Im zweiten Teil des Rundschau-Interviews spricht Trainer Steffen Baumgart über die Herausforderung für den 1. FC Köln, die Abgänge von Jonas Hector und Ellyes Skhiri kompensieren zu müssen.
Interview mit FC-Trainer Steffen Baumgart„Ich kann nicht sagen, ob Talent immer reicht“
Herr Baumgart, wie haben Sie den 1. FC Köln in Ihren ersten beiden Jahren erlebt?
Manche würden sagen: Es ist sehr wild in Köln. Allerdings nur mit dem Blick von außen betrachtet. Intern arbeiten wir ruhig zusammen.
Was hat Sie am meisten geprägt?
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Es ist das erste Mal, dass ich bei einem Verein arbeite, der diese Größe und diese Strahlkraft hat. Der FC hat einen hohen Stellenwert. Das merkst du in dieser Form immer erst dann, wenn du bei so einem Verein selbst auch arbeitest. Vieles kennt man schon vorher, aber vieles lernt man eben auch erst kennen.
Wo haben Sie sich weiterentwickelt?
Viele Arbeitsabläufe haben sich verändert, wenn ich meine Stationen Berliner AK, SC Paderborn und jetzt 1. FC Köln betrachte. Auch im Umgang habe ich dazugelernt. Wir wollen uns ständig weiterentwickeln. Wir gehen einen Weg. Und dieser Weg wird nie aufhören, auch nicht für das Trainerteam. Wenn das der Fall wäre, würde ich mich zurückziehen.
Wie war für Sie die Doppelbelastung durch die Europapokal-Teilnahme?
Sehr intensiv, sehr extrem. Und am Ende gar nicht mehr messbar. Es ging nur noch von einem Spiel zum nächsten. Ich bin fest davon überzeugt, dass wir mit einem Spielplan, der nicht so zusammengepresst gewesen wäre, besser durch die Conference League und die Bundesliga gekommen wären. Trotzdem hat es der Verein sehr gut gemacht. Man muss bedenken, dass wir zwischenzeitlich ein Dutzend verletzte Spieler hatten. Als alle wieder gesund waren, stand plötzlich eine Winter-WM vor der Tür. Das war ein Durcheinander.
Wie viel Kraft haben die Begleiterscheinungen gekostet?
Die Krawalle in Nizza, die Spielunterbrechung in Belgrad, der Nebel in Slovácko: Was auf unserer Europa-Reise alles passiert ist, erlebt man normalerweise nur in 30 Jahren Fußball. Wir hatten es geballt in einer Saison.
Was bleibt von Europa bei Ihnen hängen?
Das Schöne. Dass ich Europa nochmal erleben will. Das soll nur der Anfang gewesen sein. Wir sollten das Ziel haben, bestimmte Dinge öfter zu erleben. Ich möchte auch mal ins Finale des DFB-Pokals. Das sollten wir uns auf die Fahnen schreiben. Weil es erstrebenswert ist.
Sie haben auch erlebt, was Europa bei den FC-Fans ausgelöst hat.
Bitte nicht falsch verstehen: Dabei geht es nicht nur um die Fans. Wir spielen diesen Fußball, weil wir überzeugt davon sind, dass wir in dieser emotionalen Stadt keinen anderen Fußball spielen können. In erster Linie geht es um sportlichen Erfolg mit einem großen Verein. Wenn wir es über Erfolg schaffen, die Fans zu begeistern, so dass sie nicht der Tradition wegen ins Stadion kommen, sondern weil es sich sportlich lohnt, dann haben wir etwas erreicht.
Darf es – auch mit Blick auf die Transfersperre – gerne mal wieder etwas ruhiger werden?
Was wir vergangene Saison alles erlebt haben – das war nicht normal. Diese Vorfälle braucht es so sicher nicht nochmal.
Wie blicken Sie der Zeit nach Hector und Skhiri entgegen?
Uns geht viel Erfahrung verloren. Zwei Spielerpersönlichkeiten, zwei echte Säulen des Teams sind nicht mehr da. Das ist ein Umbruch, keine Frage.
Wie verändert sich dadurch die Struktur in der Kabine?
Die Struktur verändert sich nicht großartig. Jonas Hector ist jetzt zwar nicht mehr da. Aber dafür kann beispielsweise Davie Selke noch mehr Verantwortung übernehmen. Die Jungs werden sich finden und das hinbekommen. Meistens hast du gute Stimmung, wenn du Erfolg hast. Wenn du es richtig gut machst, hast du auch dann gute Stimmung, selbst wenn du nicht jedes Spiel gewinnst. Weil du die Jungs dahin bekommen hast, dass sie sich gegenseitig unterstützen. Das ist uns in diesen zwei Jahren auf jeden Fall gelungen. Und das erleichtert es auch den Neuen, sich zu integrieren.
Wie sind die beiden Defensiv-Zugänge einzuordnen?
Jacob Christensen (Neuzugang vom FC Nordsjaelland; Anm. d. Red.) kommt nicht, um Ellyes Skhiri zu ersetzen. Er ist einer der Jungs, der die Position im defensiven Mittelfeld besetzen kann. Wenn wir Jacob die nötige Zeit geben, kann er eine richtig gute Rolle spielen. Auch Leart Paqarada (Neuzugang vom FC St. Pauli) wird Jonas Hector hinten links nicht ersetzen. Das wird nicht funktionieren. Diese Erwartungshaltung wäre Quatsch. Wir dürfen diese Personalien nicht direkt miteinander vergleichen.
Kommt U21-Nationalspieler Eric Martel nach seiner starken ersten Bundesliga-Saison eine noch wichtigere Rolle im defensiven Mittelfeld zu?
Eric ist sehr ehrgeizig und einer unserer Spieler von zentraler Bedeutung. Allerdings muss auch er sich seinen Platz erst wieder erkämpfen. Dass er das kann, hat er bewiesen.
Planen Sie, Dejan Ljubicic wieder auf die Sechs zurückzuziehen?
Das ist eine Option, definitiv. Wir haben keine starren Muster.
Welche Beispiele gibt es noch?
Florian Kainz (Linksaußen) war auch nicht für die Spielmacherposition vorgesehen – und hat am Ende trotzdem dort gespielt. Nach den letzten zehn Spielen der vergangenen Saison würde es mir schwerfallen, Kainzi nicht mehr auf der Zehn einzusetzen. Nun stoßen aber Mark Uth und Luca Waldschmidt als mögliche Zehner dazu. Prognosen sind daher schwierig. Wir haben Vorstellungen, wer wo spielen kann. Ganz klar festgelegt haben wir uns bislang aber nur bei Marvin Schwäbe als Nummer Eins.
Ist die junge Besetzung der Mittelfeldzentrale eine bewusste Wahl? Oder eine Wahl aus finanziellen Zwängen?
Wir haben diese Spieler nicht aus finanziellen Zwängen geholt. Sondern weil sie genau in unser Profil passen. Sie sind sportlich absolut passend.
Laut FC-Sportchef Christian Keller ist für die weitere Kaderplanung kaum noch Geld übrig. Dabei sind mehrere Großverdiener nicht mehr da. Es gab eine Ablöse für Ondrej Duda. Und es wurden bislang ausschließlich ablösefreie Spieler verpflichtet.
Auch wenn wir finanziell auf einem guten Weg sind: Wir befinden uns weiterhin in einer Phase der Konsolidierung.
Hätte der FC anders eingekauft, wenn mehr Geld vorhanden wäre?
Ich glaube nicht, dass wir dann andere Spieler geholt hätten. Christian Keller ist niemand, der mehr Geld ausgeben würde – selbst wenn er es könnte.
Sind Sie mit der aktuellen Planung zufrieden?
Wir haben es personell bislang gut gemacht – und werden es auch weiterhin gut machen. Wir müssen keine zehn, 15 Millionen Euro auf den Tisch legen. Das Zustandekommen mancher Ablösesummen muss mir ohnehin mal jemand erklären. Manchmal habe ich den Eindruck, dass es da nicht immer nach Leistung geht.
Wir haken deshalb nach, weil ursprünglich angekündigt worden war, auch Spieler verpflichten zu wollen, die bereits bewiesen haben, auf Bundesliga-Niveau ohne Anlaufzeit zu funktionieren.
Wir haben uns für die Sechser-Position mit vier, fünf Spielern beschäftigt. Da war kein alter Hase dabei. Das hat etwas mit dem Profil zu tun. Sieht Eric Martel wirklich jemand an, dass er erst 21 Jahre alt ist? Viel hängt vom Kollektiv, von der Mannschaft und von der Art und Weise ab, wie wir Fußball spielen. Kurzum: Erfahrung ist wichtig, aber sie ist nicht alles. Und sie nimmt mit jedem Training und mit jedem Spiel zu.
Wie heikel ist aus sportlicher Sicht der Balanceakt, Erfahrung immer wieder durch Talent zu ersetzen?
Das kann ich nicht sagen. Dann würde ich ja schon von vornherein eine Entschuldigung suchen. Und das mache ich nicht. Niemand wird genauso spielen wie Ellyes Skhiri, der als Sechser in der vergangenen Saison sieben Tore erzielt hat. Und trotzdem können wir es im defensiven Mittelfeld gut hinbekommen. Weil wir in unserer Mannschaft vielleicht auch andere Spieler haben werden, die dafür sieben, acht Tore vorbereiten.
Welche Hoffnungen beruhen dabei auch auf Neuzugang Luca Waldschmidt?
Wenn Luca mit der Power, die wir nach vorne haben, ins Rollen kommt, wird er mehr als nur ein Tor erzielen. Da bin ich mir sicher.