Die Flutkatastrophe und die Pandemie haben die Amtszeit von Hartmut Ihne geprägt.
Ruhestand im NovemberPräsident Hartmut Ihne brachte die Hochschule Sankt Augustin auf Erfolgskurs
Respektvoll nimmt Hartmut Ihne die Figur von Nikolaus Kopernikus in die Hand. Der Gelehrte starb 1543. „Sein Lebensmotto ist noch immer aktuell: Die Wissenschaft darf alles infrage stellen.“ Mit dieser Einstellung leitete Ihne 16 Jahre als Präsident die Hochschule Bonn-Rhein-Sieg (H-BRS) - zum 1. November geht er in den Ruhestand.
Die Zahl der Studierenden hat sich in Ihnes Zeit auf 9000 verdoppelt, 17 neue Institute wurden geschaffen. „Das war wichtig, um unsere Forschung besser und sichtbarer zu machen.“ Die H-BRS ist eine der forschungsstärksten Hochschulen für angewandte Wissenschaften in Deutschland.
Als Direktor am Zentrum für Entwicklungsforschung der Universität Bonn bekam Ihne im Jahr 2008 die Möglichkeit, „eine neue berufliche Herausforderung mit vielen Gestaltungsmöglichkeiten und neuen Ideen anzunehmen“, wie er seinen Wechsel nach Sankt Augustin beschreibt. Damals war die H-BRS noch nicht einer der größten Arbeitgeber im Rhein-Sieg-Kreis, heute seien rund 1500 Menschen an der Hochschule beschäftigt, berichtet er stolz. Das sei gelungen, „weil wir mutig die Entwicklung der Region mitgestaltet haben“.
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Mehr als 200 Unternehmen hat Ihne inzwischen besucht. Er wollte wissen, „welche Arbeitskräfte gesucht sind und wie die Hochschule sinnvoll mit den Firmen zusammenarbeiten kann“. Der Weg für zahlreiche Werksstudenten sei so geebnet worden, viele hätten später Festanstellungen bekommen. „Wir sind eine Hochschule für angewandte Wissenschaften. Wir forschen zu Dingen, die die Welt braucht.“
Und Ihne fiel noch etwas auf: „Fast alle Firmen sind international tätig.“ Das nutzt die Hochschule, damit Studierende im Praxissemester auch in die Auslandsvertretungen der Unternehmen gehen können. „Der Mittelstand ist bestens vernetzt, auch international“, ist eine weitere Erfahrung nach den Firmenbesuchen. Doch nicht nur Unternehmen, auch die Vereinten Nationen in Bonn arbeiten mit der H-BRS zusammen.
Hartmut Ihne wurde in Bielstein geboren, machte dort Abitur und studierte später in Oxford
Ihne, der 1956 in Bielstein geboren wurde, studierte Philosophie, Politische Wissenschaft, Germanistik, Pädagogik und Elektrotechnik in Bonn, Bern, Neuchâtel, Siegen und Oxford. Er lehrt seit 1986 an verschiedenen Hochschulen Ethik, politische Philosophie, Entwicklungspolitik und Politikberatung. Er ist niemand, den man salopp als „Fachidioten“ bezeichnen würde. Ihne kann zu vielen Themen inhaltlich kompetent Stellung nehmen. In seiner Funktion als Hochschulpräsident konzentriere er sich aber auf das, was das Amt vorsehe. Dazu gehöre auch die gesellschaftliche Verantwortung von Wissenschaft.
Das Internet und die künstliche Intelligenz (KI) beschäftigen ihn als Philosophen. Er mache sich Sorgen um die Zukunft unserer Gesellschaft und die Akzeptanz der Politik. „Wenn man es auf den Punkt bringt, dann haben viele eine Meinung zum Beispiel zu Kanzler Scholz, obwohl fast keiner mit ihm persönlich gesprochen hat.“ Doch woher hätten die Menschen ihr Bild? „Wesentlich aus den Medien, verstärkt heute aus den sozialen Medien mit ungefilterten Meinungen, die auch schon mal bewusst falsch sein können.“
Auch die KI könne eine Eigendynamik entwickeln und „irgendwann ein Eigenleben entwickeln, das nicht mehr zu stoppen ist“. Deshalb fordert er, klare Leitlinien festzulegen. Die „Informatik als Leitwissenschaft des 21. Jahrhunderts“ habe inzwischen eine Rolle bekommen, der sie sich noch nicht bewusst sei. Mit ihren Entwicklungen bestimme sie das Leben der Gesellschaft. Dafür müsse sie stärker Verantwortung übernehmen.
Hartmut Ihne sieht die Studierenden aus anderen Ländern als Bereicherung der Gesellschaft an
„Die Menschen waren schon immer globale Nomaden“, sagt Ihne über Geflüchtete und Migranten in Deutschland. Er sieht in ihnen auch eine Chance für unsere Gesellschaft: „Die Menschheit hat sich schon immer ausgetauscht.“ Deshalb sei er stolz, dass 17 Prozent der Studierenden an der H-BRS international sind. Der Schnitt liegt in Deutschland bei gut zwölf Prozent.
Im Rückblick seiner Amtszeit fällt ihm sofort das Hochwasser am 14. Juli 2021 ein. Der Campus in Rheinbach war überflutet. Die Kellerräume der Hauptgebäude standen bis zur Decke unter Wasser. Die Heizungszentrale, die Gebäudeleittechnik, die Server und der Hauptverteiler für die Stromversorgung waren zerstört. „Eine Welle der Hilfsbereitschaft hat dazu geführt, dass wir trotzdem Vorlesungen an anderen Orten halten konnten.“ Der erste Lockdown wegen Corona am 22. März 2020 war da erst gut ein Jahr vorbei. Pandemie und Flut haben tiefe Spuren hinterlassen.
„Ein wichtiger Erfolg in den 16 Jahren meiner Amtszeit war die Verleihung des Promotionsrechts an den Hochschulen für angewandte Wissenschaften in Nordrhein-Westfalen im September 2022. Ich war daran maßgeblich beteiligt“, betont Ihne. Es mache diese Hochschulen attraktiver für exzellente Wissenschaftler, aber auch für Studierende, die später promovieren wollten, schaffe besseren Zugang zur Forschungsförderung und helfe, den eigenen wissenschaftlichen Nachwuchs zu fördern.
Hartmut Ihne möchte mit seiner Frau Christiane eine Stiftung für Straßenkinder gründen
Wenn Ihne am 1. November 2024 in Pension geht, möchte er seine Forschungen zur „Ethik menschlicher Entwicklung“ intensivieren. Derzeit denkt er darüber nach, „ob es ethisch zulässig ist, eine Religion zu haben, die andere, die diese Religion nicht haben, als Menschen zweiter Klasse betrachtet“. Und dann steht da noch der Elektrobass im Zimmer, dessen „Saiten fast schon verstaubt sind“. Auch die Arbeit im Kuratorium der Welthungerhilfe möchte er verstärken. Am Herzen liegt ihm die Gründung einer Stiftung für die Ausbildung von Straßenkindern im globalen Süden mit seiner Frau Christiane. Und dann verrät Ihne noch etwas Privates: „Ich bin ein leidenschaftlicher Hobbykoch.“