Köln – Die Südkurve verlangte nach ihrem Derbyhelden. Mit ohrenbetäubenden „Anthony Modeste- Modeste“-Gesängen feierten die Fans des 1. FC Köln den französischen Torjäger, der ihnen und seinem Team den Sonntagnachmittag dann doch noch gerettet hatte. Modestes Doppelpack beim 2:2 (0:2) gegen den rheinischen Rivalen Bayer 04 Leverkusen sorgte nicht nur dafür, dass die Geißböcke auch im fünften Heimspiel der Saison ungeschlagen blieben, er war vor allem Ausdruck der größten FC-Tugend unter dem neuen Trainer Steffen Baumgart. Diese Mannschaft gibt sich auch nicht auf und wenn es dann mal passiert wie beim 0:5 vor einer Woche in Hoffenheim, steht sie gleich wieder auf. Die Leverkusener dagegen müssen sich fragen, warum sie nach einer frühen 2:0-Führung und großer Überlegenheit die Spielkontrolle abgaben, anstatt einfach weiter zu machen und ihre guten Umschaltchancen zu verwerten.
Baumgart blieb bei seinem bewährten System mit einer Sechs, die Dejan Ljubicic besetzte. Salih Özcan rückte dafür vor auf die Acht und nahm die Position von Jan Thielmann ein. Die zweite Spitze neben Anthony Modeste gab Mark Uth, der über die rechte Seite angriff. In der Innenverteidigung erhielt Luca Kilian den Vorzug vor Jorge Meré. Bayer-Coach Gerardo Seoane schickte im Vergleich zum Europa League-Auftritt bei Betis Sevilla (1:1) wieder seine volle Offensivkraft mit Patrick Schick und Florian Wirtz in die Startelf und tauschte in der Innenverteidigung Edmond Tapsoba gegen Odilon Kossounou.
„Wir haben den Gegner eingeladen. Das war zu einfach“
Es dauerte nicht lange, bis klar war, dass die Leverkusener ihre Fünf-Tore-Packung vom vergangenen Spieltag schneller weggesteckt als der FC hat – wahrscheinlich schon beim Spiel in Sevilla. Während sich der FC in den ersten fünf Minuten durch Ljubicic (1.) und Modeste (5.) zwei krasse Fehlpässe im Aufbau leistete, präsentierte sich die Werkself passsicher, laufstark und angriffslustig. Die Bayer-Elf lauerte auf Fehler ihrer Gastgeber, um überfallartig ihr Tempo einsetzen zu können. „Wir haben den Gegner eingeladen. Das war zu einfach“, kritisierte Baumgart die fehlerhafte Anfangsphase.
Als Modeste nach einer Viertelstunde aus der eigenen Hälfte seinen zweiten rätselhaften Diagonalpass auf die Reise schickte, schnappte die Leverkusener Falle zu. Robert Andrich freute sich im Zentrum über das Zuspiel des FC-Torjägers und schickte Moussa Diaby über die verwaiste rechte Seite in Richtung Kölner Strafraum. Der Bayer-Express rollte weiter zu Patrik Schick, der schneller als Rafael Czichos war und den Ball izum 0:1 ins rechte Eck spitzelte (15.) – das achte Saisontor des Tschechen.
Zwei Minuten später stand es auch schon 0:2. Florian Wirtz düpierte mit einem technischen Kabinettstückchen Benno Schmitz und setzte Andrich in Szene. Mit Hilfe des verunsicherten Czichos kam der Ball bei Karim Bellarabi, der ohne zu zögern zum 0:2 einschoß.
Die Kölner zu langsam?
Das Leverkusener Tempo überforderte die bemühten Kölner völlig. Zudem offenbarten Czichos und Kilian erhebliche Defizite in der Ballverarbeitung und im Passspiel. Von einer Restverteidigung der Geißböcke war wenig bis gar nichts zu sehen. Nach 25 Minuten hätte das einseitige Duell entschieden sein müssen. Erst konnte Kerem Demirbay einen FC-Ballverlust nicht nutzen (22.), dann traf Jeremie Frimpong nach einem von Jonathan Tah initiierten Hochgeschwindigkeitsangriff aus dem Leverkusener Strafraum heraus nur den Querbalken (25.).
Warum die Seoane-Elf danach die Luft aus ihrem Spiel nach vorne abließ, wird ihr Geheimnis bleiben. Jedenfalls durfte der FC Luft holen, sich sammeln und ein bisschen am eigenen Spiel arbeiten.
Als Jonas Hector nach 33 Minuten Bayer-Keeper Lukas Hradecky aus 16 Metern einer schweren Prüfung unterzog, hatten die Geißböcke die extrem schwierige Anfangsphase verarbeitet. Kossounou musste den umtriebigen Mark Uth mit letztem Einsatz am Torerfolg hindern (38.). Kurz vor der Halbzeit hätte Kapitän Hector nach einem Kainz-Standard per Kopf aus sechs Metern treffen können – vielleicht sogar müssen.
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Das Baumgart-Team nahm auf jeden Fall Hoffnung mit in die Pause. Und das war viel mehr, als die Kölner Anhänger unter den 49.600 Zuschauern im Rheinenergiestadion nach 25 Minuten erwarten durften. Und die zweiten 45 Minuten erfüllten die Hoffnungen. Bayer fand die Spielkontrolle nicht wieder und der FC glaubte an seine Chance. Vor allem nachdem Modeste nach einer Hector-Flanke hinter dem schlecht postierten Tah an den Ball kam und ihn Hradecky zum 1:2 durch die Beine schob (63.). Der Franzose hätte dann schon in er 78. Minute ausgleichen können, bekam nach einer Uth-Flanke aber seine Beine nicht sortiert. Mit dem Kopf klappte es vier Minuten später besser. Der eingewechselte Sebastian Andersson verlängerte einen langen Einwurf des eingewechselten Kevin Schindler. Modeste war zur Stelle und erzielte das mittlerweile verdiente 2:2 (82.). Andersson hätte in der Nachspielzeit per Kopf noch zum 3:2 treffen können, das wäre aber wie Baumgart es ausdrückte „des Guten zu viel gewesen“.