AboAbonnieren

Interview

Steffen Baumgart vor FC-Spiel
„Das sind noch immer meine Jungs“

Lesezeit 6 Minuten
Trägt seit Februar die HSV-Raute: Der ehemalige FC-Trainer Steffen Baumgart.

Trägt seit Februar die HSV-Raute: Der ehemalige FC-Trainer Steffen Baumgart.

Der HSV-Trainer Steffen Baumgart steht zum Zweitliga-Auftakt vor einer emotionalen Rückkehr nach Köln. Wir haben mit ihm gesprochen.

Die Augen werden auf Steffen Baumgart gerichtet sein, wenn der ehemalige Trainer des 1. FC Köln am Freitag (20.30 Uhr, Sat.1 und Sky) erstmals seit der Trennung Ende Dezember 2023 nach Müngersdorf zurückkehrt. Vor dem brisanten Auftaktspiel der 2. Fußball-Bundesliga sprach Tobias Carspecken mit dem Coach des Hamburger SV.

Herr Baumgart, was ist Ihnen durch den Kopf gegangen, als bekannt wurde, dass der 1. FC Köln und der Hamburger SV die Zweitliga-Saison eröffnen werden?

Das war für mich keine Überraschung. Wenn ich bei der Deutschen Fußball Liga arbeiten würde, wäre das auch eines meiner favorisierten Auftaktspiele gewesen. Als Fußballfan kann man sich sicherlich kaum etwas Schöneres wünschen. Als unmittelbar Beteiligter hätte ich mir die Paarung auch zu einem späteren Zeitpunkt gut vorstellen können (schmunzelt).

Mit welchen Gefühlen blicken Sie Ihrer Rückkehr entgegen?

Ich freue mich drauf, weil ich aus eigener Erfahrung weiß, welch fantastische Stimmung in Köln herrscht. Freitagabend, Flutlicht, dazu ein Duell zweier Mannschaften, die sicherlich zum Favoritenkreis auf den Aufstieg zählen. Viel mehr geht nicht.

Wird es viele Umarmungen geben?

Davon gehe ich aus. Es war eine sehr intensive und insgesamt auch erfolgreiche Zeit beim FC. Köln ist immer noch sehr präsent in mir und wird es auch für immer bleiben.

Wird Ihre Familie im Stadion sein?

Sie wird da sein. Es wird emotional werden, wir können uns davon nicht freimachen. Meine Familie war immer sehr gerne im Kölner Stadion, sie hat alles mitgemacht und mitgenommen. Es wird ungewohnt sein für uns alle, auch für mich.

Wie blicken Sie auf Ihre zweieinhalb Jahre in Köln zurück?

Für einen FC-Trainer war es eine lange Zeit. Wir haben viel erlebt und viel erreicht. Leider mit einem Abschluss, der im Fußball immer wieder vorkommt. Dennoch überwiegt bei mir die Erinnerung an eine schöne Zeit. Das ist das, was bleibt.

Wie lange haben Sie gebraucht, um die Trennung zu verarbeiten?

Jede meiner bisherigen Stationen war auf ihre Art besonders. Köln war gegenüber meiner sehr guten Zeit in Paderborn aber sicherlich nochmal eine Steigerung. Ich habe das Gefühl, dass ich weiterhin jederzeit gerne gesehen bin in Köln. Ich hoffe, dass das für immer so bleiben wird.

Wie sehr hat Sie der Abstieg mitgenommen?

Ich habe in der Ferne mitgelitten, das kann sich jeder vorstellen. Viele der Jungs kenne ich schließlich noch immer gut – auch wenn ich sie nicht mehr trainiere. Wenn man sieht, wie robust und intensiv die Truppe arbeitet, dann sehe ich da zum Teil auch meine Handschrift wieder.

Haben Sie noch Kontakt nach Köln?

Die Verbundenheit ist weiterhin da. Ich habe noch Beziehungen zu dem einen oder anderen Spieler, auch zu einigen Mitarbeitern und dem Trainerteam, auch wenn das „Callcenter“ nicht mehr existiert. Wir drücken uns gegenseitig die Daumen – nur am Freitag nicht (schmunzelt).

Hat es Sie überrascht, dass der FC-Kader zusammengeblieben ist?

Ich habe nicht mit einem Zerfall gerechnet. Die Jungs sind dem Verein und der gesamten Stadt gegenüber sehr loyal eingestellt. Das sind Charakterzüge, die die Mannschaft immer ausgezeichnet hat. Es freut mich enorm, dass die Jungs den Weg mit dem FC weitergehen und das ausmerzen wollen, was passiert ist.

Wie haben Sie Ihre ersten Monate in Hamburg erlebt, in denen der HSV aus den Aufstiegsrängen gerutscht ist?

Es war sehr schwer, in einer Situation dazuzustoßen, in der es gleich um alles ging. Das war kein normales Einleben, es war von Beginn an sehr intensiv. Leider hat es rein auf die Ergebnisse bezogen nicht so geklappt, wie wir uns das vorgestellt haben. Trotzdem haben wir schon einiges bewirken können, auch wenn nicht alles direkt sichtbar ist. Jetzt wollen wir zusehen, in der neuen Saison auch wirklich anzugreifen und nicht nur davon zu reden.

Wie gut tat Ihnen das Treuebekenntnis des neuen HSV-Sportchefs Stefan Kuntz?

Ich habe das nicht als Treueschwur im eigentlichen Sinne aufgefasst. In meinen Gesprächen mit Stefan ist es nie um eine Trennung gegangen. Wir haben uns sehr intensiv über die Situation ausgetauscht – was normal ist, wenn jemand neu dazustößt. Im Umfeld wurde viel geredet, passiert ist davon nichts. Und noch etwas: Jonas Boldt (Vorgänger von Stefan Kuntz; Anm. d. Red.) hat hier über fünf Jahre einen sehr guten Job gemacht. Es ist etwas aufgebaut worden, auch wenn das große Ziel bislang nicht erreicht wurde. Das kommt mir in der öffentlichen Wahrnehmung zu kurz.

Was stimmt Sie zuversichtlich, dass dem HSV im siebten Anlauf die ersehnte Bundesliga-Rückkehr gelingt?

Es gibt zehn Mannschaften, die oben mitspielen können. Eine davon sind wir, das wollen und sollten wir auch sein. Wir haben einen sehr guten Kader. Ob es dann für ganz oben reichen wird, werden wir sehen. Ich traue uns einiges zu. Es muss aber vieles passen.

FC-Trainer Gerhard Struber hat den HSV zum Topfavoriten auf den Aufstieg erklärt.

Das sehe ich nicht so. Wir sind einer der Favoriten, mehr nicht.

Worauf kommt es in der 2. Liga an?

Das Interessante an der Zweiten Liga ist, dass es dort keine Mannschaft wie Bayern München gibt, die zu 90 Prozent gewinnt. Du gewinnst die Spiele nicht einfach so, sondern kannst überall stolpern. Prognosen sind in dieser Liga sehr schwierig.

Wie ist es zur Verpflichtung von Ex-FC-Stürmer Davie Selke gekommen?

Ich war mir relativ sicher, dass Davie in Köln bleibt. Die ersten Gespräche gingen erst los, als er in Köln abgesagt hatte. Das heißt, ich habe dem FC keinen Spieler weggenommen.

Was versprechen Sie sich von ihm?

Davie hat die Qualität, in der 2. Liga eine Hilfe zu sein. Er muss aber erstmal richtig gesund und fit werden. Mit Robert Glatzel haben wir schon länger einen weiteren Mittelstürmer aus der gleichen Kategorie.

Wie steht es um die Einsatzbereitschaft Ihres Sturmduos?

Beide haben die Vorbereitung nahezu komplett verpasst. Davie (hatte sich im April noch zu Kölner Zeiten einen erneuten Mittelfußbruch zugezogen; Anm. d. Red.) macht jetzt die ersten Schritte mit der Mannschaft und hat die Chance, gegen den FC in den Kader zu kommen, mehr aber auch nicht. Bobby (laboriert an einer Sehnenreizung; d. Red.) ist noch im Aufbautraining und für Freitag nicht eingeplant.

Was für ein Spiel erwarten Sie?

Die aktuelle Spielweise des FC ähnelt einer Spielweise, die es in Köln schon mal gab (schmunzelt). Beide Mannschaften setzen auf Pressingfußball, ich erwarte daher ein offensiv gestaltetes Spiel. Der FC hat in der Vorbereitung nicht nur mit Ergebnissen gegen namhafte Vereine überzeugt, sondern auch mit der Art und Weise, wie er Fußball spielt. Dort musst du erstmal bestehen. Das Stadion ist ausverkauft, das Ding wird knallen. Das wird ein heißer Tanz für uns werden.

Worauf freuen Sie sich mit am meisten?

Einfach auf die Partie und die Atmosphäre an sich, mit allen Beteiligten. Es wird ein spannendes Spiel. Ich würde keinen Tipp abgeben.