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Weit weg ohne FliegenVater und Sohn organisieren Fernreisen – nur mit dem Zug

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Bei Reisen mit dem Zug kann der Weg schon das Ziel sein – mit atemberaubenden Aussichten wie diesen.

  1. Elias Bohun (20) mag weite Reisen, will aber nicht fliegen, um die Umwelt zu schonen.
  2. Seit Anfang des Jahres betreibt er mit seinem Vater Matthias eine Agentur, die auf Fernreisen mit dem Zug spezialisiert ist.
  3. Tatsächlich ist es nämlich sogar innerhalb Europas gar nicht so leicht, sinnvolle Verbindungen zu finden und zu buchen.

Köln – Diese Geschichte beginnt am Wiener Westbahnhof. Sie führt über Vietnam, wo ihr entscheidend Schub verliehen wurde. Und reicht nun in die große, weite, per Schienennetz erreichbare Welt. Also nach Sibirien oder Sizilien genauso wie nach Tokio oder Tromsø im hohen Norden Norwegens. Denn für Elias Bohun gilt: Wo Schienen sind, da verkehren Züge. Herauszufinden, wann sie fahren, wie sie sich buchen (und vielleicht mit Fährverbindungen verbinden) lassen, ist für ihn Berufung – und seit Anfang des Jahres auch Beruf.

Gemeinsam mit seinem Vater Matthias hat der 20 Jahre alte Österreicher die Reiseagentur Traivelling eröffnet und vermittelt seither Fernreisen mit dem Zug. Als Alternative für all jene, die ihren CO2-Fußabdruck nicht durch Flugreisen in Bereiche katapultieren möchten, die nicht nur für die Generation Greta inakzeptable sind – die aber dennoch mehr sehen wollen von der Welt als die Nordseeküste, den Harz und die Mecklenburger Seenplatte.

Ein Flug passt nicht zum Wunsch, umweltbewusst zu leben

So erging es Elias Bohun selbst, als er nach der Matura, dem österreichischen Abitur, mit seiner damaligen Freundin raus wollte in die weite Welt. Der Flug nach Sri Lanka war schon reserviert. „Aber das hat mir Bauchschmerzen bereitet“, erinnert sich Bohun. So ein Flug passte nicht zu seinem Wunsch, umweltbewusst zu leben. Also begann er zu recherchieren, wie weit er mit dem Zug kommen könnte. Drei Monate hat er im Internet gesucht und getüftelt. Schließlich ging die Reise nach Vietnam. Acht Tage dauerte die Zugfahrt von Wien nach Hanoi, ein „urcooles Erlebnis“, sagt Bohun. Viel spannender und authentischer als das anschließende Hostel-Hopping vor Ort – worauf sich das Abenteuer bei einer Anreise per Flugzeug beschränkt hätte.

Elias und Matthias Bohun

Elias (li) und sein Vater Matthias Bohun.

Und viel klimafreundlicher als eine Flugreise freilich, die 5,2 Tonnen CO2 pro Person produziert hätte. Also mehr als das Doppelte der 2,3 Tonnen CO2, die als klimaverträgliches Jahresbudget eines Menschen gelten. Dazu sei gesagt: Der Durchschnittsdeutsche erzeugt durch seinen Lebensstil 12,36 Tonnen CO2 pro Jahr, beim Durchschnittsinder liegt der Wert bei 1,6 Tonnen. Ermitteln lassen sich diese Daten mit den CO2-Rechnern der Umweltstiftung WWF und der Klimaschutzorganisation Atmosfair.

Weite Strecken mit dem Zug zu reisen ist sinnvoll, aber schwierig

„Klimapolitisch ist es total wichtig, dass es die Möglichkeit gibt, auch weite Strecken mit dem Zug reisen zu können“, sagt Elias Bohun. „Aber allein innerhalb Europas ist es oft sehr schwer, sinnvolle Verbindungen zu finden und zu buchen.“ Wer es bei der Deutschen Bahn versucht, erhält jenseits der deutschen Grenze schon keine Preisauskunft mehr. Wer weiter weg will, müsste wie Bohun drei Monate recherchieren – und bucht dann doch lieber den Flug. Geht schneller und kostet weniger.

Bohuns Leidenschaft für die Eisenbahn wurde in jungen Jahren durch den Vater geweckt, der regelmäßig mit dem Sohn am Wiener Westbahnhof „Züge schauen“ ging. Einfach auf dem Bahnsteig stehen und gucken, wie sie ein- und ausfuhren, die Bahnen von nah und fern. Heute landen die meisten Fernreisenden am Wiener Hauptbahnhof. Am Westbahnhof – im Dezember 1858 feierlich eröffnet, als die Kaiserin Elisabeth-Bahn in Betrieb ging – verkehren nur noch die Regionalzüge nach Niederösterreich und die Fernzüge der West-Bahn nach Salzburg. Bohun findet das schade, aber auch er selbst hat sich weiterentwickelt. Er schaut nicht mehr nur gern Züge an, sondern behauptet von sich selbst, so ziemlich alle denkbaren Verbindungen in Europa und Asien auswendig zu kennen. Ein Wissen, das auch anderen nutzen kann, zu diesem Schluss ist Bohun während seiner Vietnam-Reise gekommen. Die Idee der Reiseagentur für Zugfahrten nahm Formen an.

Vater und Sohn führen das Reisebüro Traivelling gemeinsam

Und nun ist der junge Mann das operative Zentrum von Traivelling. Sein Vater, eigentlich von Beruf Lehrer, hat ein Sabbat-Jahr genutzt, um die in Österreich für die Eröffnung eines Reisebüros nötige Prüfung abzulegen. Der Senior ist für die Buchhaltung, Steuern und Geschäftsbedingungen zuständig, das ganze trockene Zeug. Der Junior kennt die Routen und Züge und pflegt weltweite Kontakte zu Agenturen und Vermittlern. So können Tickets gebucht und hinterlegt und so die nötigen Visa beantragt werden, auf die der Otto-Normal-Zugreisende aus der Ferne nur sehr schwer Zugriff hat. Nach Hanoi in Vietnam kostet die Reise mit dem Zug bei Traivelling gebucht rund 750 Euro – one way. Fliegen ist billiger. „Zu billig, das ist ja keine Frage“, sagt Elias Bohun.

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Das Interesse an seinem Angebot ist dennoch groß. Rund 4000 Anfragen hätten die Agentur in den ersten zwei Monaten ihres Bestehens erreicht, erzählt Bohun. 1000 müssten noch beantwortet werden. Aber die potenziellen Kunden hätten Verständnis für die Verzögerungen. Na klar, sie interessieren sich ja für entschleunigtes Reisen. Tatsächlich gebucht worden seien etwa 100 Reisen, sagt Bohun. Traivelling trifft den Nerv der Zeit. Nachhaltiges Reisen, nicht spottbillig, aber eben auch nicht zu Luxuspreisen. Die Welt erkunden, viel erleben – aber ohne schlechtes Klima-Gewissen.

Bohun weiß, welche Strecken mit dem Zug Abwechslung bieten

Für Elias Bohun hat sich auf seinen Reisen im Zug auch gleich so manches Klischee in Wohlgefallen aufgelöst. Etwa jenes, das besagt, Russen tränken ständig Wodka (er habe viele Stunden Bier mit ihnen getrunken). Oder jenes über ein unterentwickeltes Zentralasien (die Züge in Kasachstan seien hochmodern). Oder jenes, das 35 Grad unter Null als nicht aushaltbar deklariert (sei sehr wohl zu ertragen, habe er in Sibirien festgestellt). Bohun kann auch glaubhaft erklären, warum ein teurer Trip mit der Transsibirischen Eisenbahn nicht unbedingt die beste Wahl ist für jemanden, dem es darum geht, den Weg zum Ziel zu machen. „Da sieht man acht Tage Tannenwälder“, sagt er. Wer stattdessen eine Route über Kasachstan bucht, komme dabei durch Steppe, Tundra, Wüste und die Tropen.

Manche Orte allerdings sind auch mit der Hilfe der Bohuns nicht per Zug zu erreichen. Aktuell zählt zum Beispiel Indien dazu. „Wir machen nur, was sicher ist“, sagt Elias Bohun. Die Schienen-Wege nach Indien seien das nicht, da sie durch Konfliktgebiete im Süden Pakistans oder Myanmar führten oder durch Tibet, wo teure Spezialbewilligungen fällig würden.

Bohun hat viele Bahnstrecken im Kopf und viel zu tun mit seiner Agentur. Zeit zum Träumen bleibt trotzdem, von der eigenen nächsten Zugreise. Die soll über Russland, Kasachstan, Usbekistan und Turkmenistan nach Tadschikistan führen. Eine Fahrt mit den weltweit meisten Grenzüberquerungen, weil die Schienen gelegt worden sind, bevor die Grenzen gezogen waren. Bohun freut sich drauf. Auf ein klimafreundliches Erlebnis. Ein erschwingliches Abenteuer. Travelling für Fortgeschrittene.