Die Vor- und Nachteile einer langen Session im Karneval schildern Spichs Zugleiter, der Vorsitzende der Westerwaldsterne und der Leadsänger der Band Jot Drop.
114 TageWie Karnevalisten aus dem Rhein-Sieg-Kreis mit der langen Session umgehen
Mehr Fastelovend, Stimmung und raderdoll – die Session 2024/2025 ist einer der längstmöglichsten, sie dauert 114 Tage. Das sind fast drei Wochen mehr als im Vorjahr. Vereine, Bands und Tanzgruppen im Rhein-Sieg-Kreis nutzen die gewonnene Zeit unterschiedlich.
Spich ist eine wahre Karnevalshochburg in Troisdorf. Jeder Verein, der etwas auf den Karneval hält, veranstaltet eine Sitzung. „Alle sind seit über einem Jahr ausverkauft – die Stammgäste kaufen am Sitzungstag die Karten fürs nächste Jahr“, sagt Stephan Placke, Zugleiter in Spich und Mitglied des Karnevals Ausschuss Spich (KAS). Viele Sitzungen hätten fixe Termine oder seien Traditionssitzungen.
Zusätzliche Sitzung im Bürgerzentrum Spich
„Überschneidungen gibt es in kurzen wie langen Sessionen. Aber die Bürgerhäuser sind öfter frei und die Vereine haben mehr Möglichkeiten, irgendwo reinzukommen. Das gibt Raum für zusätzliche Sitzungen.“ So veranstalteten die Bierengel nach etlichen Jahren wieder eine Party, natürlich im Spicher Bürgerzentrum.
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„Dadurch, dass wir unsere Session immer mit den Tollitäten planen, ergeben sich viele Freiheiten“, sagt er. Prinz Thomas I. und Prinzessin Kerstin könnten ihre Arbeitszeiten an die Termine anpassen. „In einer langen Session ist das durchaus entspannter. Stressig ist es trotzdem, aber es ist anderer Stress“, so Placke.
Auch die Tanzkorps sind viel unterwegs: Die Westerwaldsterne aus Hennef-Uckerath werden bis Aschermittwoch rund 40 Auftritte haben. „Das sind nicht unbedingt mehr als in einer kürzeren Session, weil viele Vereine inzwischen lieber Gesangsgruppen und Redner buchen oder gleich auf eigene Kräfte setzen, um Kosten zu sparen“, sagt Andreas Becker, Vorsitzender der Silberblauen und Uckerather Prinz der abgelaufenen Session.
„Die Auftritte sind jetzt nicht mehr so geknubbelt, voriges Jahr hatten wir schon mal drei, vier an einem Abend. Da mussten wir auch Anfragen ablehnen.“ Jetzt sei es auch möglich, zu Sitzungen von Vereinen aus der Nähe zu fahren, nach Asbach, nach Hennef. „Ich persönlich mag kürzere Sessionen lieber, weil man irgendwann ermüdet. Aber wir sind froh über jeden Auftritt, wir fahren überall gerne hin.“
Das habe nicht zuletzt wirtschaftliche Gründe. „Die Kosten, etwa für die Reisebusse, sind extrem gestiegen. Viele Vereine schreckt das ab. Aber wenn ein Veranstalter sich das nicht leisten kann, treten wir auch schon mal umsonst auf“, sagt Becker.
Weiteste Reise der Westerwaldsterne geht nach Offenbach
Die weiteste Reise führt die Westerwaldsterne in dieser Session nach Offenbach. „Das sind Kosten, die reinschlagen.“ Doch ein günstigeres Busunternehmen zu suchen, kommt für die Uckerather nicht in Frage: „Wir fahren seit 50 Jahren mit Krautscheid aus Süchterscheid, das ist Vereinstradition.“
Nach langer Trainingsphase freuten sich die Tänzerinnen und Tänzer sich über jeden Auftritt. „Das ist nicht wie bei einem Fußballer, der jeden Samstag spielt. Man muss ein Dreivierteljahr warten, bis man abrufen kann, was man gelernt hat.“ Der Lohn sei der Applaus. „Das Größte ist, wenn die Leute im Saal aufstehen“, so Becker.
Für Musikgruppen wie die Lohmarer Combo Jot Drop ist der Markt umkämpft. „Es gibt über hundert Bands wie uns, die sich den Kuchen teilen müssen“, sagt Sänger Michael Heidl. In einer langen Session habe die Band weniger Auftritte. „Das liegt daran, dass die Vereine die Chance haben, mal die großen Bands zu kriegen, die sonst an wenigen Abenden spielen würden.“
In einer kurzen Session spiele die Hobbyband am Wochenende zwei bis drei Auftritte pro Abend. „Allein an Weiberfastnacht haben wir sieben. Das bleibt natürlich so, aber an den Abenden im Januar und Februar sind es nicht mehr so viele“, sagt Heidl. Die Chance, eine professionelle Karnevalsband zu werden, habe es vor 20 Jahren durchaus gegeben, sagt der erfahrene Musiker. „Da kannte Cat Ballou und Kasalla noch kein Mensch, die spielten auf dem Heumarkt vor Beginn der Fernsehübertragung, genau wie wir.“
Doch Heidl und Keyboarder Michael Weidenbrück, die beiden letzten Gründungsmitglieder der Band, entschieden sich dagegen, diesen Schritt zu gehen. „Das bedeutet nicht, dass wir zwischen den Wochenenden in der Session nichts zu tun haben. Da produzieren wir Content für die sozialen Medien.“ Mit ihrem Sessions-Hit „Loss op et levve“ ist die Band auf dem Sampler „Kölsch für alle“ vertreten.
Es gelte, weiter gefragt zu sein. „Was wir jetzt machen, spiegelt sich in der Session 2026/2027 wider“, unterstreicht Heidl. „Man kann das Bandleben nicht auf die Auftritte reduzieren, alles drumherum machen wir in unserer Freizeit.“ Und dazu sei in der 114 Tage langen Session eben mehr Zeit als sonst.