Schlebuscher Händler im Lockdown„Wir dachten, das Schlimmste sei überstanden“
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Leverkusen – Am 18. Dezember sollte die Eröffnung sein. Am 16. Dezember kam der Lockdown. Nun steht Jacqueline Theisen im frisch renovierten und eingerichteten „Theisens’s Kreativlädchen im Dorf“ am Schlebuscher Arkadenplatz und wartet darauf, ob jemand auf das Schild am Eingang reagiert. „Neueröffnung unmittelbar nach dem Corona-Lockdown“ steht dort. Und die Möglichkeit, Bastelbedarf telefonisch oder per Mail zu bestellen und vor Ort abzuholen. „Das wird noch kaum genutzt“, sagt die Inhaberin, deren Opa Georg Theisen in den 1990er Jahren bereits die Schlebuscher mit Zeitungen und Lotto-Scheinen versorgte, ebenso wie Mutter Stephanie, die nun ihre Tochter im neuen Laden unterstützt.
Individuelle Geschenke
Beide Frauen verstehen, dass das neue Angebot noch nicht nachgefragt wird, es müsse sich schließlich erst rumsprechen. „Die Leute wollen auch sehen, was wir haben. Wenn sie blaue Farbe brauchen, wollen sie sehen, welche Schattierungen es alles gibt“, sagt Mutter Stephanie. Neben dem Künstlerbedarf bieten die Theisens individuelle Geschenke an – etwa mit Fotos oder Namen auf Artikeln von Kaffeetassen bis zur Hundeleine. Aber auch das muss ja erst einmal bekannt werden. Deswegen überlegen die beiden, trotz des Lockdowns eine Eröffnungsfeier ihres geschlossenen Ladens zu machen – mit entsprechender Dekoration, um besser gesehen zu werden.
Die Planungen für den Laden sind Anfang September gestartet, da wurden Miet- und Lieferantenverträge abgeschlossen. Jacqueline Theisen dachte, dass in der Coronakrise das Schlimmste überstanden sei. Und war damit nicht alleine. „Ich habe Minister Spahn noch im Ohr, wie er sagt: Mit dem Wissen von heute würden wir Geschäfte nicht mehr schließen“, sagt auch Andreas Caspari, der sein Modegeschäft Peppy’s am anderen Ende des Arkadenplatzes hat. „Dass es jetzt wieder so weit gekommen ist, ist eine Bankrott-Erklärung der Regierung.“ Er hat seinen Laden mit „Click-und-Collect“ eingerichtet. Ein QR-Code im Schaufenster leitete die Kunden direkt auf die Internetseite, wo sie Waren bestellen und vor Ort abholen können – wenn sie sowieso im Dorf sind. Auf Wunsch liefert Caspari auch.
Ein bisschen was habe er schon zu tun, aber dass er die ganze Winterware los wird, glaubt er nicht. „Und dann muss ich sie irgendwann unter der Einkaufspreis verscherbeln, einen warmen Pulli will im April niemand mehr.“ Auf die Hilfsversprechen der Regierung will Caspari nicht mehr setzen, die Soforthilfe, die er im ersten Lockdown bekommen hat, musste er komplett zurück zahlen: „Weil der Bemessungszeitraum von März bis Ende Mai ging.“
Falsche Anreize durch die Regierung
Nach der Wiedereröffnung im Mai habe er ganz gut verkauft, die Mindereinnahmen durch die Schließung im März und April fielen daher durch das Raster für die Soforthilfe.
Sein Steuerberater hat ihm ausgerechnet, dass es für ihn lukrativer gewesen wäre, wenn er nicht versucht hätte, den Laden mit dem Onlineverkauf irgendwie am Laufen zu halten. Das wäre für Caspari, der 75 Prozent Stammkunden hat, keine Option gewesen. „Aber hier werden von der Regierung einfach die falschen Anreize gesetzt“, ärgert er sich. Und das Gleiche laufe nun mit den Überbrückungshilfen wieder.
Osterhasen im Schaufenster
Wie „Peppy’s“ haben viele Schlebuscher Geschäfte ihre Strategien weiterentwickelt, wie sie im Lockdown überleben können. Auch das Einrichtungsgeschäft „Home fashion“ von Thomas Mack setzt auf Schaufenster-Shopping. Hier tummeln sich schon Osterhasen im Schaufenster, alles kann telefonisch bestellt und abgeholt werden kann. „Genuss im Dorf“ feiert am Sonntag einen Premiere: Das erste Online-Rum-Tasting. Hierfür kann vorab ein Testpaket erworben werden. Probiert wird der Rum dann mit den entsprechenden Erklärungen gemeinsam alleine vor dem Computer – zusammengeschaltet über Facebook.
Eine starke Nachfrage verzeichnet in Zeiten von Distanzunterricht die Schülerhilfe in Schlebusch – auch sie hat derzeit komplett auf Online-Unterricht umgestellt. Da absehbar ist, dass viele Schülerinnen und Schüler auch nach Ende des Lockdowns noch verstärkten Nachholbedarf haben werden, hat Inhaberin Jenny Buchmann im historischen Komplex des Herkenrath Hofs ein weiteres Ladenlokal hinzugemietet. Ein zusätzlicher Schulraum im ersten Stock soll genutzt werden, sobald Präsenzunterricht wieder erlaubt ist.
Mutmachkarten am Herkenrath Hof
Das Restaurant Herkenrath Hof setzt derweil weiter auf Außer-Haus-Service. Die Abholkarten liegen schon am Torbogen zur Mitnahme bereit. Der neue Winterbiergarten im Innenhof, der die Zeit für die Außengastronomie verlängern sollte, ist verwaist. An einer Kette hängen dutzende „Mutmachkarten“ – Grußbotschaften von Kunden an die Belegschaft. „Ihr seid die Besten“, „Abholen und Zuhause essen schmeckt genau so gut.“ „Ihr seid stark, ihr übersteht das locker!“
Das hoffen alle in Schlebusch. Dass ihr Dorf nach dem Lockdown wieder erwacht und nicht ausgestorben ist.