Köln – Steffen Baumgart verspürte wenig Lust, irgendwelche tiefgreifenden Lehren aus dem Pokalspiel bei Carl-Zeiss Jena zu ziehen. „Da wird mir viel zu viel reininterpretiert“, erklärte der Trainer des 1. FC Köln nach dem 5:3-Zittersieg nach Elfmeterschießen beim Nordost-Regionalligisten.
All jenen, die angesichts der durchwachsenen Leistung des Fußball-Bundesligisten bei Baumgarts Pflichtspieldebüt intensiv an einer Mängelliste schrieben und ihrer Sorge vor dem Bundesliga-Auftakt am Sonntag (17.30 Uhr/DAZN) gegen Hertha BSC Berlin Ausdruck verliehen, hielt der 49-Jährige einen Vergleich entgegen: „Wir haben ein klares Ziel erreicht, sind in der 2. Runde. Das ist doch eine positive Geschichte. Andere Bundesligisten haben sich auch schwergetan. Das zeigt, dass alle derzeit irgendwo auf einem Niveau spielen.“ Oder anders ausgedrückt: Viele Bundesligisten wissen eine Woche vor dem Saisonstart noch nicht, wo sie leistungsmäßig stehen und tun sich dann traditionell gegen hochmotivierte und tiefstehende Gegner schwer.
Halbe Liga quält sich in die nächste Runde
Ob Mainz, Bielefeld, Bochum, Union Berlin, Mönchengladbach, Hoffenheim, Freiburg, Augsburg oder Wolfsburg – die halbe Liga quälte sich in die nächste Runde. Fürth und Frankfurt mussten sogar ganz die Segel streichen. Auch der erste FC-Gegner Hertha BSC darf sich angesprochen fühlen. Die Berliner brauchten beim Drittligisten SV Meppen ein Standardtor, um sich glücklich mit 1:0 durchzusetzen. Glück, dass der FC laut Baumgart in Jena nicht nötig gehabt hatte: „Ich habe einen deutlichen Unterschied gesehen. Nicht im Ergebnis, aber in der Leistung. Sonst hätten wir nicht 73 Prozent Ballbesitz gehabt und 800 Pässe gespielt. Es gab nicht eine Statistik, die gegen uns gesprochen hat.“
Der FC-Trainer sprach von „vielen positiven Dingen“, die er gesehen habe und mit denen er arbeiten könne. Selbst aus den negativen Erkenntnissen von Jena zog Baumgart Erquickliches heraus. „Wir haben nicht ganz so in der Struktur gespielt, wie wir uns das vorgestellt haben. Das haben die Jungs aber eher gemacht, weil sie mehr machen wollten, als sie gemerkt haben, dass es nicht so funktioniert, wie wir es wollten.“ Auch für die fehlende Geschwindigkeit im FC-Spiel fand der Trainer in den Platzverhältnissen eine Erklärung: „Wir müssen schneller den Weg finden, aber dieser Rasen hat eine höhere Geschwindigkeit nicht hergeben.“
Nichts in Sten gemeißelt
Mit dem Zweitrunden-Einzug im Rücken fiel es Baumgart natürlich leichter seine Mannschaft und das Trainerteam vor Kritik in Schutz zu nehmen. Gleichzeitig wies er aber darauf hin, dass personell bei ihm nichts in Stein gemeißelt ist und am Sonntag gegen die Hertha abgesehen von der Torwartposition den ein oder anderen Wechsel geben könnte: „Wir sollten das sehr offen halten, die eine erste Elf gibt es sowieso nicht“, sagte Baumgart und lobte die Einwechselspieler Louis Schaub, Tim Lemperle und Ondrej Duda. „Wir wollen von der Bank immer wieder nachlegen und die Entscheidung in unsere Richtung schieben. Das ist uns gelungen.“
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Den größten Anteil an der Leistungssteigerung des FC in Jena hatte zweifellos der eingewechselte Ellyes Skhiri. Nicht nur wegen seines von Mark Uth mustergültig vorbereiteten Treffers zum 1:1, sondern auch, weil er als Sechser mit seinen Pässen und Läufen die Wege nach vorne besser öffnete als vor ihm Salih Özcan. Der Tunesier bewarb sich damit auf einen Startelfplatz für den Bundesliga-Auftakt am Sonntag, obwohl weiterhin unklar ist, wie viele Spiele er noch im FC-Trikot absolvieren wird. „Bei Ellyes ist es so, dass wir noch nicht wissen, wo sein Weg hinführt. Auch wenn wir erst einmal davon ausgehen, dass er hier bleibt, gibt es eine klare Linie. Es geht darum, wirtschaftlich vernünftig zu agieren“, erklärte Steffen Baumgart. Was bedeutet, dass die Kölner Skhiri bis zum Ende des Sommer-Transferfensters am 31. August eigentlich verkaufen müssen. Einerseits, um ihre durch Corona in Schieflage geratenen Finanzen weiter zu konsolidieren, andererseits um Gelder für neue Spieler freizumachen. Wenn nämlich doch eine Lehre aus dem Pokalspiel in Jena zu ziehen ist, dann die, dass es im Team von Steffen Baumgart Positionen gibt, auf denen Verstärkungen gut tun würden.Bislang gibt es aber lediglich Gerüchte um Interessenten für Skhiri, ein konkretes Angebot für den 26-Jährigen liegt dem FC nicht vor. Und solange ein solch starker, vorbildlicher auftretender Profi bei den Kölnern noch unter Vertrag steht, sollte er auf dem Platz stehen. Auch, um ihn weiter in die Schaufenster des europäischen Fußballmarktes zu stellen .