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FC-Trainer Baumgart im Interview (2)„Uns fehlt nur ein erfahrener Stürmer“

Lesezeit 7 Minuten
1. FC Köln, Training, Gespräch nach dem Training, von links: Jonas Hector, Steffen Baumgart (1. FC Köln).

Die Gesichter des FC: Trainer Steffen Baumgart (r.) und Kapitän Jonas Hector. Foto: Herbert Bucco

FC-Cheftrainer Steffen Baumgart spricht im zweiten Teil des Rundschau-Interviews über einen neuen Stürmer, Kapitän Jonas Hector und das Weihnachtsfest im Hause Baumgart.

Herr Baumgart, wie läuft die Suche nach einem Stürmer?

Aus meiner Sicht gut. Bis zum 1. Januar ist alles vorbereitet und dann werden wir sehen, welche Gespräche wir mit welchem Ergebnis führen.

Was für ein Typ Stürmer wäre Ihnen am liebsten?

Für unser Spiel brauchen wir nicht den so genannten Stoßstürmer, der mit dem Rücken zum Tor agiert. Das war Tony Modeste auch nicht. Wir fahren am besten mit zwei beweglichen Stürmern. Er sollte kopfballstark sein und Erfahrung mitbringen. Jemand, der uns breiter aufstellt, besser macht und nachgewiesen hat, dass er die nötige körperliche Präsenz und Intensität für die Bundesliga mitbringt.

Reichen drei Wochen Vorbereitung für die Integration?

Ein Fußballer sollte es in drei Wochen hinbekommen, integriert zu sein. Wir trainieren täglich und haben im Januar zwei Testspiele über jeweils 60 Minuten. Und klar ist: Hier wird keiner geholt, der die Garantie hat, dass er von Anfang an spielt.

Was gibt der Markt her?

Im Winter ist es immer etwas schwieriger. Wir beschäftigen uns mit allen Varianten, mit einer Ausnahme. Ich leihe keine Spieler für ein halbes Jahr aus, damit wir seinen Marktwert steigern und er im Sommer vom abgebenden Club teuer verkauft werden kann. Ich arbeite nicht gerne für andere, es sei denn man bezahlt uns dafür.

Suchen Sie im Winter noch Spieler für andere Positionen?

Nein, das einzige, was uns wirklich fehlt, ist ein erfahrener Stürmer. Sonst sind wir bestens aufgestellt und haben jede Position doppelt und gut besetzt.

Wird es Abgänge geben?

Aktuell stehen keine zur Debatte. Unser Kader ist mit 20 Feldspielern für einen Bundesligaclub auch gar nicht so groß.

Es wird wieder über einen Wechsel von Ellyes Skhiri spekuliert. Wird er ersetzt, wenn er geht?

Warum? Mit Eric Martel, Denis Huseinbasic, Mathias Olesen und Dejan Ljubicic haben wir genug Spieler für die Sechser-Position. Sollte Ellyes gehen, kriegen wird das hin.

Bislang gab es keine Angebote für Skhiri. Warum?

Alle sehen, dass er ein guter Fußballer ist, aber niemand möchte Geld für ihn ausgeben, sondern ihn im Sommer umsonst holen. Dann wären größere Clubs im Vorteil, weil wir uns in finanziellen Grenzen bewegen müssen. Ich finde, dass Ellyes ein Spieler ist, der viele Mannschaften in Europa nach vorne bringen würde. Er spielt unauffällig und unspektakulär, aber das, was er spielt, spielt er überragend. Aus meiner Sicht ist er einer der besten Sechser der Bundesliga.

Jonas macht sich viele Gedanken über das Geschäft Fußball, nicht über den Fußball selbst.
Steffen Baumgart, FC-Trainer

Im vergangenen Sommer haben Salih Özcan und Anthony Modeste den Club verlassen, nachdem sie mit Ihnen als Trainer eine starke Saison gespielt haben, die keiner für möglich gehalten hätte. Wie haben Sie die Entwicklung der beiden verfolgt?

Salih performt in Dortmund genauso wie hier. Bei Tony war leider abzusehen, dass es für ihn schwerer wird. Hier hatte er pro Spiel fünf bis sechs Chancen, die die Mannschaft mit ihm und für ihn erarbeitet hat. Dabei hat er auch nicht jede verwertet. In Dortmund hat er weniger Chancen und wenn er davon nicht jede reinmacht, kann er nicht glänzen. Tony spielt am erfolgreichsten, wenn er vorne einen zweiten Mann neben sich hat. Dann hat er mehr Platz für sein Spiel.

Im kommenden Sommer laufen beim FC zehn Spielerverträge aus. Wie sehen Sie einem Umbruch entgegen?

Das ist ein normaler Prozess im Fußball und gehört zur Weiterentwicklung eines Clubs. Solche Veränderungen habe ich als Trainer und Spieler schon erlebt. Das macht mich nicht unruhig.

Auch der Vertrag von Kapitän Jonas Hector läuft aus. Es ist denkbar, dass er seine Karriere beendet. Sie wollen, dass er weiterspielt. Können Sie seine Entscheidung beeinflussen?

Auf Jonas kann niemand Einfluss nehmen. Er weiß, was ich von ihm halte, und ich sehe, dass er Spaß auf dem Platz hat.

Was spricht dann gegen einen neuen Vertrag?

Ich habe nicht das Gefühl, dass er schon aufhören will. Er macht sich aber viele Gedanken über das Geschäft Fußball, nicht über den Fußball selbst. Das ist wahrscheinlich der Hauptgrund, warum er überlegt, ob er weitermachen möchte. Warum hat er die WM abgesagt? Jonas hat eine klare Idee vom Leben und sein Mittelpunkt ist nicht der Fußball, sondern seine Familie und sein Umfeld. Da ist er sehr glücklich. Wir hoffen, dass wir als FC ein Teil davon sein können.

Wenn Hector seine Karriere fortsetzt, tut er das in Köln?

Ich kann mir nur schwer vorstellen, dass er woanders spielen würde. Er ist heimatverbunden, nicht nach Barcelona oder Manchester gewechselt und einer der Fußballer, die nicht nur aufs Geld schauen.

Ihr Team steckt nach drei Niederlagen am Ende des Jahres in der Bundesliga im Abstiegskampf. Was stimmt Sie für das neue Jahr zuversichtlich?

Alles. Weil ich sehe, wie die Jungs dranbleiben. Wir haben mehr Zeit für Training und können Fußball wieder arbeiten. Ich bin optimistisch, dass es vielleicht nicht fußballerisch, aber ergebnistechnisch besser wird.

Wie bewerten Sie die aktuelle sportliche Situation?

17 Punkte nach 15 Spielen sind normal für den 1. FC Köln. Wenn wir noch ein Spiel gewinnen, haben wir 20, bei zwei Siegen sogar 23 nach der Hinrunde. Jeder, der den FC schon länger beobachtet, würde sagen, dass das bislang eine gute Saison ist.

Baumgart-Teams holen in der Regel in der Rückrunde mehr Punkte als in der Hinrunde. Woran liegt das?

Weil die letzten zehn Spiele einer Saison entscheiden. Dann sind Power und wirklich Eier gefragt. Ich war schon immer einer, der da war, wenn es knackig und brenzlich wurde. Die meisten sind da, wenn es gut läuft. Ich bin da, um es ins Laufen zu bringen.

Das hat viel damit zu tun, Verantwortung übernehmen zu können und zu wollen.

Ich gehöre zu denen, die lieber mitgestalten als hinterher zu laufen. Nur Befehlsempfänger zu sein, ist nicht so meins. In einem Teamprozess sage ich lieber, wo es langgeht. Ich habe in meiner Karriere viele kennengelernt, die eine höhere Qualität als ich mitgebracht haben. Die haben mich dann aber gebraucht, um ihre Qualität auch auf den Platz zu bringen. Ich war wichtig, weil ich für die Mannschaft da war und positiven Einfluss genommen habe.

Weihnachten steht vor der Tür. Wie verbringt die Familie Baumgart das Fest?

Im Skiurlaub in Österreich. Das war immer das Beste für uns. Wir müssen uns um nichts kümmern, kommen runter und können sehr gut entspannen.

Ist Weihnachten die wichtigste Zeit im Jahr mit der Familie?

Das ganze Jahr ist wichtig für die Familie. Wir wissen immer, dass wir zusammenhalten, zusammengehören und uns aufeinander verlassen können. Wissen Sie, die meisten Menschen denken doch öfter darüber nach, was sie nicht haben, und nicht, was sie haben. Ich habe so viel, ich brauche nicht mehr. Ich bin sehr glücklich und zufrieden.

Auch mit Blick auf die aktuellen Krisen unserer Welt?

Das sind alles von Menschen gemachte Krisen und wieder geht es meistens nur darum, was kann ich noch mehr haben. Ich vergleiche das mit einer Torte mit 16 Stücken. Wenn jeder eines bekommt, wird jeder satt. Wenn einer aber acht nimmt, bleiben nur noch acht für alle anderen.

Leiten Sie daraus auch Ihre Wünsche für das Jahr 2023 ab?

Ich wünsche mir vor allem Frieden und dass wir daran arbeiten. Und ich wünsche mir Gesundheit für alle, weil es in dieser Welt immer wichtiger wird.

Und was wünschen Sie sich im kommenden Jahr für den FC?

Dass wir den Weg, den wir hier seit anderthalb Jahren in eine Richtung gehen, kontinuierlich und konsequent fortsetzen. Und dass es so geerdet weiterläuft. Die Fans stehen trotz der jüngsten Ergebnisse hinter uns und der FC in der Öffentlichkeit trotz einiger negativer Erlebnisse positiv da. Als ich noch von draußen auf den Club geschaut habe, standen meistens Chaos, Querelen und persönliche Eitelkeiten im Vordergrund.