Der Bundesverband für den Schutz Kritischer Infrastruktur (BSKI) fordert bessere Sicherheitsvorkehrungen. Die Bahn verwies auf bereits verstärkte Bemühungen zum Schutz der Infrastruktur gegen Eingriffe.
„Da kommt quasi jeder rein“Kritik an Sicherheitsvorkehrungen der DB – Hintergründe für Sabotage noch unklar
Nach erneuten Manipulationen an Bahn-Stellwerken hat die Staatsanwaltschaft Essen keine Hinweise auf einen terroristischen Hintergrund. Der Bundesverband für den Schutz Kritischer Infrastruktur (BSKI) forderte am Dienstag bessere Sicherheitsvorkehrungen. Es dürfe nicht länger hingenommen werden, dass in teilweise sehr alte Stellwerkhäuser einfach eingedrungen werden könne, sagte der Vorstandsvorsitzende des Vereins, Holger Berens.
Die Bahn verwies auf bereits verstärkte Bemühungen zum Schutz der Infrastruktur gegen Eingriffe. So setze die DB in Abstimmung mit der Bundespolizei bereits seit dem vergangenen Jahr zusätzliche Sicherheitskräfte ein, sagte eine Bahnsprecherin auf Anfrage. „Ganz konkret heißt das, dass zusätzlich zu den 4300 Sicherheitskräften der DB, die Hand in Hand mit 5500 Beamten der Bundespolizei arbeiten, weitere mobile Präsenz- und Präventionsstreifen von DB Sicherheit bundesweit eingesetzt werden“, so die DB-Regio-Sprecherin.
Viele Daten offen im Internet zu finden
Eine Sprecherin der Bundespolizei in Köln bestätigte, dass die Kollegen derzeit vor allem Stellwerke schützen. BSI-Vorstandsvorsitzender Berens sieht weitere Probleme: Viele Daten über die kritische Infrastruktur seien offen im Internet zu finden. Das betreffe neben der Bahn auch die Wasser- und Energieversorgung. Zudem seien Mitarbeiter, die dort in verantwortlichen Positionen tätig seien, über soziale Netzwerke ausfindig zu machen. Häufig seien sie nicht genügend sensibilisiert, wie sie sich zu verhalten haben, wenn sie zu technischen Fragen angesprochen würden und könnten so ein Einfallstor wie Kriminelle werden, warnte der Sicherheitsexperte.
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Da Tausende Kilometer Schienen ebenso wenig wie Wasserleitungen und Energienetze umfassend zu überwachen und zu sichern seien, sei für alle Unternehmen die Wachsamkeit ihrer Mitarbeiter neben technischen Vorkehrungen unerlässlich. Am Montag war bekanntgeworden, dass bei der Deutschen Bahn erneut Anlagen von Unbekannten manipuliert worden sind. Die mutmaßlichen Täter sollen nach ersten Erkenntnissen von Polizei und Staatsanwaltschaft am Sonntag in einem Stellwerk der Bahn in Leverkusen mehrere Notausschalter betätigt und Teile des Schienennetzes stromlos gestellt haben.
Ermittelt wird wegen gefährlichen Eingriffs in den Bahnverkehr
Infolgedessen wurden Züge vereinzelt automatisch gestoppt. Die Ermittler prüfen, ob es einen Zusammenhang mit weiteren Vorfällen am Sonntag an Stellwerken in Essen-Kray, Essen-Stadtwald und Schwelm gibt. Ermittelt wird wegen gefährlichen Eingriffs in den Bahnverkehr. Die Staatsanwaltschaft Essen, die in den Fällen die Ermittlungen führt, hat keine Hinweise auf einen terroristischen Hintergrund, wie eine Sprecherin auf Anfrage der Rundschau sagte. Die weiteren Ermittlungen liefen deshalb ohne Beteiligung des Staatsschutzes.
Es sei noch ungeklärt, ob es ein oder mehrere Täter waren. „Die Ermittlungen stehen noch ganz am Anfang“, sagte Staatsanwältin Marion Weise. Experte rechnet mit weiteren Angriffen in der Zukunft Der Experte vom Bundesverband für den Schutz Kritischer Infrastruktur moniert: Das Wissen um die Technik – und um die Sabotagemöglichkeiten – kann sich jeder im Internet anlesen. Und in die Stellwerke reinzukommen, ist oft auch nicht sonderlich schwierig. „Da gibt es marode Stellwerke mitten in der Pampa, da kommt quasi jeder rein“, sagt Berens.
Für die Deutsche Bahn gelte es nun, „die wesentlichen Stellwerke zu identifizieren“ und besser zu schützen. „Wie beim Einbruchschutz zu Hause. Man muss den Tätern ihre Zeit stehlen. Hundertprozentige Sicherheit gibt es nicht.“ Das kostet die Bahn Geld. Könnte ihr auf lange Sicht aber auch eine Menge Sorgen ersparen. „Denn wir können in der Zukunft sicherlich mit weiteren Angriffen rechnen“, so Berens.
Bleibt die Frage nach der Tätergruppe. „Wir sind uns da sehr unsicher. Dass Russland als Vergeltung für die deutsche Unterstützung der Ukraine dahintersteckt, glauben wir aber nicht. Die setzen eher auf Cyber-Attacken.“ Holger Berens tendiert in eine andere Richtung. „Es könnte eine Aktivistengruppe sein, die vielleicht gegen umweltschädliches Verhalten der DB kämpfen will. Allerdings fehlt dafür ein Bekennerschreiben.“ Immerhin, schlussfolgert er, funktionieren die Sicherheitssysteme. „Als die Stellwerke ausgefallen sind, haben die Züge angehalten. So soll es sein.“
Je neuer das Stellwerk, desto sicherer
Gefahr für Leib und Leben der Fahrgäste sieht auch Lothar Ebbers von Fahrgastverband Pro Bahn nicht. Dafür aber eine Menge Ärger für Bahnfahrer. Obendrauf auf den Verdruss, den sie wegen Personalmangel, Baustellen und Verspätungen sowieso schon haben. „Am Tag vor der Sabotage ist zum Beispiel das Stellwerk Ratingen ausgefallen, wegen Personalmangel. Da mussten auch Züge umgeleitet werden.“ Anders als Holger Berens geht Ebbers nicht von einem organisierten Angriff aus.
„Die Wahl der Stellwerke machen keinen Sinn. Klar, Leverkusen und Schwelm sind Hauptstrecken. Aber das Stellwerk in Essen-Stadtwald betrifft „nur“ eine S-Bahnlinie.“ Außerdem sei die Technik in den betroffenen Einrichtungen sehr unterschiedlich. Stichwort Technik. Ist die modern, haben es auch Saboteure schwerer, zumindest in der echten Welt. „Wenn die digitale Schiene da wäre, gäbe es keine Kabel mehr, die man durchschneiden könnte. Aber wir haben ja noch nicht einmal flächendeckend GSM-R (der aktuelle Zugfunk, der sabotiert wurde, Anmerkung der Redaktion.).“
So gilt im Moment noch die Faustregel: Je neuer das Stellwerk, desto sicherer. Die Bahn war im vergangenen halben Jahr mehrmals Ziel von Saboteuren geworden. So hatten Unbekannte am 8. Oktober in Herne und in Berlin Glasfaserkabel des internen Bahn-Mobilfunknetzes gekappt, über das unter anderem Lokführer und Leitstellen miteinander kommunizieren. Der Bahnverkehr in Norddeutschland kam daraufhin für mehrere Stunden vollständig zum Erliegen. (mit dpa)