Im Zusammenhang mit den Nizza-Krawallen im September 2022 ist ein 36-jähriger Hooligan zu einem Jahr und sechs Monaten Haft verurteilt worden.
Nizza-Krawalle beim Spiel des 1.FC Köln„Mann mit dem Fischerhut“ verurteilt
In der Bäckerei nur wenige Meter vom Amtsgericht in Bensberg entfernt gab es an diesem kalten Mittwochmorgen nur zwei Themen. Die nervigen Absperrungen und Umleitungen im Ort und die muskelbepackten Männer mit diesen Tätowierungen vor dem Eingang des Gerichtes. „Wer is dat“?, fragte ein Rentner die Dame hinter dem Tresen und schlürfte an seinem Kaffee.
Die Kassiererin wusste es nicht, auch ein Kunde konnte nicht aufklären. „Der FC muss vor Gericht“, versuchte der Mann zu erklären. Ein Taxifahrer auf der Suche nach Brötchen wusste es besser und sagte, dass es sich um die Ausschreitungen im Zusammenhang mit dem Conference-League-Spiel des 1. FC Köln im September 2022 in Nizza handelt. Die Kaffeerunde wusste nun Bescheid.
Eine halbe Stunde später im Gerichtssaal hatte ein 36-Jähriger wesentlich größere Probleme, als die Kaffeerunde. Ein polizeibekannter Hooligan musste sich wegen schwerem Landfriedensbruch und gefährlicher Körperverletzung verantworten. Auf diversen vor Gericht gezeigten Videos war der Familienvater, der in den vergangenen 113 Tagen in U-Haft saß, bei einer körperlichen Auseinandersetzung mit einem Nizza-Fan auf der Tribüne im Stadion des französischen Clubs zu sehen. Zeugen hatten der Polizei hunderte Videos geschickt und auf mehreren war der 36-Jährige zu sehen.
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Mann legt Geständnis ab
Vor Gericht legte der Mann ein Geständnis ab. „Es war scheiße. Nächstes Mal gehe ich da nicht hin“. Es habe Schläge und Tritte gegeben. Gleichzeitig spielte er das deutlich auf den Videos vorgespielte Geschehen aber auch herunter. Er habe gar nicht vorgehabt zu prügeln. Als es aber dann die Informationen von Angriffen auf FC-Fans von Seiten der Nizza-Anhänger gab, habe er sich dazu entschieden „mit nach vorne zu gehen“. Mit in den Gerichtssaal kamen auch zahlreiche muskelbepackte Männer, offenbar aus der Hooligan-Szene. Auch Familienangehörige waren gekommen, eine Frau im Zuschauerraum wischte sich laufend die Tränen aus den Augen. Trost erhielt die Frau in der Pause von den muskelbepackten Männern.
Der 36 Jahre alte Gerüstbauer gilt in der Szene als sogenannter „Alt-Hool“. Er ist aktenkundig wegen diverser Gewaltdelikte rund um FC-Spiele bereits im Jahr 2008, teilte das Gericht mit. Wegen seines Vorstrafenregisters sitzt er zudem seit Herbst 2022 in Untersuchungshaft. Insgesamt listete die Richterin in der Verhandlung sieben Eintragungen auf. Dabei geht es um Taten, die der Angeklagte in Zusammenhang mit Fußballspielen, verübt hat. Landfriedensbruch in Kaiserslautern, Pyrotechnik-Einsatz in Nürnberg, Verurteilung vom Amtsgericht Berlin-Tiergarten, Übergriffe in einer Sportsbar beim Spiel Deutschland gegen die Türkei.
Während der Verhandlung versuchte die Richterin mehrfach die Beweggründe des 36-Jährigen herauszufinden. „Warum ist das immer so“? fragte die Vorsitzende. Der Angeklagte äußerte sich nicht. Sein Anwalt blockte eine Antwort ab.
Bei der Befragung eines Kölner Polizisten wurde dann noch einmal deutlich, was in Nizza geschah. Der szenekundige Beamte sprach von 1000 Kölner Fans, die die Sicherheitseinrichtungen am Stadion durchbrachen. Die Sicherheitskräfte seien überfordert gewesen. Im Vorfeld hätte es Gespräche mit den Verantwortlichen gegeben, „es wurde aber nicht alles umgesetzt.
Verhalten durch nichts zu rechtfertigen
Nach rund zwei Stunden hatte sich die Vorsitzende Richterin ein Bild von der unschönen Seite des Fußballs gemacht und schloss die Beweisaufnahme. Oberstaatsanwalt Ulf Willuhn betonte in seinem Plädoyer, dass das Verhalten des Angeklagten durch nichts zu rechtfertigen war. Ausgerechnet in Frankreich hätten der Angeklagte und andere randaliert, dort, wo 1998 bei der Fußballweltmeisterschaft der französische Polizist David Nivel durch deutsche, angebliche Fans so schwer verletzt wurde, dass er bleibende Schäden davontrug. Auch in Nizza sei es um Leben und Tod gegangen. Ein Fan sei beispielsweise mehrere Meter tief von einer Brüstung im Stadion gefallen und dabei lebensgefährlich verletzt worden. „Ein Mob war außer Kontrolle“, sagte der Ankläger.
Schließlich verurteilte das Gericht den Angeklagten zu einer Freiheitsstrafe von 18 Monaten. In ihrer Urteilsbegründung attestierte die Richterin dem 36-Jährigen zwar „glaubhafte Reue“, äußerte aber Zweifel an seiner Beteuerung, sich „von der Szene gelöst“ zu haben. Die Bekannten des Angeklagten verließen kopfschüttelnd den Saal. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.