Mehrere Auftritte hintereinander, viele Kilometer zu fahren, eiliger Auf- und Abbau – die Lohmarer Band hat einen stressigen Job
Singen, packen, weiterfahrenUnterwegs mit der Lohmarer Karnevalsband Jot Drop
Die goldenen Konfetti-Schnipsel fliegen durch die Luft, die 450 Jecken im Bürgerhaus Asbach tanzen zur Musik von Jot Drop. Die Lohmarer Karnevalsband ist in diesen Tagen an jedem Wochenende unterwegs, auf Sitzungen und Prinzenempfängen. An diesem Samstagabend spielt sie zwei Auftritte, die weiter nicht auseinanderliegen könnten: In Asbach in Rheinland-Pfalz und in Troisdorf-Spich.
Eine Stunde zuvor: Treffpunkt der Band ist vor der Jabachhalle in Lohmar. Dort warten sie auf Techniker Tamino Elgert, der drinnen die Lichteffekte der Prinzengratulation steuert. Jot Drop sind spät dran, denn die Band hat die Konfettikanonen im Proberaum liegen gelassen. Schnell nochmal zurück nach Donrath. Als Elgert endlich auftaucht, muss er erst einige Kabel aus seinem Auto holen – noch mehr Zeitverzug. „Das passiert dir nur in einer Hobbyband“, kommentiert Michael Heidl lakonisch.
Von der Ankunft auf dem Parkplatz bis zum Start des Auftritts hat die Band aus Lohmar 41 Minuten Zeit
Seit über 20 Jahren steht er bei Jot Drop am Mikrofon; der Band, die Keyboarder Michael Weidenbrück einst mitbegründete. Mit im Auto sitzen neben Schlagzeuger Martin Wingenfeld die Brüder Scheer. Während Bassist Oliver Scheer fester Bestandteil der Band ist, springt sein jüngerer Bruder Tobias heute für den erkrankten Stamm-Gitarristen ein. Er spielt Bass, die beiden Brüder tauschen die Instrumente.
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Um 20.49 Uhr lenkt Heidl den Bandbus vom Parkplatz Richtung Autobahn. In 41 Minuten sollen sie in Asbach auf der Bühne stehen. Der Schnee abseits der Landstraßen glitzert im Scheinwerferlicht. Zehn Minuten vor Konzertbeginn kommt der Bandbus am Bürgerzentrum in Asbach an. Die Parkplatzsuche benötigt, wie meistens, Fantasie: „Manchmal stehst du auch auf irgendwelchen Wasserschläuchen“, sagt Wingenfeld.
Im T-Shirt schlurft er in die warme Halle, wo die Showtanzgruppe des „Club Gemötlichkeit Asbach“ gerade Vollgas gibt. Patrick Stein und Moritz Peer, die beiden Techniker-Kollegen von Tamino Elgert, sind schon da. Sie sind mit dem Transporter vorgefahren und haben bereits die Instrumente und das Mischpult ausgeladen. „Da ist alles fertig eingestellt, Strom und Ton sind im Saal immer da. Das Konfetti wird weggefegt, dann haben wir nur zwei, drei Minuten, um alles aufzubauen“ sagt Peer. „Die Kabel sind entsprechend aufgerollt, dass es sofort losgehen kann.“
Keyboarder Michael Weidenbrück hat blindes Vertrauen in die Techniker
Während die Tänzerinnen an Weidenbrück vorbei zur Garderobe wuseln, steht dieser vor der Saaltür, in der Hand sein Akkordeon. Er wirkt entspannt, von Nervosität keine Spur, blindes Vertrauen in das Techniker-Trio, alles Routine. Die Band steigt mit „Jot, dat mer Kölsche sin“ ein. Da gehen nur wenige Arme in die Luft.
Das ändert sich bei der Zugabe, alle singen zu „Hey Marie“ und dem ebenso eingängigen wie albernen „Wä zum Düvel hätt et Kölsch versteck“, ein Jot Drop-Klassiker. Abseits der Bühne steht Tamino Elgert und hat vor allem sein Tablet im Blick. Es zeigt ein digitales Abbild des Mischpults. „Ich stehe mitten im Saal, damit ich den Klang im Raum besser hören kann“, erklärt er. Wie von Geisterhand verschieben sich die Regler auf dem analogen Mischpult, wenn er sie auf dem Tablet bewegt, sie sind über WLAN verbunden.
Kaum ist die Band von der Bühne verschwunden, treten die Techniker auf den Plan. Das Schlagzeug und das Mischpult haben Rollen, damit es schneller geht. Durch den von Bockwurst-Geruch geschwängerten Vorraum bringen sie die Geräte zum Hinterausgang, wo der Transporter parkt. Die leere Konfetti-Kanone fliegt auf den Haufen mit Müllsäcken, der dort schon liegt.
Währenddessen sitzt die Band wieder im Bus. Sie ist zufrieden mit dem Auftritt, auch wenn das Publikum anfangs nicht voll da war. „Hier in der Provinz musst du dir wieder und wieder einen Namen erspielen“, sagt Heidl. Wie viel Gage sie bekommen, will er nicht sagen. „Wir sind aber einige der wenigen Bands, mit denen man verhandeln kann.“
Auf der Fahrt nach Troisdorf blödeln die fünf im Bus herum. Gitarrist Oliver Scheer möchte unbedingt zu Burger King, sein Bruder schaut sich auf seinem Handy Videos von riesigen Steaks an. Weidenbrück verrät das Ergebnis des Handball-Spiels, obwohl er nicht soll. Die Frotzeleien und Sprüche fliegen umher. Die fünf Familienväter wirken wie eine Horde Jugendlicher auf Klassenfahrt. Das Bandleben als Ausgleich vom Alltag.
Aus einer Stunde Wartezeit werden schnell zwei
Ankunft am Bürgerzentrum in Spich, geladen hat die Kolpingfamilie. Handgemachter Karneval, keine großen Namen auf der Bühne, Verpflegung wird selbst mitgebracht. Das Spicher Dreigestirn ist da. Diesmal hat die Band mehr als eine Stunde Luft, ihr Auftritt steht erst um 23.30 Uhr an. Dennoch laden die Techniker schon mal den Transporter aus, stellen die Instrumente in einen Gang hinter der Bühne. „Den Saal-Techniker habe ich noch nirgendwo gesehen“, sagt Elgert.
Auf der Bühne spielen die Kläävbotze. Die Mitglieder von Jot Drop lümmeln im Foyer herum, wo sich das vereinsinterne Männerballett aufwärmt. Weidenbrück holt eine Runde Kölsch für alle. Aus der Stunde Wartezeit werden schnell zwei, das Sitzungsprogramm hat mächtig Zeitverzug. „Zum Glück haben wir heute keinen weiteren Auftritt. In Verträgen steht meistens drin, dass man als Band eine Viertelstunde Verzug einzuplanen hat, aber wenn ein Programm stark hinterher hängt, muss man manchmal eine Entscheidung treffen“, schildert Heidl.
Aber wenn die Band noch weiter müsste, könnte das Männerballett doch spontan später auftreten, oder nicht? „Es ist schon spät und im Saal sitzen die Frauen des Männerballetts – die sind vor allem für diesen Auftritt hier und könnten ungehalten werden, wenn sie noch länger drauf warten müssten. Das ist dann auch ein wenig Psychologie.“ Die Kläävbotze kommen ins Foyer, Heidl kennt die Musiker und begrüßt sie mit Handschlag.
Dann beginnt der Auftritt, die Jecken im Saal sind der Band diesmal deutlich mehr zugetan. Kein Wunder, Jot Drop spielen hier jedes Jahr, schrieben einst das Sessionslied für die Kolpingfamilie. Eine Konfetti-Salve bei „Hey Marie“ gibt es diesmal nicht, das wurde der Band untersagt.
Der Sitzungspräsident stellt zwischen zwei Stücken die Bandmitglieder vor. Dass Oliver Scheer heute Gitarre statt Bass spielt und der Bassist eigentlich auch ganz anders heißt, steht nicht auf seinem Zettel. Die Scheer-Brüder verziehen keine Miene und winken ins Publikum, als sie ihre falschen Namen hören. Die Zuschauerinnen und Zuschauer fordern Zugabe um Zugabe.
Hinter der Bühne verdreht Patrick Stein, der längst mit dem Abbau gerechnet hatte, die Augen. Er möchte nach Hause. „Ich muss morgen um vier Uhr aufstehen.“ Doch die Band spielt noch „Café Oriental“, eine Nummer zum Tanzen. Es ist weit nach 1 Uhr, als die Sitzung vorüber ist. Oliver Scheer hat sich durchgesetzt: Auf dem Nachhauseweg hält der Bandbus noch bei Burger King.