Bayer 04 Leverkusen sucht die Schuld am 0:3 in der Champions League gegen Bayern München bei sich selbst und hofft auf ein Wunder im Rückspiel.
Champions-League-AchtelfinaleBayer Leverkusen zeigt sich frustriert: „Unseretwegen ging alles gegen uns“

Entscheidender Patzer: Leverkusens Torwart Matej Kovar bekommt vor dem zweiten Gegentor den Ball nicht richtig zu fassen. Foto: Tom Weller/dpa +++ dpa-Bildfunk +++
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Granit Xhaka war sauer, stinksauer. „Der Frust ist groß. Es sind so viele Sachen passiert. Ich muss atmen, bevor ich etwas Falsches sage“, versuchte der Schweizer seine Emotionen zu bändigen. Die unerwartete 0:3 (0:1)-Abreibung im Achtelfinal-Hinspiel der Champions League beim FC Bayern München war selbst für den erfahrenen Sechser von Bayer 04 Leverkusen zu viel gewesen. Und obwohl sich Xhaka weigerte, Details zu benennen, konnte jeder erahnen, welche Gedanken dem 32-Jährigen durch den Kopf gingen.
„Wir gehen früh in Rückstand, was definitiv nicht der Plan war, und vergeben dann die Möglichkeit zum 1:1“, beschrieb Xhaka die erste Viertelstunde. Harry Kane hatte die Bayern schon nach neun Minuten und einem tiefen Nickerchen von Nordi Mukiele in Führung geköpft, Jeremie Frimpong dann fünf Minuten später frei vor Manuel Neuer den Ausgleich liegen gelassen.
Schwere individuelle Fehler von Mukiele, Kovar und Tapsoba
Xhaka bezeichnete die Leistung seiner Mannschaft danach bis zur Halbzeit als „stabil“ und auch Bayer-Kapitän Jonathan Tah sprach von „keinem so schlechten Spiel, das wir mit 0:3 verlieren müssen“. Die beiden Leverkusener hatten recht und trotzdem war Xhaka komplett bedient, was mit dem Auftritt nach der Pause zu tun hatte: „Die zweite Halbzeit hat ihre eigene Geschichte mit der Roten Karte, die brutal unnötig war, so weit weg vom eigenen Tor. Dazu dann noch ein Fehler und ein Elfmeter - bitter.“
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Erst hatte Torwart Matej Kovar vor dem 0:2 eine harmlose Flanke in die Füße von Jamal Musiala fallen lassen (54.), dann rauschte der indisponierte und bereits verwarnte Mukiele tief in der Münchner Hälfte an der Außenlinie Kingsley Coman von hinten in den Knöchel. Die Reihe an individuellen Fehlern komplettierte der eingewechselte Edmond Tapsoba, als er Kane im Strafraum unnötig klammerte und dem Bayern-Torjäger so nach VAR-Prüfung die Gelegenheit gab, per Strafstoß seinen Doppelpack zu schnüren (75.).
Es waren ein paar Sachen dabei, die nicht auf dieses Niveau gehören.
„Es waren ein paar Sachen dabei, die nicht auf dieses Niveau gehören“, schimpfte Xhaka ohne Namen zu nennen: „Ich bin keiner, der auf einzelne Spieler draufgeht.“ Brauchte er auch nicht, denn jeder in der Allianz-Arena und vor den TV-Schirmen hatte gesehen, was vor sich gegangen war. Der Schweizer blieb auch konsequent, als er nach seiner eigenen, ziemlich durchwachsenen Leistung gefragt wurde und nach der von Florian Wirtz, der von Joshua Kimmich in Manndeckung genommen wurde und kein Land sah: „Andere Frage“, wehrte Xhaka zweimal ab.
Obwohl die Münchner dem Doublesieger das Leben in den Zweikämpfen und bei den zweiten Bällen mit aggressivem Pressing schwer gemacht hatten, mussten die Leverkusener die Gründe für die Niederlage weniger bei einem übermächtigen Gegner als bei sich selbst suchen. „Uns hat die Intensität und die Galligkeit gefehlt. Wir hatten auch zu wenig Ballbesitz in der gegnerischen Hälfte. Die Bayern haben es gut gemacht und ihr Spiel angepasst“, analysierte Tah im Vergleich zum jüngsten 0:0 in der Bundesliga, als die Werkself den Tabellenführer dominiert hatte.

Diskussionsbedarf hatten Jeremie Frimpong (L) und Florian Wirtz während und nach dem Spiel von Bayer Leverkusen beim FC Bayern.
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„Es waren Details. Das zweite Tor, die Rote Karte, der Elfmeter. Wir sind schuld, denn wir haben Bayern die Möglichkeiten gegeben. Das waren schwere Fehler“, räumte Xabi Alonso ein. Der Bayer-Coach kassierte im siebten Duell mit seinem Ex-Club die erste Niederlage und lag diesmal mit seinen Entscheidungen daneben, auf Stoßstürmer Patrik Schick zu verzichten und Kovar im Tor den Vorzug vor Lukas Hradecky zu geben.
Der 43-Jährige hätte zudem Mukiele zur Pause auswechseln müssen: „Ich hatte diesen Gedanken, habe mich aber anders entschieden. Es wird Zeit benötigen, alles zu analysieren. Es ging unseretwegen alles gegen uns. Dafür müssen wir die Verantwortung übernehmen, um zu wissen, was passiert ist.“
Immerhin verursachte sein letzter Schachzug keinen Schaden mehr. Um Xhaka, Wirtz und Frimpong vor einer Gelbsperre für das Rückspiel zu schützen, nahm Alonso das Trio nach 81 Minuten trotz Unterzahl vom Platz. Die Münchner versäumten es danach durch Leroy Sané und Palinha den vierten Treffer nachzulegen und die Aufgabe für den Werksclub noch schwerer zu machen.
Xabi Alonso kennt die Situation aus eigener Erfahrung
Bayer 04 steht aber auch mit dem 0:3 vor dem Rückspiel am kommenden Dienstag in Leverkusen mit dem Rücken zur Wand und braucht laut Alonso „fast ein Wunder“. Immerhin kennt sich der Spanier mit solchen Situationen aus. 2005 drehte er mit dem FC Liverpool im Champions League-Finale einen 0:3-Pausenrückstand gegen den AC Mailand und triumphierte im Elfmeterschießen. „Es ist noch nicht vorbei. Manchmal passieren unerwartete Dinge. Das Mindset kann sich schnell ändern und wenn es eine Chance gibt, kämpfen wir dafür. Wir müssen zurückkommen und die Jungs lernen zu glauben. Ein Tor kann alles verändern.“
Den Kopf in den Sand stecken, kommt auch für Xhaka und Tah nicht infrage. „Wir haben genug Qualität, um Tore zu schießen, müssen wieder mit unserer Mentalität spielen und früh in Führung gehen. Dann kann alles passieren. Im Fußball sind schon viele Geschichten geschrieben worden. Wir haben noch 90 Minuten und vielleicht mehr“, sagte Xhaka und fand in seinem Kapitän einen Mitstreiter: „Glaube und Hoffnung sind da. Wir dürfen heute Abend traurig sein über das Ergebnis, aber dann geht es weiter. Es ist eine riesige Herausforderung, aber die nehmen wir gerne an.“