Köln – Der 1. FC Köln befindet sich im Wandel. Mit dem anstehenden Abgang von Geschäftsführer Alexander Wehrle endet eine neunjährige Ära. Martin Sauerborn sprach mit FC-Präsident Dr. Werner Wolf über die derzeitigen Umstrukturierungen in der Führungsebene, eine erneute Kandidatur des Vorstandes und den Erfolg unter Trainer Steffen Baumgart.
Herr Wolf, der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine erschüttert die Welt. Was kann ein Fußball-Bundesligist wie der 1. FC Köln mit seiner Strahlkraft in einer solchen Situation tun?
Zwei Dinge: Wir müssen und werden als Club immer klar Stellung beziehen. Wir reden über Krieg. Da gibt es nicht ein bisschen oder irgendwie, sondern nur schwarz und weiß. In der Ukraine geschieht großes Unrecht auf dem Rücken unschuldiger Menschen. Ich bin elf Jahre nach dem Ende des 2. Weltkriegs geboren worden und mit Eltern groß geworden. Sie haben den Krieg miterlebt und deren Aussage war es, dass es nie wieder Krieg geben darf. Meine Mutter und mein Vater haben den Krieg als größte Bedrohung empfunden und das haben sie uns mit auf den Weg gegeben.
Und als zweites?
Wir wollen und können helfen. Hierfür haben wir unsere FC-Stiftung vor Jahren ins Leben gerufen. Für solche Fälle ist sie da.
Wie kann der FC helfen?
Wir rufen zu Spenden auf und haben der Stadt Köln direkt nach Kriegsausbruch unsere Unterstützung signalisiert. Außerdem haben wir Kontakt zum Verein Blau-Gelben Kreuz e.V. Köln aufgenommen und gefragt, was wir tun können. In einer ersten Aktion organisiert die Stiftung Busse, die ukrainische Flüchtlinge aus Warschau nach Köln bringen. Die Stadt will insgesamt 1500 Flüchtlinge aufnehmen. Für die 200, die wir aus Polen hierherbringen, hat der FC vier ukrainische Studentinnen und Studenten als Dolmetscher organisiert. Wir hatten Hinweise bekommen, dass viele Flüchtlinge so verunsichert sind, dass sie sich schwer tun in Busse zu steigen, ohne dass dort jemand ihre Fragen beantworten kann.
Die FC-„Familie“ hat am Rosenmontag an der großen Friedensdemo in Köln teilgenommen. Sie waren selbst vor Ort. Welche Eindrücke haben Sie mitgenommen?
Es war ein tolles Gefühl, ein kleiner Teil eines großen Ganzen zu sein. Die ganze Wucht der Demo mit ihren 250 000 Teilnehmern habe ich erst abends im Fernsehen erfasst. Wir standen von 9.30 bis 14.30 Uhr auf dem Chlodwigplatz und haben gewartet, bis es losgeht. Keiner ist gegangen, alle waren beeindruckend diszipliniert. Es gab viele Gespräche und viele Momente, die zum Ausdruck gebracht haben, dass wir das nicht wollen und dieser Wahnsinn gestoppt werden muss.
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Am Aschermittwoch hat der FC den Zeitplan für den Abschied von Geschäftsführer Alexander Wehrle öffentlich gemacht. Sie waren 2013 an seiner Einstellung beteiligt, stimmt das?
Ich habe damals mein Veto gegen einen anderen Kandidaten eingelegt, um ihn an Bord zu holen. Er war ein relativ unbekannter Assistent der Geschäftsführung beim VfB Stuttgart. Karl-Ludwig Kley und ich waren aber überzeugt, dass er besonderes Format besitzt und uns sehr dabei helfen kann, den FC in einer sehr schwierigen Situation wieder auf einen guten Weg zu führen. Er hat diese Hoffnung in seinen neun Jahren als FC-Geschäftsführer zu mehr als 100 Prozent erfüllt.
Was zeichnet ihn aus?
Vieles, zum Beispiel ist er medial begabt. Wer in Köln für den FC in einer solchen Funktion tätig ist, muss sich auf Menschen einlassen können und bereit sein, auf sie zuzugehen. Das hat er in einer unvergleichlichen Art und Weise getan. Alex ist ein fester und anerkannter Teil der Kölner Stadtgesellschaft und das wird er trotz seines Wechsels bleiben. Er genießt hier ein hohes Ansehen.
Alexander Wehrles Kerngebiet beim FC waren die Finanzen. Wie bewerten Sie seine Arbeit in diesem Bereich?
Er hat inhaltlich weit mehr verantwortet, aber auch bei den Finanzen einen sehr guten Job gemacht, immer wieder neue Sponsoren an Bord gezogen oder bestehende Sponsoren gehalten und dabei gute Verträge abgeschlossen. Und er hat es ins Präsidium der DFL geschafft und dort viel erreicht – auch für den FC.
Kritiker werfen Wehrle vor, er trage ein hohes Maß an Mitverantwortung, was die zu hohe Anzahl an viel zu gut dotierten Spielerverträgen in den vergangenen Jahren anbelangt.
In seiner Zeit als Geschäftsführer sehe ich zwei Etappen. Zunächst eine, in der unter Sportchef Jörg Schmadtke die Verträge ohne ihn abgeschlossen wurden, bis er das Vieraugenprinzip durchgesetzt hat. Aber auch danach hat er die Entscheidungen nie alleine getroffen. Der Vorstand, die Geschäftsführung und der Gemeinsame Ausschuss haben die Entscheidungen ab einer gewissen Größenordnung gemeinsam getragen. Auf Alex mit dem Finger zu zeigen und ihm die Schuld zu geben, ist nicht okay. Und mal ganz davon abgesehen: Auf so einer Position kannst du nicht alles richtig machen. Fehler gehören dazu.
Zum Abschied hat Alexander Wehrle gesagt, dass er einen FC hinterlasse, der wirtschaftlich, strukturell und sportlich stabil aufgestellt ist. Gehen Sie da vor allem beim Thema Finanzen mit?
Klar, gab es schon bessere Zeiten, aber wir sind ja nicht verschuldet in diese Situation geraten. Vielleicht hätte man nach dem Abstieg nicht mit 17 Millionen Euro überinvestieren müssen, um direkt wieder aufzusteigen, aber Corona konnte niemand voraussehen. Zustimmen würde ich, dass er den Club angesichts dieser Krise in einer guten Verfassung übergibt: Wir haben es geschafft, dass es den FC noch gibt. Das ist eine Leistung, an der Alex an entscheidenden Stellen beteiligt war. Sei es bei der Beschaffung des Landesdarlehens, bei der Pachtreduzierung für das Stadion, beim Halten von wesentlichen Sponsoren, beim Generieren von Mezzanine-Kapital oder dem Gehaltsverzicht der Lizenzspieler. Wir haben auch dank Alex das Lizenzierungsverfahren ohne Blessuren überstanden. Mit einem Corona-bedingten Umsatzverlust von 85 Millionen Euro stehen wir natürlich nicht ohne Sorgen da, aber wir sind gut sortiert.
Wie schade finden Sie es dann, dass die Ära Wehrle beim FC nun endet?
Ich persönlich hätte gerne mit ihm weitergearbeitet. Aber er war immer transparent, dass er bei zwei Jobs ins Nachdenken kommen würde und der eine ist der des Vorstandsvorsitzenden beim VfB Stuttgart. Wir hatten die ganze Zeit über ein sehr offenes und klares Verhältnis zueinander. Als 2021 das erste Angebot aus Stuttgart kam, konnten wir ihn mitten in der Krise und ohne einen anderen Geschäftsführer nicht gehen lassen. Beim zweiten Angebot gab es eine veränderte Situation und es war klar, dass er sich diesmal auf den Prozess einlässt. Am Ende ist es dann immer eine sehr persönliche Entscheidung, die man akzeptieren muss.
Hätte der Vorstand nicht mehr um einen Verbleib von Wehrle kämpfen müssen?
Wir haben sehr wertschätzend mit ihm die Situation besprochen. Er hätte eine erweiterte Rolle in unserer Geschäftsführung spielen können. Das war so mit den beiden neuen Geschäftsführern Philipp Türoff und Christian Keller abgesprochen. Wir haben mit unserem Angebot alles auf den Tisch gelegt, was wir auf den Tisch legen konnten.
Haben Sie ihn mit der Umstrukturierung auf drei Geschäftsführer nicht zur Trennung getrieben? Immerhin hatte er ein Kündigungsrecht für den Fall, dass ein dritter Geschäftsführerposten eingeführt wird.
Nein, die Arbeit besser zu verteilen, war schon lange gemeinsam mit Alex Wehrle geplant. Er hatte zuletzt 18 direkt an ihn berichtende Führungskräfte. Das kannst du nicht auf Dauer durchhalten. Es war einfach zu viel Arbeit für eine Person. Ihm war klar, dass es so nicht weiter gehen konnte.
Was sagen Sie den Menschen, dass Alexander Wehrle beim FC eine Lücke hinterlässt, die so schnell nicht zu schließen sein wird?
Ich sage Ihnen, dass das stimmt. Alex hat viele Begabungen, die dem FC geholfen haben. Und er pflegt ein tolles Netzwerk in ganz Deutschland. Wir haben in Philipp Türoff aber auch einen guten neuen kaufmännischen Geschäftsführer gefunden, der sehr mit dem Fußball und dem FC verbunden ist. Mit Christian Keller beginnt am 1. April zudem ein neuer Geschäftsführer Sport. Und die Suche nach einem dritten Geschäftsführer läuft, wir führen gerade die ersten Gespräche. Uns geht es darum, mit den Veränderungen und der neuen Strategie eine Struktur zu schaffen, in der bei einem personellen Wechsel in der Geschäftsführung nicht gleich wieder die ganze Welt neu erfunden werden muss. Wir streben mit dieser Besetzungen Kontinuität an und wollen nachhaltige Werte schaffen.
Was versprechen Sie sich in diesem Zusammenhang von Philipp Türoff?
Zunächst, dass er einer von drei Geschäftsführern sein wird, die gut miteinander und gut mit dem Vorstand arbeiten können. Philipp Türoff kann im kaufmännischen Bereich die komplette Klaviatur spielen. Er verfügt über internationale Erfahrungen in den Bereichen Recht, Personal und IT, ist fußball- und FC-verrückt und liebt das Rheinland. Er hat ein gutes Gefühl für Organisation, packt Themen an und managt diesen Übergang. Und er hat Erfahrung, was es bedeutet, neue Strategien in einem Unternehmen einzuführen. Das wird uns helfen.
Was bringt er an neuen Eigenschaften mit?
Vor allem den Blick von außen auf den Fußball. Er hat andere Länder kennengelernt und andere Produkte als den Fußball gemanagt.
Endet mit der Trennung von Alexander Wehrle auch die erste große Etappe in der Arbeit des neuen Vorstands? Bei Ihrem Amtsantritt im Herbst 2019 hatten Sie ja einiges auf Ihrem Zettel stehen.
Wir haben auch schon vieles davon abgearbeitet. Wir haben uns personenunabhängiger aufgestellt und bewiesen, dass wir Krisenmanagement können. Der Vorstand hat entscheidenden Anteil daran, dass das Überleben des Clubs gesichert ist. Wir treiben gemeinsam mit Geschäftsführung und Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Geißbockheims unsere Strategie voran. Jetzt geht es darum, die Magie der Kontinuität wirken zu lassen. Wir haben viel gesät und können jetzt auch das ein oder andere ernten.
Das bedeutet, dass Sie bei den Vorstandswahlen im Herbst 2022 gemeinsam mit Ihren Vizepräsidenten Dr. Carsten Wettich und Eckhard Sauren wieder antreten wollen?
Ja, wir haben gezeigt, dass wir verbindliche Ansprechpartner sind und etwas bewegen können. Auch wenn wir durch die Pandemie nicht so gut mit den Mitgliedern kommunizieren konnten wie geplant. Da haben wir auf Kritik reagiert und uns weiterentwickelt. Ich bin überzeugt, dass es gut für den FC wäre, wenn wir in dieser Konstellation, mit meinen beiden Vizepräsidenten Eckhard Sauren und Carsten Wettich, weiterarbeiten könnten. Wir sind sehr unterschiedliche Typen, aber wir ergänzen uns gut, die Chemie zwischen uns stimmt. Wir können auf hohem Niveau streiten, immer auf der Sachebene Argumente austauschen und kommen schnell zu Entscheidungen.
Zu Ihren besten Entscheidungen gehört sicherlich die Verpflichtung von Steffen Baumgart als neuen Trainer.
Der Trainer macht einen sensationellen Job und passt perfekt nach Köln und zum FC. Es ist ein Spaß und eine große Freude, ihm bei der Arbeit zuzusehen. Und ja, wir waren als Vorstand maßgeblich daran beteiligt, eine Entwicklung zu stoppen, die Baumgart beim FC verhindert hätte.
Wann wird also der bis 2023 laufende Vertrag mit Baumgart verlängert?
Wenn Christian Keller seinen Job aufgenommen hat, wird er sich des Themas annehmen. Das liegt in seiner Verantwortung als Sportchef, da grätscht der Vorstand nicht rein. Für Steffen ist es auch absolut okay, bis dahin zu warten. Er hat mit Christian Keller darüber geredet und mir noch zuletzt bei einem gemeinsamen Essen gesagt, dass es ihm und seiner Familie in Köln sehr gut geht und er nicht vor hat wegzulaufen.
Wie lange wollen Sie Steffen Baumgart als Trainer des 1. FC Köln binden?
Ich bin ein großer Freund von Kontinuität und würde mich freuen, wenn er lange bleibt. Er und seine Arbeit passen zum FC. Meine persönliche Sichtweise ist es, dass Fußballclubs Verträgen mit Trainern gar keine Laufzeit geben sollten. Sie können unbefristet sein, wenn man darin festlegt, zu welchen Konditionen sich beide Parteien trennen können, wenn es dafür Bedarf gibt. Das würde vieles erleichtern.