Troisdorf – Nicht wenige, die von weit her ins Rhein-Sieg-Land zogen, wurden hier heimisch. Bei Michael Boddenberg war es umgekehrt: Er zog vor 37 Jahren nach Frankfurt und ist heute Finanzminister von Hessen. Groß geworden ist er jedoch im Rhein-Sieg-Kreis, in Troisdorf-Altenrath. Der Redaktion hat er erzählt, warum er sich im Rhein-Main-Gebiet wohlfühlt und wie viel kölsches Bloot noch durch seine Adern fließt.
Im Juli 1959 in Troisdorf geboren, verbrachte Boddenberg seine Kindheit in dem kleinen Heidedorf, das bis kurz nach seinem zehnten Geburtstag noch eine eigenständige Gemeinde war. Die ersten sechs Jahre lebte er in einem Haus neben der Kirche St. Georg, wo neben vier Familien auch die Metzgerei seiner Großeltern untergebracht war. „Die sehr einfache Toilette lag auf der anderen Seite des Hofs“, erzählt er. Später zog er weiter die Flughafenstraße hinunter, in das vorletzte Haus vor dem Sportplatz des TuS Altenrath.
Musik statt Fußball
Dort verbrachte der Junge seine Zeit. Jahrelang gehörte er dem Verein an und baute die Jugendabteilung mit auf, trotz einer unvergessenen 0:15-Niederlage gegen den 1. FC Spich im ersten Spiel. Seine Fußballerkarriere beendete Boddenberg später jedoch, um sich der Musik zu widmen: Mit dem Lohmarer Jupp Mester spielte er in der Hillbilly Rockcompany, die auch im Altenrather Jägerhof und auf der Karnevalssitzung der Sandhasen auftrat.
Auch in der Wahner Heide trieb sich Boddenberg herum, fuhr mit dem Mofa über Motocross-Pfade. Das Maibaumstellen gehörte dazu: „Einmal haben wir in der Nacht zum 1. Mai eine Birke am Haus der Haushälterin unseres katholischen Pfarrers aufgestellt, das war zu der Zeit schon etwas skandalträchtig“, erinnert sich der 61-Jährige.
Boddenberg gehört zum letzten Jahrgang, der noch die Altenrather Grundschule besuchte, bevor diese aufgelöst wurde. Sein Abitur machte er 1978 in Siegburg und leistete seinen Wehrdienst, bevor er eine Ausbildung zum Metzger begann. Die Meisterprüfung im Fleischerhandwerk legte er 1983 an der privaten Fachschule Heyne ab, wo er auch seine Frau kennenlernte. Seitdem lebt Boddenberg in Frankfurt am Main, sein Wahlkreis umfasst den Süden der Stadt. Dort liegt auch der Flughafen, dessen Ausbau Boddenberg stets vorangetrieben hat. Den Lärm ist er als Altenrather gewohnt, seine Familie lebt in der Einflugschneise. „Ich hatte schon als Kind eine besondere Einstellung zu Flughäfen, da ich Fernweh hatte. Ich habe oft auf der Brücke über die A3 gestanden und mich gefragt, wo die Autos wohl hinfahren.“
Ehrenamt im Stadtrat
Keine Kindheit, die für eine große Politikkarriere spricht, zumal Boddenberg nicht nur die Fachschule übernahm, auf der er das Handwerk erlernt hatte, sondern auch zwei kleine Unternehmen führte. Durch die Zugehörigkeit in Verbänden traf er die spätere Oberbürgermeisterin Frankfurts, Petra Roth. Die ermunterte ihn, ehrenamtlich im Stadtrat mitzuwirken. Erstmals kandidierte er 1999 für den hessischen Landtag und wurde nach der Spendenaffäre der CDU Generalsekretär des Landesverbands. Von 2009 bis 2014 vertrat er das Land Hessen im Bundesrat. Seine Ernennung zum Finanzminister Ende März hatte einen traurigen Anlass: Sein Vorgänger Thomas Schäfer hatte sich am 28. März das Leben genommen. „Das war natürlich für alle ein Schock, auch für mich persönlich“, sagt Boddenberg. „Wir hatten ein offenes und freundschaftliches Verhältnis hatten. Er fehlt.“
Schon in den Tagen danach beriet die Landesregierung über den Nachfolger: „Nicht nur der Corona-Krise wegen kann man ein Amt wie das Finanzministerium nicht allzu lange unbesetzt lassen. Daher kam Ministerpräsident Volker Bouffier schon am Wochenende danach auf mich zu.“
Immer noch FC-Fan
Seine alte Heimat besucht Boddenberg noch ein paarmal im Jahr. Sein Vater liegt auf dem Friedhof neben St. Georg begraben, seine Mutter und sein älterer Bruder leben in Lohmar. Hin und wieder trifft er die alten Bandkollegen.
Auch wenn er inzwischen Mitglied bei Eintracht Frankfurt ist, schlägt Boddenbergs Herz weiterhin für den 1. FC Köln. „Man glaubt gar nicht, wie viele Leute außerhalb Kölns Fans des FC sind. Wenn die gewinnen, kriege ich massenweise Nachrichten aus meinem Umfeld.“
Auch Karnevalsleidenschaft noch nicht verflogen
Durch seinen Vater, der 1987 Teil des ersten Troisdorfer Dreigestirns überhaupt war, hat sich Boddenberg die Leidenschaft zum Karneval bewahrt. „Meine Frau, die aus Frankfurt kommt, will möglichst oft den Kölner Karneval erleben. So manchen Brauch neiden wir Hessen den Rheinländern schon“, sagt er.
Mittlerweile schlägt der hessische Dialekt bei ihm durch, so spricht Boddenberg das I in Troisdorf mit. „Ich lebe sehr gern in Frankfurt, aus vielen Gründen: Ich mache jetzt seit 20 Jahren Politik und bin viel herumgekommen, kenne jedes Dorf. Hessen hat den Odenwald und den Rheingau, das sind tolle Gegenden.“ Das Bundesland gehöre im Vergleich zur Gesamtfläche zu den waldreichsten in Deutschland.
Boddenberg schätzt auch die Internationalität im Rhein-Main-Gebiet. „Gleichzeitig mag ich das Urige in Alt-Sachsenhausen, einem Stadtteil direkt am Main. Das Schlimmste, was Sie dort machen können, ist, in einer Äppelwoi-Kneipe ein Kölsch zu bestellen“, scherzt er.
Und irgendwie ist es auch der Flughafen, der es Boddenberg angetan hat. Auch heute noch verliert er sich im Fernweh, wenn er nach oben blickt und sich fragt, in welches Land die großen Maschinen gerade unterwegs sind. Dann ist es so, als sei er wieder der kleine Junge, der auf der Autobahnbrücke den Autos nachsah, die in die Ferne fuhren.