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Geißbockheim in Köln-MarsdorfNeue FC-Heimat würde 120 Millionen kosten

Lesezeit 5 Minuten
Die Fläche in Marsdorf: Der Verein ist nicht mehr abgeneigt, hier neu zu bauen.

Die Fläche in Marsdorf: Der Verein ist nicht mehr abgeneigt, hier neu zu bauen.

Die Gespräche über den Ausbau in Marsdorf stocken, auch weil dem Verein das Geld fehlt. Baut am Ende die Sportstätten GmbH für den Club?

An Ankündigungen hat es nicht gemangelt. Im September hatte Club-Präsident Werner Wolf bei der Jahreshauptversammlung des 1. FC Köln in Aussicht gestellt, in einem halben Jahr werde man eine konkrete Lösung fürs Trainingsgelände haben. Das wäre: jetzt. Oberbürgermeisterin Henriette Reker hat zuletzt im Rundschau-Interview von einer möglichen Einigung um den Jahreswechsel gesprochen. Dem letzten wohlgemerkt. Doch seit längerem haken die Gespräche, was nicht zuletzt an der klammen Finanzsituation des Clubs liegen dürfte.

Worum geht es eigentlich?

Der FC klagt seit langem über die katastrophalen Trainingsbedingungen am Geißbockheim, die eines Profi-Vereins nicht würdig seien. Seit 2014 hat der Verein an dem Ausbau im Grüngürtel geplant. Oberbürgermeisterin Henriette Reker (parteilos) machte 2019 die Kehrtwende und empfahl dem Club den Ausbau andernorts, etwa in Marsdorf. Vor allem im vergangenen Jahr wurde intensiv gesprochen. Im Dezember bestätigte der Club, dass man sich einen Umzug vorstellen könne. „Wir können uns nicht beliebig zerteilen“, sagte FC-Geschäftsführer Philipp Türoff der Rundschau. Die Fläche in Marsdorf, auf der auch ein Großmarkt vorgesehen ist, liegt 3,8 Kilometer vom Geißbockheim entfernt.

Welche Varianten gibt es für den Ausbau?

Nach Informationen der Rundschau werden die Kosten für den Ausbau in Marsdorf mit Trainingsplätzen und Leistungszentrum sowie einem Amateurstadion auf rund 120 Millionen Euro geschätzt. Dieses Geld hat der Verein nicht, das ist kein Geheimnis. Bei der letzten Jahreshauptversammlung wurde ein Minusbetrag von 65,9 Millionen Euro ausgewiesen. Die Geschäftsführung nannte den Club damals einen „finanzwirtschaftlicher Sanierungsfall“. Mit anderen Worten: die nahe liegende Variante, dass die Stadt dem Verein die Fläche in einem Erbpachtvertrag langfristig zur Verfügung stellt und der Club allein baut, scheidet auf absehbare Zeit aus. „Der Club sucht derzeit überall nach Geld“, heißt es im Rathaus. Dabei kommt in der Geschäftsstelle alles auf den Prüfstand, nicht nur die üppigen Spielerverträge.

Variante zwei: Stadt und Verein teilen sich die Finanzierung des Trainingszentrums mit jeweils 60 Millionen Euro. Damit wird es beihilferechtlich schon kompliziert. Denn die Stadt würde nicht den eingetragenen Verein unterstützen, sondern die ausgelagerte Kapitalgesellschaft, die 1. FC Köln GmbH & Co. KGaA. Zwar gibt es andere Beispiele für eine solche Zusammenarbeit, doch die sind nicht übertragbar. In Freiburg etwa haben Stadt und Club das Stadion gemeinsam finanziert. Doch der Bau eines Stadions gilt als Daseinsvorsorge und wird daher beihilferechtlich anders bewertet. Das Hauptproblem: Auch 60 Millionen Euro sind für den FC derzeit kaum zu stemmen.

Variante drei: Die Stadt finanziert das Trainingsgelände komplett und vermietet es langfristig an den Club. Auch das könnte die Stadt nicht selbst, vorstellbar wäre aber ein Konstruktion mit der Sportstätten GmbH (KSS), letztlich eine Stadttochter. Das Stadion gehört ebenfalls der KSS, der Verein mietet es und verhandelt derzeit die Miete neu aus (siehe Infotext). Diese Variante gilt derzeit als nahe liegendste, sie beinhaltet aber erheblichen politischen Sprengstoff. Vor allem die Grünen haben in der Grüngürtel-Debatte immer wieder betont, dass die Stadt nicht dafür da sei, einen Profi-Club zu subventionieren.

Der Verein wiederum sieht sich durch die endlose Debatte um den Grüngürtel, vorsichtig formuliert, schlecht behandelt und fordert eine Art Wiedergutmachung ein. Und OB Henriette Reker? Die möchte das Thema zumindest bis zum nächsten Jahreswechsel endlich vom Tisch haben. Lieber früher.

Was wird aus dem Geißbockheim?

Das ist eine der zahllosen Detailfragen. Rein formal würden mit einer Rückgabe der Pachtfläche auch die Bebauung an Gebäude an die Stadt zurückgehen. Vorstellbar wäre, dass bei einem Deal die Infrastruktur eingepreist wird. Doch die ist in einem schlechten Zustand. „Da kann man besser in Sandhausen trainieren“, wettert ein ranghoher Clubvertreter. Es sei kein Geheimnis, dass Jugendspieler lieber zuhause duschen als in den maroden Anlagen im Grüngürtel. Andererseits kann sich der Club vorstellen, etwa mit dem Frauenteam im Grüngürtel zu bleiben. Nächster Problemfall: das Franz-Kremer-Stadion, das Herzstück der Anlage. Der Verein braucht ein kleines Stadion für die U21 und das Frauen-Team. Um die Anlage jedoch zu ertüchtigen, dürfte ein mittlerer sechsstelliger Betrag fällig sein. Und: Schon ein neues Flutlicht ist im Grüngürtel genehmigungsrechtlich eine enorme Herausforderung. Tut sich der Verein das nochmal an?

Wie geht es nun weiter?

Die nächste große Verhandlungsrunde mit FC-Präsidium, der Oberbürgermeisterin und den Spitzen des Ratsbündnisses ist um Ostern angesetzt. Dann müsse es endlich vorwärts gehen, ist aus dem Clubumfeld zu hören. Offiziell kommentiert man die Gespräche nicht, das ist auf Seiten der Stadt nicht anders. Klar scheint aber auch: Das Thema kann aus Sicht des Clubs nicht erneut vertagt werden. Ein Neubau in Marsdorf würde ohnehin vermutlich drei, eher fünf Jahre in Anspruch nehmen. Die gegenwärtige Situation hat auch Coach Steffen Baumgart wiederholt kritisiert. Geschäftsführer Philipp Türoff sagt auf Anfrage der Rundschau: „Es wird etwas passieren müssen.“


Verhandlung um Stadionpacht

2024 läuft der Pachtvertrag zwischen der Kölner Sportstätten GmbH und dem 1. FC Köln zur Nutzung des Rheinenergie-Stadions aus. Nun haben die Verhandlungen für einen neuen Pachtvertrag begonnen. „Von einer Einigung sind beide Seiten noch sehr weit entfernt“, heißt es im Rathaus. Bei den Gesprächen sitzen die Geschäftsführungen beider Parteien am Tisch.

In der Bundesliga zahlt der FC pro Saison 7,9 Millionen Euro Pacht, zuzüglich 1,5 Millionen Euro Betriebskosten. In der Zweiten Liga liegt die Pacht bei 2,1 Millionen Euro. Als der bestehende Vertrag vor zehn Jahren ausgehandelt wurde, befand sich der Verein in finanzieller Not – vorrangiges Ziel war die Pachtreduzierung für die Zweite Liga, in der der FC damals spielte. Nun rechnen die Beteiligten mit langen Verhandlungen über den Sommer hinaus.

Damals hatten beide Seiten Anwälte eingeschaltet, am Ende waren sogar Vermittler nötig, um eine Lösung zu erzielen. (tho)