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Nach Transfersperre der FifaWie der 1. FC Köln nun an allen Fronten kämpft

Lesezeit 6 Minuten
Das Logo des Internationalen Fußballverbandes FIFA ist am Sitz der FIFA zu sehen.

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Für die Richter am Fifa-Tribunal ist der „Fall Potocnik“ eine klare Sache. Beim 1. FC Köln glaubt man indessen weiter an ein Happy End und setzt vor allem auf die mündliche Anhörung.

Seitdem die Welt am Geißbockheim nicht mehr dieselbe ist, sieht sich der Weltverband Fifa massiver Kritik des 1. FC Köln ausgesetzt. „Es gibt keine mündliche Anhörung. Es ziehen sich drei Richter am Fifa-Tribunal in ein Kämmerlein zurück und dann wird so ein Urteil gefällt, das drakonischer kaum geht“, schimpfte FC-Geschäftsführer Christian Keller am Tag, nachdem der Fußball-Bundesligist vor genau einer Woche von der einjährigen Transfersperre erschüttert worden war.

Doch wer genau bildete die Fifa-Kammer zur Beilegung von Streitigkeiten, die die Klageerwiderung des 1. FC Köln zurückgewiesen hat und dem slowenischen Erstligisten Olimpija Ljubljana Recht gab im Transferstreit um Sturm-Juwel Jaka Cuber Potocnik (17)?

Beurteilt wurde der Fall von einem international erfahrenen Richtergremium. Den Vorsitz hatte Frans de Weger, der seit mehr als 15 Jahren im Sportrecht tätig ist, unter anderem für den niederländischen Fußballverband KNVB. 2022 wurde der Niederländer zum dritten Mal in die Liste der weltweit führenden Sportanwälte des renommierten globalen Rechtsexpertenverzeichnisses „Who’s Who Legal“ aufgenommen.

Fifa-Richter verfügen über geballte Erfahrung

Die European Club Association (ECA), die Vereinigung der europäischen Fußballclubs, ernannte de Weger 2015 zum zweitjüngsten Schiedsrichter aller Zeiten am Internationalen Sportgerichtshof (CAS), wo er schwerpunktmäßig in Transferfragen eingesetzt wird – und wo der 1. FC Köln nun spätestens bis zum 20. April gegen das Fifa-Urteil in Berufung gehen wird.

2021 wurde de Weger für vier Jahre zum Vorsitzenden der Fifa Dispute Resolution Chamber (DRC) ernannt; dem Ausschluss, der sich mit internationalen arbeits- und transferbezogenen Rechtsstreitigkeiten zwischen Spielern und Vereinen befasst. Komplettiert wurde das Gremium durch de Wegers Landsmann Roy Vermeer sowie den Portugiesen José Luis Andrade. Vermeer arbeitet in der Rechtsabteilung der internationalen Spielergewerkschaft FIFPro, die die angeschlossenen 66 nationalen Gewerkschaften in Rechtsfragen berät. Andrade ist als Generalanwalt bei der ECA tätig.

Das Votum des Trios fiel einstimmig aus: Jaka Cuber Potocnik habe seinen bis 2024 laufenden Nachwuchs-Vertrag bei Olimpija Ljubljana am 30. Januar 2022 nicht rechtswirksam gekündigt. Potocnik hatte dem slowenischen Erstligisten vorgeworfen, sich an vertragliche Vereinbarungen – wie die Teilnahme am Training des Profi-Teams – nicht gehalten zu haben. Stattdessen wurde der Kölner U19-Torjäger nun für vier Monate von der Fifa gesperrt.

FC konnte Vorwurf Ljubljanas nicht widerlegen

Zudem konnte der FC den Vorwurf Ljubljanas, den damals 16-jährigen Potocnik zum Vertragsbruch angestiftet zu haben, nach Ansicht der Fifa-Richter nicht widerlegen. Im Fifa-Recht gilt die „umgekehrte Beweislast“. Vertreten wurden die Kölner von der in der Fußball-Branche bekannten Münchner Rechtsanwaltskanzlei Lentze Stopper.

Das nun herrschende Chaos wäre zu verhindern gewesen, hätte der 1. FC Köln die Ausstiegsklausel in Höhe von 100 000 Euro aktiviert, über die Jaka Cuber Potocnik verfügte. Doch am Geißbockheim setzte man nach einer Chancen-Risiko-Abwägung auf die Wirksamkeit der Kündigung Potocniks, der nur einen Tag später, am 31. Januar 2022, in Köln unterschrieb. Unterzeichnet wurde das Arbeitspapier von Alexander Wehrle (inzwischen VfB Stuttgart) und dem gerade neu im Amt befindlichen Geschäftsführer Philipp Türoff. Der damalige Interims-Sportchef und heutige Vorstandsberater Jörg Jakobs hatte sich aus sportlicher Sicht für den Transfer stark gemacht.

Warum konnte der „Fall Potocnik“ nicht entschärft werden?

Der aktuelle Sport-Geschäftsführer Christian Keller stieg erst im April 2022 ein. Keller muss sich aber die Frage gefallen lassen, warum er den „Fall Potocnik“ bei einem Treffen mit der Vorstandsspitze von Olimpija Ljubljana im August 2022 am Geißbockheim nicht derart entschärfte, dass die Slowenen davon absahen, die Fifa einzuschalten. Offenbar hatte der FC die drohenden Folgen völlig falsch eingeschätzt. „Wir waren massiv überrascht“, räumte Keller nach dem Urteil ein. Wie es dazu kommen konnte, erscheint rätselhaft bei einem Blick in das Fifa-Transfer-Reglement.

Zurück bleiben zwei unzufriedene Vereine. Der auf personelle Verstärkung angewiesene 1. FC Köln kann nach aktuellem Stand keine neuen Spieler für die Saison 2023/24 unter Vertrag nehmen, was im schlimmsten Fall die Existenz des Clubs bedrohen könnte. Olimpija Ljubljana stellt sich wiederum mehr Geld vor als die 51 750 Euro, die Jaka Cuber Potocnik laut Fifa-Urteil unter Mithaftung des FC an seinen Ex-Club zahlen soll – und kündigte deshalb ebenfalls an, vor den CAS zu ziehen. Ursprünglich verlangten die Slowenen 2,5 Millionen Euro Ablöse und 70 000 Euro Schadenersatz. Mit dem von Christian Keller im August 2022 unterbreiteten Angebot, das nach Angaben des FC-Sportchefs die Ausstiegsklausel sowie die Ausbildungsentschädigung umfasste, hätte sich Ljubljana im Nachhinein betrachtet besser gestanden.

Potenzielle FC-Zugänge agieren verhalten

Beim 1. FC Köln glaubt man weiter an ein Happy End und setzt große Hoffnungen in die mündliche Anhörung, die vor dem CAS erfolgen würde. „Wir gehen davon aus, dass wir das Urteil revidiert kriegen. Das ist die große Arbeit, die wir jetzt vor uns haben“, sagte Coach Steffen Baumgart am Dienstag. Im ersten Schritt will der FC die Aussetzung der Strafe erreichen, um im Sommer auf dem Transfermarkt handlungsfähig zu sein. Gleichwohl droht der Club vor allem im Gerangel um ablösefreie Spieler zeitlich ins Hintertreffen zu geraten. „Bei den Spielern, mit denen wir uns unterhalten, können wir davon ausgehen, dass wir nicht die einzigen in dem Topf sind. Die meisten Spieler werden zwei, drei Gespräche führen“, erklärte Baumgart das Dilemma. In diesem Zusammenhang verneinte der FC-Coach kolportierte Verhandlungen mit Rechtsverteidiger Felix Passlack (24/Borussia Dortmund).

Baumgart äußerte Verständnis für die Gegenseite: „Dass die Jungs verhalten agieren, wenn niemand weiß, wo es hingeht, das ist normal. Dass der ein oder andere Spieler vielleicht eine andere Entscheidung trifft, ist auch normal.“ Gleichwohl blickte Baumgart kämpferisch nach vorn: „Wir treiben unsere Planungen weiter voran. Mit den Jungs, die für uns interessant sind, gehen wir in die Gespräche, dass es wieder wird.“ Es ist ein Kampf unter in mehrfacher Hinsicht schwierigen Bedingungen. „Wir können nur mit der Art, wie wir Fußball spielen, und mit dem, was wir erreichen wollen, überzeugen“, schilderte Baumgart. „Mit Geld und Trainingsbedingungen können wir nicht überzeugen.“ Und aktuell auch nicht mit Planungssicherheit.


Erneute Sorgen um Ljubicic

Die Vorbereitung auf das wegweisende Bundesligaspiel am Karsamstag (15.30 Uhr) beim FC Augsburg hat für den 1. FC Köln mit einem Schrecken begonnen. Dejan Ljubicic erlitt bei einem Zusammenprall mit Ersatztorwart Julian Roloff einen Schlag aufs Knie. Der nach einem Innenbandriss erst kürzlich genesene Ljubicic schrie laut auf und musste die Einheit abbrechen. „Wir gehen aber eher davon aus, dass es nichts Gravierendes ist“, sagte Trainer Steffen Baumgart. Erfreuliche Nachrichten gibt es bei Sebastian Andersson: Der lange verletzte Mittelstürmer soll nächste Woche ins Mannschaftstraining zurückkehren und könnte im Endspurt sogar noch zur Option werden. „Es ging flotter als erwartet“, sagte Baumgart. (tca)