Siegburg – Kaum war der Weg frisch gepflastert, das Geländer montiert und die Sperrung aufgehoben, schritt Ragina Krautscheid zur Tat: Sie schnappte sich einen Lappen und brachte das Schild „Ilse-Hollweg-Brücke“ auf Hochglanz. „Jeder kann etwas tun“, erläutert die Rentnerin ihre Motivation. „Für wen ich das tue? Für jeden.“
Siegburg: Umgestaltung des Michaelsbergs ist weit fortgeschritten
Clemens Esser weiß das Engagement der Anwohnerin aus der Straße Im Springchen zu schätzen. Der Landschaftsarchitekt, der seit sechs Jahren für die Umsetzung des Michaelsbergkonzepts verantwortlich ist, ist es gewohnt, dass sich die Siegburger für die Arbeiten rund um den Berg interessieren. Sie stellen Fragen oder schimpfen auch mal, wenn etwa ein Jogger plötzlich vor einem gesperrten Weg steht. Mitunter ärgert sich auch der Architekt. Einfach asozial sei es, wenn Hundebesitzer die Vierbeiner in frisch gepflanzte Beete machen ließen, in denen noch gearbeitet werde. Oder wenn sich auf einem neuen Pflasterabschnitt sofort ein Sprayer verewige.
„Siegburg ist ja der Berg“, sagt er, jeder habe eine persönliche Geschichte zu erzählen, habe hier früher Verstecken gespielt oder sei gerodelt. Und langsam wird er auch zu Essers Berg. Sein Büro plante schon 2009 die neue Treppe vom Spielplatz hinauf zur Abtei. 2013 fanden vier Bürgerforen statt, auf denen die Siegburger entscheiden konnten, wie der Berg künftig aussehen sollte, 2014 begannen die Arbeiten. „Wann hat man denn schon einmal die Möglichkeit, so etwas zu gestalten?“, fragt er. „Das ist wie ein Zentralpark in der Stadt.“ An der Ilse-Hollweg-Brücke macht der Architekt auf ein kleines Detail in den schweren Grauwackebrocken aufmerksam, die stellenweise den Weg säumen. Eine abgebröckelte Stelle gibt kleine Fossilien frei. Das helle Beige des Pflasters für den Fuß- und Radweg entspricht dem lockeren Material, aus dem die wassergebundene Decke des Wegenetzes besteht.
Die Wurzeln der alten Linden am Wegrand wurden durch Brücken in der Erde geschützt, die jeweils aus einem Fundament und einem Eisengitter bestehen. Dort, wo Zugänge aus der Stadt geschaffen wurden, findet sich dunkelanthrazitfarbenes Pflaster, an der Ilse-Hollweg-Brücke ebenso wie am Kleiberg. Dunkelgrau ist auch die neue Treppe, die zu einem kleinen Torweg Richtung Mühlenstraße führt.
Geschichte beginnt im Mittelalter
Der Michaelsberg erhebt sich mit einer Höhe von 118 Metern über Meereshöhe über die Kreisstadt Siegburg. Im Jahr 1064 gründete der Kölner Erzbischof Anno auf dem Vulkankegel eine Benediktinerabtei, nachdem er zuvor die dortige Burg des Pfalzgrafen erobert hatte. Mit Unterbrechungen waren bis 2011 Benediktiner in dem Kloster, zwischenzeitlich dienten die Gebäude als Irrenheilanstalt, Zuchthaus und Lazarett.
Im Jahr 2013 zog die klösterliche Gemeinschaft der Unbeschuhten Karmeliten in das ehemalige Jugendgästehaus. Seit der Eröffnung am 7. Mai 2017 ist das Katholisch-Soziale Institut in der ehemaligen Abtei und einem Neubau beheimatet. (ah)
Esser sorgt dafür, dass gerodete Flächen mit einer Vielzahl von Gräsern, Kräutern und anderen für die Gegend typischen Pflanzen wiederbelebt werden, wie dem Aronstab, dem Lerchensporn oder dem „Stinkenden Nieswurz“: „Das ist der heimische Vertreter der Christrose.“ Unterhalb des Johannisgartens kommen auch, wie schon am Osthang, Obstgehölze hinzu. Vor Überraschungen sei man bei der Arbeit nicht sicher: So habe der Sturm eine Kastanie umgelegt, die er eigentlich erhalten wollte. Der Baum habe aus der Zeit der von Maximilian Jacobi 1825 begründeten Irrenheilanstalt gestammt.
Westlich vom Hang des Johannistürmchens wurden Bäume gefällt, Gestrüpp wurde gerodet. Ins Auge fallen die Überreste der alten Stadtmauer, die sich hinauf zur Befestigung der Abtei zieht, die früher zugewuchert und kaum zu erkennen war. „Die wird noch in diesem Jahr saniert“, erläutert Esser, das sei dann aber Aufgabe eines anderen Büros. Jenseits der alten Mauer arbeitet die Bonner Firma Gräfe bereits an der sogenannten „Sportwelle“, einer sanft geschwungenen Terrasse, auf der verschiedene Fitnessgeräte aufgestellt werden. Dort fiel Esser ein mittelbrauner Sand im Hang auf, der aus grauer Vorzeit stammen dürfte, aus alten Auen von Sieg oder Rhein.
Oberhalb der Sportwelle wird eine weitere Fläche für Gymnastik vorgesehen. „Es tut der Sache gut, wenn man sich so lange damit beschäftigt“, meint Esser, und man entdecke immer wieder etwas Neues. Dabei hat er noch einiges vor sich: Für dieses Jahr noch stehen der Terrassengarten jenseits der Sportwelle und die Neugestaltung des Spielplatzes auf der Agenda. 2021 folgt der Endspurt mit Johannisgarten, Felsengarten, Rosengarten und Mauersanierungen.