Königswinter – Mehl? Nirgendwo mehr zu bekommen, sämtliche Regale leer. Hefe? Fehlanzeige, alles weg. Der Back-Boom des ersten Corona-Lockdowns im März 2020 war die Stunde von Martin Pothmann, Inhaber des Reformhauses Oppermann in Oberpleis. „Wir haben eine Getreidemühle, die das Reformhaus beliefert. Ich habe dort angerufen, 25-Kilo-Säcke Mehl geordert und das Mehl zum Abpacken im Laden verkauft!“
Hefe organisierte er von einem ehemaligen Klassenkameraden, der eine Bäckerei in Bad Neuenahr betreibt. „Wir waren die einzigen, die die Zutaten anbieten konnten. Die Kunden sind sogar aus Bonn und weiter gekommen.“
Lebensmittel in Bio-Qualität, nach Möglichkeit fair gehandelt
Da reifte in ihm die Idee des Unverpackt-Ladens. Warum nicht auch Zucker, Nudeln, Reis, Müsli lose und für die Kunden zum Abfüllen anbieten? Regale wurden geschreinert, Waren bestellt – und Anfang Mai 2020 wurde im 100 Quadratmeter-Ladenlokal die große Unverpackt-Abteilung eröffnet. „Ich habe mich entschlossen, alles in bester Bio-Qualität anzubieten, nach Möglichkeit auch fair gehandelt und CO2-neutral“, sagt der 53-Jährige.
Über 180 lose Produkte werden zum Abfüllen angeboten. In Schalen, Dosen und langen Glaszylindern gibt es Nudeln, Linsen, Bohnen, Gerste, Körner, Süßigkeiten, Nüsse, Haferflocken, Cornflakes und sogar Kaffee. „Der ist zwar nicht bio, aber regional“, so der Chef, die Rösterei kommt aus der Region: Kaffee Siebengebirge in Bad Honnef.
Auch die handgemachten Pflanzenöleifen sind regional und stammen von der Manufaktur Frollein Anne aus Königswinter. Denn im Unverpackt-Laden gibt es nicht nur Essbares zum Abfüllen: Spül- und Waschmittel und Glasreiniger, als Tabs gepresst, sind ebenfalls lose erhältlich.
Handgeschriebene Schilder auf den Gebinden geben Auskunft über deren Inhalt, den Preis und Besonderheiten. Die 28 Gewürze aus Übersee zum Beispiel sind Bio-Produkte aus fairem Handel und im Gegensatz zu herkömmlichen Gewürzen weder begast noch bestrahlt.
Die gefriergetrockneten Himbeeren sind der Hit
Von seinen Produkten ist der Königswinterer „Unverpackt“-Pionier überzeugt; er nascht auch selber nur zu gern davon „man will ja wissen, was man anbietet“. Ganz weit vorne: Die gefriergetrockneten Himbeeren im luftdicht verschlossenen Pfandeimer. „Probieren Sie mal! Sind die nicht ein Traum? So frisch und so süß – ich konnte gar nicht glauben, dass da kein Zucker zugesetzt wurde!“
Nur so viel kaufen wie man braucht und dabei Müll vermeiden, das ist die Devise des Lädchens. „Wenn jeder Einwohner von Königswinter allein die Spaghetti unverpackt kaufen würde, könnte man eine gelbe Tonne Verpackungsmüll pro Kopf im Jahr einsparen“, erläutert Pothmann.
Das Abfüllen sei auch in Zeiten von Corona und verschärften Hygieneregeln möglich, sagt der Einzelhändler, dessen Mutter die Tochter von Drogerie-Gründer Erich Oppermann war und der 1999 das Geschäft in dritter Generation übernahm. „Die Schäufelchen und Zangen zum Abfüllen werden von uns desinfiziert und nach Gebrauch in einen gekennzeichneten Behälter gegeben, damit wir sie wieder reinigen und desinfizieren.“
Kunden dürfen sich neue Artikel wünschen
Zur Eröffnung des „Unverpackt“-Ladens am 4. Mai 2020 startete Inhaber Martin Pothmann eine Umfrage bei den Kunden des Reformhauses Oppermann und Interessierten, welche Produkte er lose anbieten solle.
Über 300 Vorschläge kamen, aus denen er und seine fünf Mitarbeiterinnen auswählten. Auch heute noch liegen Blöckchen bereit, auf denen Kunden eintragen können, was ins Sortiment aufgenommen werden soll. Werden Produkte mehrfach genannt, bestellt das Team sie, „und ich informiere die Kunden, dass sie ihren Wunschartikel jetzt bei uns bekommen“, erläutert Pothmann.
Wer zehn Kassenbons des Unverpackt-Ladens gesammelt hat, bekommt beim elften Einkauf ein kleines Dankeschön-Präsent: einen Glasbehälter mit Verschlussbügel.
Geöffnet ist der Unverpackt-Laden in der Dollendorfer Straße 31 in Königswinter-Oberpleis von Montag bis Freitag von 9 Uhr bis 18 Uhr, am Samstag von 9 Uhr bis 13 Uhr. (seb)
Gefäße könnten Kunden selber mitbringen oder im Geschäft erwerben, große Einmachgläser und silberne Dosen werden angeboten, aber auch reißfeste Papiertüten. Das Behältnis wird einmal leer und einmal voll gewogen, so wird dann der Preis für das Gekaufte ermittelt.
Wer einen ganzen Mehlsack kauft, bekommt Rabatt
„Wenn jemand ganze Gebinde nimmt, gebe ich zehn Prozent Rabatt“, verspricht der Inhaber, „dann muss ich ja nicht umfüllen.“ Bei Gewürzen sind das 500 Gramm, bei Nudeln können das schon zehn Kilo sein, bei Getreide 25 Kilo. Das käme durchaus vor, dass Kunden solche Mengen kauften, berichtet Pothmann.
„Ich hatte erst kürzlich einen, der seine Gewürze früher beim Discounter gekauft hat. Dann hat er hier probiert und gleich kiloweise bestellt!“ Solche Begegnungen bestärken sein Fazit nach knapp einem Jahr „Unverpackt“ in Oberpleis: „Ich hätte es schon früher machen sollen!“