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Bayer 04 LeverkusenDer perfekte Plan bleibt unbelohnt

Lesezeit 5 Minuten
Florian Wirtz (r.) hadert nach seiner vergebenen Großchance in der Nachspielzeit. Der Münchner Dayot Upamencano zeigte eine starke Defensivleistung.

Florian Wirtz (r.) hadert nach seiner vergebenen Großchance in der Nachspielzeit. Der Münchner Dayot Upamencano zeigte eine starke Defensivleistung.

Bayer 04 Leverkusen ist nach dem 0:0 gegen Bayern München enttäuscht, aber auch mächtig stolz auf seinen starke Leistung.

Der ausgeklügelte Plan war aufgegangen, der Meister hatte den Rekordmeister in nie dagewesener Form dominiert und trotzdem gab es am Samstag nach dem Bundesliga-Gipfel gegen Bayern München in der ausverkauften BayArena lange Gesichter im Lager von Bayer 04 Leverkusen. Das Ergebnis allein war schuld, denn das unverdiente 0:0 bedeutet wohl die Vorentscheidung im Kampf um die deutsche Meisterschaft. Die Werkself konnte durch ihr achtes Remis in dieser Saison nichts von den acht Punkten Vorsprung des Tabellenführers abknabbern und braucht bei zwölf ausstehenden Spieltagen ein mittleres Wunder, um seinen Titel zu verteidigen.

„Wir haben es fast perfekt gemacht, hatten genügend Chancen und haben fast das ganze Spiel in ihrer Hälfte gespielt. Es war eine fantastische Leistung, fußballerisch und mental. Nur das Tor hat gefehlt“, lobte und klagte Xabi Alonso. Er war trotz des fehlenden Ergebnisses mächtig stolz auf die extrem reife Leistung seines Teams: „Das war wahrscheinlich unser bestes Spiel in dieser Saison gegen Bayern, vielleicht sogar in den beiden letzten Spielzeiten.“

Schick und Boniface nur auf der Bank

Der Leverkusener Trainer hatte die deutsche Fußball-Fachwelt einmal mehr überrascht und ließ mit Patrik Schick und Victor Boniface beide Torjäger auf der Bank. Und das bis zur zweiten Minute der dreiminütigen Nachspielzeit, obwohl Bayer einen Sieg benötigte, um den Rückstand auf fünf Zähler zu reduzieren und den Meisterschaftskampf mit Spannung anzureichern.

Stattdessen entschied sich Alonso für ein hohes, intensives Pressing, das mit Nathan Tella, Jeremie Frimpong und Florian Wirtz in vorderster Linie so weit ging, dass Jonathan Tah und Edmond Tapsoba als Innenverteidiger die Münchner Offensiv-Stars Jamal Musiala und Harry Kane tief in der gegnerischen Hälfte attackierten.

Es hat uns nicht überrascht. Sie können tief verteidigen und auch hoch pressen.
Vincent Kompany, Trainer Bayern München

„Xabi hat uns sehr gut vorbereitet. Das hohe Pressen hat der Mannschaft gutgetan. Er hat immer den richtigen Riecher bei unseren sehr unterschiedlichen Matchplänen“, lobte Tah seinen Coach. In den ersten beiden Duellen mit den Bayern hatte Alonso noch auf eine tiefe Verteidigung gesetzt und ein 1:1 in der Liga sowie ein 1:0 im Achtelfinale des DFB-Pokals erreicht.

„Es hat uns nicht überrascht. Sie können tief verteidigen und auch hoch pressen. Bayer hat sich das Recht verdient, den Ball zu haben und uns unter Druck zu setzen. Sie haben alles richtig gemacht. Wir haben die Mentalität gezeigt, Schüsse zu blocken, Flanken zu verteidigen und als Team defensiv zu arbeiten. Ich denke, dass wir drei Tage nach einem so harten Kampf wie in Glasgow diesen Ort hier enttäuschter hätten verlassen können“, analysierte Vincent Kompany.

Keine Torchance für München, viele für Bayer 04

Der Bayern-Coach hatte recht, denn Leverkusen besaß ausreichend Gelegenheiten, um seinen dominanten Auftritt auch auf die Anzeigetafel und in die Wertung zu bringen. Frimpong (21.) und Tella (25.) trafen nur den Querbalken. In der zweiten Hälfte vergab Tella zwei weitere Chancen (59./66.). Bei der zweiten musste Hiroki Ito für die Gäste, die bis zur 73. Minute nicht einmal richtig aus ihrer Hälfte kamen, auf der Linie retten.

In der Nachspielzeit hatten dann der eingewechselte Amine Adli und der stark aufspielende Florian Wirtz die Großchance alles gut werden lassen. Adli scheiterte an Manuel Neuer und Wirtz schob den Ball aus sechs Metern mit rechts links vorbei (90.+1). In der vergangenen Saison wäre in neun von zehn Fällen in dieser Situation der Leverkusener Siegtreffer gefallen.

Möglich, dass das Tor mit einem von den beiden gefallen wäre, aber wir werden es nie wissen.
Xabi Alonso, Trainer Bayer 04 Leverkusen

Die durch den Chancenwucher aufkommende Frage nach Schick und Boniface moderierte Alonso gewohnt souverän ab: „Möglich, dass das Tor mit einem von den beiden gefallen wäre, aber wir werden es nie wissen. Ich habe alle unsere Spieler auf top, top Niveau gesehen.“ Anders wäre ein solch überlegen geführtes Spiel auch gar nicht möglich gewesen.

„Wir müssen ganz klar gewinnen, mit der Art und Weise unseres Spiels und der Dominanz. Das ärgert uns, wir sind aber auch extrem stolz auf die Leistung gegen so einen Gegner. Das war ja nicht irgendein Zweitligist“, lobte Jonathan Tah. Teamkollege Granit Xhaka pflichtete ihm bei: „So gegen Bayern zu spielen, mit so viel Charakter, so einer Mentalität und so einem Engagement, das verdient ganz großen Respekt.“

Wir glauben absolut daran und haben keine Zweifel, dass noch etwas geht.
Jonathan Tah, Abwehrchef Bayer 04 Leverkusen

Blieb die Frage nach Bayers Restchance im Titelkampf. „Gibt es dafür eine KI?“, fragte Tah scherzhaft, um mit Blick auf die nächsten beiden Aufgaben der Münchner gegen Frankfurt und Stuttgart ernsthaft anzufügen: „Wir glauben absolut daran und haben keine Zweifel, dass noch etwas geht. Dafür müssen wir aber in jedem Spiel drei Punkte holen.“

Granit Xhaka interessierte der Blick auf die Tabelle erst gar nicht: „Ob wir jetzt acht oder fünf Punkte hinter Bayern sind. Wenn wir so weitermachen, können wir stolz auf uns sein. Und wenn München seine Spiele weiter gewinnt, geben wir ihnen die Hände und gratulieren.“

Xabi Alonso wollte das Buch von der Titelverteidigung auch nicht gänzlich zuschlagen: „Es ist zu früh. Wir werden wie letztes Jahr im April darüber reden. Es gibt noch viele Punkte zu spielen. Das Gefühl für die Tabelle und das Ergebnis hätten natürlich besser sein können, aber es gibt noch zwölf Spiele und zwei andere Wettbewerbe. Wir müssen viele Spiele gewinnen.“ In der Form von Samstag ist das absolut möglich.