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Offener BriefSo wehren sich Anwohner in Bergisch Gladbach gegen Fahrradstraße

Lesezeit 5 Minuten
Links stehen Häuser, davor sind Hecken gepflanzt, in der Mitte ist die schmale Fahrbahn, rechts sieht man einen kleinen Grünstreifen, dann kommen die Bahngleise.

Anwohner wehren sich dagegen, dass die schmale Siegenstraße in Bergisch Gladbach-Refrath Fahrradstraße werden soll.

Die Anwohner einer beschaulichen Wohnstraße in Refrath protestieren in einem Offenen Brief gegen die Umwidmung in eine Fahrradstraße.

Fahrradstraßen sind in Bergisch Gladbach bisher kein Erfolgsprojekt. Sinnbild für die Schwierigkeiten einer Umwidmung ist die Laurentiusstraße. Seit mehr als drei Jahren ringen Anwohner, Politik und Verwaltung um die künftige Gestaltung dieser Straße. Aber auch abseits des Stadtzentrums gibt es Widerstände: 40 Anlieger der Siegenstraße in Refrath haben sich zu einer Interessengemeinschaft zusammengetan, um sich gegen die Ausweisung ihrer Wohnstraße als Fahrradstraße zu wehren. Die Stadt will an ihrem Beschluss zum Ausbau als Fahrradstraße festhalten.

„Wir verstehen nicht, warum die jetzige Situation verändert werden soll, weil hier alles problemlos funktioniert“, sagt Manuela Kröll, Sprecherin der Initiative, „alle Nutzer, kommen gut miteinander aus.“ In einem offenen Brief an den Bürgermeister und die Fraktionen fordern ihrer Mitstreiter der IG Siegenstraße, dass der Beschluss zur Umgestaltung ihrer Straße aufgehoben wird. „Die Siegenstraße ist aus unserer Sicht nicht als Fahrradstraße geeignet“, lautet das Schlussstatement des Briefes, „es gibt keinen erkennbaren Grund für die Umwidmung in eine Fahrradstraße.“

Laut Anwohner gibt es ein gutes Miteinander

Die schmale Straße verläuft zwischen den beiden Straßen Vürfels und Vürfelser Kaule, abseits gelegen von den viel befahrenen Hauptstraßen. Bei dem südwestlichen Straßenabschnitt handelt es sich um eine Sackgasse ohne Bürgersteig, die für Autofahrer vor der Fußgängerbrücke über den Frankenforstbach endet. Das Miteinander der verschiedenen Verkehrsteilnehmer – Autofahrer, Pflegedienste, Besucher, Handwerker, Lieferdienste, Hundebesitzer – zählt Kröll auf, funktioniere problemlos und sei von gegenseitiger Rücksichtnahme geprägt.

Im großen Umfang werde die Siegenstraße in beiden Richtungen von Grundschülern als Weg zu den umliegenden Schulen genutzt. „Aber auch viele Radfahrer befahren die Strecke“, berichtet Manuela Kröll. Die Beliebtheit für Fußgänger und Radler führt Kröll darauf zurück, dass sie sich sicher fühlen.

Uns erschließt sich die Sinnhaftigkeit dieser Straße einfach nicht
Manuela Kröll, IG Siegenstraße

Die Umwidmung in eine Fahrradstraße begünstige jedoch nur eine einzige Nutzergruppe, die der Fahrradfahrer, zum Nachteil der Sicherheit der anderen Gruppen. Die Anwohner befürchten: „Die Strecke wird zu einer Rennstrecke für Fahrradfahrer.“ Schulkinder etwa müssten dann auf Radfahrer achten und nicht umgekehrt. Fußgänger mit und ohne Hund sowie spielende Kinder seien so ebenfalls angehalten, ständig den Fahrradverkehr im Auge zu behalten.

Ganz wichtig ist es der IG zu betonen, dass die meisten in der Straße, den Ausbau des Fahrradnetzes befürworten. „Aber uns erschließt sich die Sinnhaftigkeit an dieser Stelle einfach nicht“, sagt Kröll. Bei der Bürgerbeteiligung Ende September, als die Stadtverwaltung ihr Vorhaben präsentierte, hätten sich viele überrumpelt gefühlt, berichtet die Anwohnerin.

Die gesamte Fahrbahn soll zum Radweg werden

„Wir haben überwiegend positive Rückmeldungen von den Anwohnenden bekommen“, berichtet dagegen Jonathan Benninghaus, Abteilung Stadtentwicklung. Etwa 30 Personen hätten teilgenommen: „Bedenken gibt es immer. Aber im Austausch konnten wir diese größtenteils ausräumen.“ Benninghaus stellt klar, dass die Siegenstraße ein Teil des Radverkehrsnetzes ist und deshalb nicht isoliert betrachtet werden kann.

Die Straße stellt einen Teilabschnitt der Radroute F 2 zwischen Bensberg und Refrath dar. Wie berichtet, hat die Stadt insgesamt zwölf Strecken auf Nebenstraßen ausgeguckt, um die Stadt fahrradfreundlicher zu machen. Der Vorteil sei, dass diese kleinen Anliegerstraßen die Voraussetzungen erfüllten, als Fahrradstraßen ausgewiesen zu werden: zwar nicht als reine Fahrradstraßen, wo Autos nicht erlaubt sind, sondern als Tempo-30-Zonen, in denen Radfahrer Vorrang haben und die gesamte Fahrbahn zum Radweg wird.

Handwerker und Besucher können weiterhin in die Straße fahren

Die Sorge, dass dort Handwerker oder Pflegedienste kein Zufahrtsrecht mehr hätten, sei unbegründet: „Jeder, der ein Anliegen hat, kann dort hineinfahren“, betont Benninghaus. Den Vorwurf der Anwohner, dass Fußgänger, insbesondere Schulkinder, das Nachsehen haben würden, wenn Radfahrer Vorfahrt hätten, kann die Verwaltung nicht nachvollziehen: „Im aktuellen Bestand im Bereich der Sackgasse gibt es keine Infrastruktur für zu Fußgehende“, sagt Benninghaus.

Hier sehe die Verwaltung einen Handlungsbedarf, der mit den Planungen optimiert werden solle. Der Umbau zur Fahrradstraße biete die Chance, das, was im Straßenraum nicht so gut laufe, zu verbessern. Ein Bürgersteig würde aber vermutlich dafür sorgen, dass in der schmalen Straße kaum mehr Platz zum Parken wäre, auch dies ist eine Sorge der Anwohner. „Wir prüfen, ob es möglich ist, den Grünstreifen für die Einrichtung einiger Kurzzeitparkplätze einzubeziehen.“

Gespräche mit der KVB als Eigentümer seien vorgesehen, auch an den Straßenbahnhaltestellen in Refrath werde es Verbesserungen geben. Die Siegenstraße eigene sich gerade deshalb gut als Auftaktprojekt, weil dort bereits viele Radfahrer unterwegs seien.

Alle Ideen und Anregungen der Bürger würden geprüft und wenn möglich in der Planung berücksichtigt. „Wir stehen noch ganz am Anfang. Liegt ein Entwurf vor, werden wir ihn den Anliegern vorstellen“, verspricht Benninghaus.


Gladbacher konnten Vorschläge machen

Die Basis für die Vorschläge der Stadtverwaltung für das Radverkehrsnetz im Stadtgebiet bilden bereits bestehende Verkehrskonzepte wie das Mobilitätskonzept aus dem Jahr 2015. Darüber hinaus wurden 38 Vorschläge für Fahrradstraßen aus der Politik sowie den Fahrradverbänden ADFC und Pro Velo geprüft.

Eingeflossen in die Bewertung sind zudem Vorschläge aus der Bevölkerung, die aus einer Befragung vom April 2023 stammen. Aus den gesammelten Daten konnten stark nachgefragte Ziele herausgefiltert werden. In einem ersten Schritt sollen konkret zehn Straßen, die entlang der Radroute zwischen Bensberg und Refrath liegen, als Fahrradstraßen umgeplant werden.

Es handelt sich um folgende Anliegerstraßen: die Siegenstraße, Wickenpfädchen, Friesenstraße, Hasenweg, Im Buchenkamp, Buchenkampsweg, Kaule und Gartenstraße, Alter Traßweg, Bahndamm (parallel, bis zum Golfplatz). (ub)