Frankfurt/Köln – Es sah lange Zeit nicht so aus, als sollten der 1. FC Köln und der Videobeweis noch zueinander finden können. Die Geißböcke gehören seit der Einführung des VAR vor mittlerweile fünf Jahren gefühlt zu den Clubs, die am wenigsten von dem technischen Mittel profitieren konnten, so unerträglich hoch war die Anzahl der Entscheidungen, die der „Kölner Keller“ gegen den FC getroffen hat. In der Saison 2017/18 war der VAR sogar ein Baustein des Kölner Abstiegs.
Mit Beginn der neuen Spielzeit in der Fußball-Bundesliga bahnt sich nun aber eine glückliche Liebesbeziehung Videobeweis und FC an. Drei positive und spielentscheidende Situationen aus Sicht des FC waren es beim 3:1-Auftaktsieg FC gegen Schalke 04, zwei beim 2:2 in Leipzig, und am Sonntag schenkte der VAR dem Team von Trainer Steffen Baumgart beim 1:1 in Frankfurt den nächsten Punkt. „Wenn Flo so im Sichtfeld von Kevin Trapp steht und im Abseits steht, ist es eine Behinderung des Torwarts. Das Gleiche hatten wir gegen Schalke. Da wurde Zalazars Tor aberkannt. Deshalb hätte auch uns das Tor weggenommen werden können. Jetzt hatten wir zweimal Glück mit dem VAR“, räumte Baumgart ein.
Der eingewechselte Florian Dietz hielt sich bei der 18-Meter-Direktabnahme von Jan Thielmann in der 82. Minute knapp in der verbotenen Zone auf und versperrte Eintracht-Keeper Trapp die Sicht. Nach fünfminütiger Überprüfung anhand der TV-Bilder, an deren Ende Schiedsrichter Martin Pedersen sich die Szene selbst noch einmal anschaute, erhielt der Treffer dennoch seine Anerkennung. „Als Kölner muss ich natürlich sagen, dass es kein Abseits war“, sagte Thielmann lachend und wohlwissend, dass sein Tor nicht hätte zählen dürfen. „Wir sind glücklich, dass das Tor gezählt hat.“ Ein Tor, das er erzielte, weil er einem Kopfball-Zweikampf aus dem Weg ging: „Ich setze mich nach hinten ab, weil ich mit meinen 1,78 Meter nicht der beste Kopfballspieler bin und auf den Schuss lauere.“
Baumgart: Werden noch viel Freude an Thielmann haben
Bei der quälend langen Überprüfung des 1:1 sei es um insgesamt vier unterschiedliche Szenen gegangen, wie Baumgart nach dem Spiel zu berichten wusste. „Das finde ich schwierig. Dann suchst du ja nach etwas, um das Tor wegzunehmen. Da treffe ich im Training jede Schiedsrichter-Entscheidung klarer“, kritisierte der FC-Trainer. Abwehrchef Timo Hübers pflichtete ihm bei: „Wenn der Videobeweis so umgesetzt wird, macht es nicht so viel Spaß.“
Spaß machte aber Thielmann. Nach einem starken Auftritt in Leipzig war der 20-Jährige beim 1:2 im Conference League-Playoff-Hinspiel gegen Fehérvár in ein Leistungsloch gefallen. „Wir vergessen wegen seiner vielen Bundesligaspiele relativ schnell, dass Jan noch ein junger Spieler ist und Schwankungen unterliegt“, erklärte Baumgart. Der Coach gab dem Youngster in Frankfurt deshalb eine Pause, auch weil er in der Vorbereitung verletzt war. „Als er reinkam, gab es zwei, drei Situationen, die er aus meiner Sicht besser hätte lösen können. Das Entscheidende ist, dass er weitermacht. Wir werden noch viel Freude an ihm haben.“ Auf die Frage, ob Thielmann mit seiner herausragenden Schusstechnik nun den Mut aufbringen würde, häufiger aus der Distanz abzuschließen, antwortete der FC-Coach lächelnd: „Mir würde es gefallen, wenn sie alle öfter schießen – und zwar aufs Tor.“
Nur bei RTL+
Beim Rückspiel des 1. FC Köln in den Playoffs der Europa Conference League beim ungarischen Vertreter Fehérvár FC am kommenden Donnerstag (19 Uhr) werden viele FC-Fans, die kein Ticket für das Spiel in der Mol Arena Sosto (14 201 Plätze) ergattern konnten, in die Röhre schauen. Nachdem das Hinspiel aus Köln über RTL frei empfangbar war, läuft das Rückspiel nur über den kostenpflichtigen Streamingdienst RTL+. Das gilt zunächst auch für die Spiele der Gruppenphase der Conference League, sollte sich der FC dafür qualifizieren. (sam)
Thielmanns nahm nach dem Spiel so viel Raum ein, dass es fast unterging, wie die Kölner den schwierigen Umständen des Duell mit der Eintracht getrotzt hatten und nach zwei Auswärtsspielen bei Champions League-Teilnehmern in der Bundesliga ungeschlagen bleiben. „Die Jungs haben alles rausgehauen. Obwohl sie zum Ende mit sich und ihren Körpern zu kämpfen hatten, haben sie nicht aufgehört und dagegen gehalten“, lobte Baumgart. Nicht selbstverständlich angesichts der hohen Temperaturen und des dritten schweren Spiels in einer Woche. „Wir haben am Donnerstag gespielt und die Jungs sind wieder zwei oder drei Kilometer mehr gelaufen als die Frankfurter. Das ist Mentalität“, sagte Thomas Kessler als Sportlicher Leiter des FC. Unter diesen Umständen im Frankfurter Hexenkessel einen 0:1-Rückstand (Kamada/71.) aufzuholen, sei aller Ehren wert.
Bemerkenswert war dieses 1:1 auch, weil Steffen Baumgart nicht davor zurückschreckte, in einer solch schweren Partie mit Mathias Olesen und Steffen Tigges zwei Startelfdebütanten zu bringen. Der 21-jährige Olesen hatte vor Frankfurt nur 19 Bundesliga-Minuten in den Knochen und ersetzte den verletzten Mark Uth gleich auf der Zehn. „Die Entwicklung von Matse ist überragend. Als Zehner in diesem Stadion so aufzutreten und praktisch jeden Pass an den Mann zu bringen: Hut ab“, lobte Baumgart. Wie auch Tigges, der nach einer Verletzung noch nicht bei 100 Prozent ist: „Er hat alles reingeworfen und bringt unglaublich viel Mentalität auf den Platz“, sagte der Trainer. Er freute sich, dass „seine Regionalligaspieler“ es genauso gut gemacht hätten, wie der prominente, von Juventus Turin ausgeliehene Eintracht-Neuzugang Luca Pellegrini bei seiner Bundesliga-Premiere.
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Zusammen mit dem Moral stärkendenden Punktgewinn sind das gute Aussichten für den FC, am Donnerstag in Fehérvár die 1:2-Hinspielniederlage wettzumachen und in die Gruppenphase der Conference League einzuziehen: „Wir regenerieren jetzt und haben gegen Fehérvár noch eine Rechnung aus dem Hinspiel offen. Das wird Kräfte freisetzen“, gab sich Timo Hübers kämpferisch und optimistisch.