„Jüdisches Leben in Troisdorf“ fasst auf 34 Seiten die Geschichten von Troisdorfer Familien zusammen, die von den Nazis ermordet wurden.
Neue BroschüreHistoriker erinnert an jüdisches Leben in Troisdorf
Der pensionierte Lehrer und Heimathistoriker Norbert Flörken hat sich als Kenner des jüdischen Lebens und dessen Vernichtung in der Zeit des Nationalsozialismus einen Namen gemacht. Nach wie vor forscht er zu diesem Thema, er pflegt zudem Kontakte zu Nachkommen von Menschen, die aus Troisdorf vertrieben oder auch ermordet wurden.
Der Troisdorfer Norbert Flörken forscht und mahnt seit Jahrzehnten
Das Buch „Troisdorf unter dem Hakenkreuz“ hat Flörken schon 1986 veröffentlicht; 2009 erschien eine viele Hundert Seiten umfassende Auswertung von Quellen zur Geschichte Troisdorfs im „Dritten Reich“. Nun liegen erneut Ergebnisse von Flörkens Forschungen in gedruckter Form vor: „Jüdisches Leben in Troisdorf“ ist eine Broschüre überschrieben, die ab sofort über die städtische Internetseite heruntergeladen werden kann.
Auf 34 Seiten ist zusammengefasst, was Norbert Flörken im November des vergangenen Jahres bei der Veranstaltung zum Gedenken an die Pogromnacht 1938 vorgetragen hat. In Texten und Bildern erzählt er die Geschichten zum Beispiel der Familie Cahn, die bis ins Jahr 1806 zurückverfolgt werden kann.
Insgesamt lebten im Jahr 1846, so geht aus Akten hervor, 46 jüdische Familien in Altenrath, Troisdorf, Sieglar, Spich und Bergheim. Kurz vor dem Ersten Weltkrieg eröffnete die Familie Brünell ein Bekleidungsgeschäft „für den gehobenen Bedarf“. Die Brünells verkauften ihr Haus im Frühjahr 1938 unter Preis und zogen nach Köln, wie Autor Flörken berichtet. Sie wurden 1941 in das Ghetto „Litzmannstadt“ ( Łódź) deportiert und kamen dort oder im nahe gelegenen Chełmno ums Leben. Ihr Sohn Erwin starb im Ghetto von Minsk.
In der Bergstraße 17 wohnte das Ehepaar Sommer, das, wie viele Juden aus der Region, 1942 in Maly Trostenets bei Minsk ermordet wurde. Der Sohn Erich war, wie Flörken schreibt, nach China entkommen und überlebte. An der Kölner Straße 55 schließlich eröffnete der nicht-jüdische Fotograf Erwin Bernauer mit seiner jüdischen Ehefrau Nanny 1911 ein Photoatelier.
Von Bernauer stammt das einzig erhaltene Foto vom Innenraum der zerstörten Siegburger Synagoge, das er etwa 1936 machte. Das Ehepaar Bernauer sowie ihre Tochter überlebten 1944/45 im Versteck in Wahlscheid; an ihr Geschäft erinnerte noch viele Jahre eine Fassadenwerbung.
Terror und Schikanen bekamen auch in Troisdorf die Juden schnell zu spüren, wie Flörken berichtet. Am 9., 10. und 11. März 1933 blockierten die Nazis jüdische Geschäfte an der Kölner Straße. Dennoch flüchteten die Troisdorfer Jüdinnen und Juden nur in geringer Zahl. „Es waren vor allem junge Menschen, die Nazi-Deutschland den Rücken kehrten“, hat Flörken belegt.
Diejenigen, die blieben, mussten ab 1941 den „Judenstern“ tragen, die für neue Ausweise benötigten Passfotos fertigte der schon erwähnte Fotograf Bernauer an, insgesamt gibt es 138 Glasnegative von Jüdinnen und Juden aus dem Rhein-Sieg-Kreis. Darunter sind die Fotos von Alfred Cahn und Alfred Pins, die 1942 beziehungsweise 1944 ermordet wurden. Erhalten sind auch einige oft erschütternde letzten Zeugnisse, die aus dem Osten in Troisdorf eintrafen, bevor die Menschen zu Tausenden ermordet wurden.
Der Erinnerung und dem Gedenken hat Autor Flörken das abschließende Kapitel der Broschüre gewidmet. Erst seit 1985 existiert in Troisdorf ein Mahnmal, das unter Teilnahme jüdischer Überlebender eingeweiht wurde. Der Jahnplatz ist seither Ort des Gedenkens – so auch im November 2023.
Im Anschluss an die Gedenkfeier dort hielt Norbert Flörken in der nahen Remise der Burg Wissem einen Vortrag, den die Stadt als Herausgeber nun in Schriftform zugänglich macht. Bei der aktuellen Gedenkfeier am Samstag, 9. November, um 15 Uhr in der evangelischen Johanneskirche an der Viktoriastraße wird Norbert Flörken die Broschüre vorstellen; sie kann dort mitgenommen werden. Auf der Internetseite der Stadt Troisdorf steht sie auch ab sofort zum Download bereit.