Bonn/Ruppichteroth – Keine zwei Meter von ihrem angeklagten Ehemann entfernt saß die 38 Jahre alte Zeugin im großen Gerichtssaal. Dem arbeitslosen Lkw-Fahrer aus Ruppichteroth wird vorgeworfen, seine damals neunjährige Stieftochter mehr als ein Jahr missbraucht und vergewaltigt zu haben. Davon erfuhr die Mutter am Abend des 12. September 2021 von ihrer Tochter. Eine Nachricht, die sie wie ein Schlag getroffen und der alles verändert habe.
„Ich war schon im Halbschlaf“, erinnerte sie sich im Prozess „als mein Kind weinend im Zimmer erschien, zu mir ins Bett kam, sich an mich drückte“ – und erzählte, dass ihr Ehemann sie wieder einmal zum Sex aufgefordert habe. Das Mädchen hatte eine Zigarettenpause des Stiefvaters genutzt, um bei der Mutter Schutz zu suchen.
Mutter steht heute noch unter Schock
Vor dem Bonner Landgericht sagte die 38-Jährige fast zwei Stunden als Zeugin aus, erkennbar in einem Tumult der Gefühle: Hass und Zorn, tiefe Verletztheit und immer noch fassungslos darüber, dass das alles geschehen sein soll, durch ihren Ehemann, mit dem sie noch eine gemeinsame jüngere Tochter hat.
„Ich stehe heute noch unter Schock“, gestand sie. So wie an dem Abend, als sie aufgestanden war, um ihren Mann zur Rede zu stellen: „Was hast du getan?“, habe sie ihn gefragt, aber er habe alles bestritten. „Aber ich wusste, dass er mich anlügt. Ich habe es in seinem Gesicht gesehen, diese Scheinheiligkeit. Mehr brauchte ich nicht zu wissen.“
Angeklagte bestreitet Missbrauchsvorwürfe
Trotz dieser vernichtenden Nachricht schützte die 38-Jährige ihre Tochter, schickte die Neunjährige zunächst auf Klassenfahrt. Eine erste Strafanzeige in Siegburg kam nicht zustande, weil die Polizeibeamtin „mit mir überfordert war und nicht wusste, was sie mit mir machen sollte“. Nach mehreren Wartestunden habe sie die Polizeiwache verlassen, ohne dass ihr geholfen worden sei.
Einige Tage später fuhr sie mit ihren beiden Töchtern zu den Schwiegereltern, denen sie sich anvertraute und von denen die 38-Jährige die nächste Hiobsbotschaft erhielt: Ihr Ehemann hatte seine eigene Schwester missbraucht und vergewaltigt und war dafür auch verurteilt worden. „Nicht schon wieder“, lautete der Kommentar der Familie.
Der Angeklagte bestreitet den Missbrauchsvorwurf, auch, dass er das Mädchen mit Handyentzug oder der Vergiftung ihres kleinen Hundes erpresst habe. Stattdessen beschrieb er das Kind als ungezogenen, bockigen Charakter: „Ein verlogenes Stück“, das alles erfunden habe. Dem widersprach die Gutachterin, die aufwendig die Glaubwürdigkeit des Kindes untersucht hatte.
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Das Mädchen sage die Wahrheit, lautete die Einschätzung. Ihre Aussage sei stringent, erlebnisbasiert, weise keinerlei übertriebene Belastung auf, auch keine Rachegedanken. Im Gegenteil, das Kind fühle sich auch noch schuldig, weil es den Stiefvater ins Gefängnis gebracht habe. Vier Mal hatte die heute Elfjährige bereits ihre demütigende Geschichte erzählen müssen. Zuletzt, weil der Stiefvater bestreitet, als Zeugin im Gerichtssaal.
Ihre Tochter leide seitdem an Albträumen, sagte ihre Mutter, habe sich in ihrem Zimmer verkrochen, wolle nicht mehr vor die Tür, auch nicht zur Schule. Kürzlich sei sie erstmals wieder bei einem Kindergeburtstag gewesen. „Und wie geht es Ihnen?“, wollte ein Prozessbeteiligter von der Zeugin wissen. Die 38-Jährige zögerte: „Ich bin kaputt. Innerlich.“ Dann verließ sie fluchtartig den Gerichtssaal.