug auf die Leistung im Spiel, ob man singt oder nicht?

Beschreibung einer alten Welt

Deutschland will vielfältiger sein und fordert in allen Bereichen mehr Diversität. Die Hymne selbst beschreibt in doch eher archaischer Art und Weise eine Welt, die diesen Werten gesellschaftspolitisch hinterherhängt. Mesut Özil, der im Februar bei den türkischen Fans erneut in die Kritik geriet, weil er konsequent auch bei Fenerbahce Istanbul die Hymne nicht mitsingt, erklärte bereits 2017, dass er den Moment zum Beten nutze. Özil, Boateng, Khedira, De Bruyne, Hazard und Co. mögen persönliche Gründe haben, die Nationalhymne nicht zu singen. Was die deutschen Spieler vereint: Hierzulande dient der Fußball als gesellschaftspolitische Wohlfühlblase – solange man gemeinsam gewinnt. Platzt sie mit einer Pleite, dann ist oft der Sündenbock jener, der die Hymne nicht mitgesungen hat.

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Die erste kritische Frage hätte längst lauten müssen: Warum singt man eine politisch ambitionierte Hymne, deren Text zwei Weltkriege überschattet, überhaupt vor einem Fußballspiel? In der deutschen Elf singen aktuell alle mit. Nur: Wer meint es ernst und wer geht Debatten aus dem Weg? Die Dokumentation „Schwarzer Adler“ zeigt, wieso es wichtig ist, dass Diversität auch das Zulassen von Veränderung bedeutet. Es wäre sinnvoll, mal über einen neuen Text der Nationalhymne nachzudenken, der all die Vielfalt in Worten einfängt, die das Land so dringend braucht.