- Dr. Hilde Malcomess ist Redenschreiberin und Rhetorik-Trainerin.
- Im Gespräch mit Annette Schroeder erläutert die gebürtige Siegburgerin, wie sich Begegnung und Sprache während und wegen der Corona-Pandemie verändert haben.
Siegburg – Masken reduzieren die Verständlichkeit. Müssen wir anders und lauter sprechen?Dr. Hilde Malcomess: Lautstärke macht die Stimme schnell hart und signalisiert Distanz. Bei Nähe sprechen wir leiser. Wir müssen uns also fragen, welche Signale wir aussenden wollen. Sicher ist es wichtig, auf deutliche Artikulation zu achten. Mein Tipp ist: Gestikulieren Sie mehr, dann wird die Stimme von selbst lauter und betonter. Und lächeln Sie, das hebt die Stimme und die Stimmung. Sie klingen freundlicher und das Gesagte bekommt Leichtigkeit.
Was kann man tun, wenn das Gegenüber so nuschelt, dass man nichts versteht?
Im Small Talk kann ich eine scherzhafte Bemerkung machen oder das Gespräch bald beenden. Ansonsten würde ich beispielsweise sagen: „Ich habe es an den Ohren“, und so die Verantwortung auf mich nehmen. Wichtig ist auch, das Gespräch zu verlangsamen, wenn man etwas nicht versteht.
Wie reagiere ich am besten, wenn mir jemand im öffentlichen Raum ohne Maske begegnet?
Bleiben Sie bei sich! Konstruktiv finde ich Bemerkungen wie diese: „Ich würde mich wohler fühlen, wenn Sie eine Maske tragen.“ Oder: „Mir hilft es, wenn Sie eine Maske anziehen.“ Das sind persönliche Äußerungen; der andere kann sie doof finden, fühlt sich aber nicht angegriffen. Auf diese Weise beanspruchen Sie auch nicht, ein generelles Statement zu machen, dem sich der andere fügen muss. Das tut niemand gern.
Welche Beobachtungen haben Sie in der Pandemie zu Veränderungen in der Kommunikation gemacht?
Mein Eindruck ist: Wir reden kaum noch mit Fremden. Die Kontaktaufnahme ist schwieriger geworden – selbst wenn es nur um einen unverbindlichen Schwatz in der Bahn geht. Wenn wir die Mimik nicht sehen, fehlt die wichtigste Informationsquelle. Wir erkennen viel schwerer, wie dieser Mensch tickt. Und so gibt es mehr Scheu und Zurückhaltung. Neu ist auch, dass wir im öffentlichen Raum öfter einen Bogen umeinander machen, das Gegenüber wird taxiert. Das löst ungute Gefühle aus. Und deshalb fühlen wir uns nach einem Spaziergang durch die Stadt eher gestresst.
Sind die Menschen dünnhäutiger geworden?
Ja, das ist so. Es besteht eine große Verunsicherung. Viele haben Angst, in eine Schublade gesteckt zu werden, wenn sie sich zu Corona-Maßnahmen skeptisch äußern. Es hilft, Fragen zu stellen, um den Raum offen zuhalten und Anknüpfungspunkte zu finden. Dann kann ich immer noch sagen, dass ich anderer Meinung bin, ohne die Person abzuwerten.
„Haltet Abstand“ – so wird man auf Schildern nicht nur vor Discountern, sondern auch in öffentlichen Verwaltungen angesprochen. Wie bewerten Sie dieses ungefragte Duzen?
Man kann das distanzlos oder erzieherisch finden. Ich sehe darin eher einen Trend, der sich in der Krise vielleicht verstärkt hat. Selbst einige Banken und Versicherungen duzen die Kunden. Die vertrauliche Anrede soll Nähe herstellen und zeigen: Wir rücken zusammen, auch wenn wir auf Distanz bleiben müssen.
Inwieweit hat die Corona-Pandemie die Sprache verändert? Sie hat ja neue Begriffe und Wortkombinationen hervorgebracht, etwa durch Abstandssommer, Maskenpflicht oder Schnutenpulli...
Einiges finde ich ganz kreativ, wie die Coronafrisur, das Geisterspiel oder den Quarantini – den Martini oder Cocktail, den man daheim zu sich nimmt. Manche Wörter bekommen eine neue Konnotation, etwa das ansteckende Lachen. Insgesamt ist mir aber ein Hang zur Dramatisierung aufgefallen, eine gewisse Kriegsrhetorik, wenn etwa von einem „unsichtbaren Feind“ oder von einem Kampf „um Leben und Tod“ die Rede ist. Sprache erzeugt Bilder. Auch in einer ernsten Situation müssen wir darauf achten, nicht zusätzliche Ängste zu schüren.
Wie wirkt sich die Corona-Krise auf Ihren eigenen Beruf aus?
Die Reden, die ich sonst für private Feste schreibe, fallen fast alle weg. Aber ich habe Aufträge von mittelständischen Unternehmen, etwa für virtuelle Messeauftritte. Außerdem bin ich Lehrbeauftragte, etwa an der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg für ein Seminar zu „Gesprächsverhalten und Kommunikation“. An den Hochschulen läuft der Unterricht komplett online. Sicher fehlt durch den digitalen Kontakt eine Dimension. Aber durch neue Formate lässt sich auch wieder Nähe herstellen. Da kommt es dann sehr auf Aktivierung und Interaktion an.
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„Bleiben Sie gesund!“ lautet ein Abschiedsgruß, der inzwischen schon zu einer Formel erstarrt ist. Fallen Ihnen dafür andere Wendungen ein?
Am Ende eines flüchtigen Kontakts finde ich das okay. Aber neulich sah ich vor der Kirche in meinem Viertel ein Transparent mit dieser Aufschrift; und das fand ich als Botschaft etwas mager. „Bewahren Sie Ihr Vertrauen“, hätte ich zum Beispiel passender gefunden. Und zum Schluss einer E-Mail oder eines Gesprächs könnten wir sagen: „Geben Sie auf sich Acht“ oder „Bewahren Sie Ihre gute Laune“.