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AusstellungUnbekannte Fotos vom Leben in Windeck aus dem Umfeld von August Sander

Lesezeit 3 Minuten
Die Doppelpremiere der ersten ausführlichen Biografie über August Sander, vorstellt von Autorin Dr. Annette Deeken, kombiniert mit einer Ausstellung von erstmals gezeigten Fotografien, die Sanders Schülerin Inge Jansen gemacht hatte

Die Doppelpremiere der ersten ausführlichen Biografie über August Sander, vorstellt von Autorin Dr. Annette Deeken, kombiniert mit einer Ausstellung von erstmals gezeigten Fotografien, die Sanders Schülerin Inge Jansen gemacht hatte

Die Tochter von Sanders Lehrling Inge Jansen hatte die Motive zusammengestellt. Auch eine neue Sander-Biografie wurde präsentiert.

Gegen Mittag herrschte Hochbetrieb im Evangelischen Gemeindehaus in Windeck-Leuscheid. Die Doppelpremiere der ersten ausführlichen Biografie über August Sander, vorgestellt von Autorin Dr. Annette Deeken, kombiniert mit einer Ausstellung von erstmals gezeigten Fotografien, die Sanders Schülerin Inge Jansen gemacht hatte, weckte große Neugier und Erinnerungen bei den Einheimischen.

Rund 20 Jahre lang hatte der Fotograf von Weltrang, von 1942 bis zu seinem Tod 1964, im Nachbarort Kuchhausen in bescheidenen Verhältnissen gelebt. Die junge Inge Jansen teilte von 1953 bis 1955 Leben und Arbeit mit Sander und dessen Frau Anna. Über das Leader-Programm soll gegenüber dem früheren Standort des Wohnhauses Sanders in Windeck, das nicht mehr existiert, ein Erinnerungsort entstehen.

70 Negative ihrer Mutter aus Windeck-Leuscheid hat Susanne Eschrich thematisch zusammengestellt

Für einen jungen Mann gab es viel zu entdecken, nämlich für den Enkel von Inge Jansen. „Es ist mir eine große Ehre, heute meine Mutter bei der Ausstellung der Fotografien meiner Großmutter zu unterstützen. Ich bin super stolz auf meine Mutter“, erzählte der 27-jährige Raphael Eschrich. „Ich habe mich vorher gar nicht für Familiengeschichte interessiert, aber durch die Recherchen meiner Mutter ist mein Interesse erwacht.“

Zwei Frauen stehen vor alten Schwarz-Weiß-Fotos, eine hält ein Buch im Arm.

Die Doppelpremiere der ersten ausführlichen Biografie über August Sander, vorstellt von Autorin Dr. Annette Deeken, kombiniert mit einer Ausstellung von erstmals gezeigten Fotografien, die Sanders Schülerin Inge Jansen gemacht hatte und die ihre Tochter Susanne Eschrich zusammenstellte.

„Wie kommt man von Hamburg nach Windeck-Kuchhausen?“, war denn auch die Frage, die Susanne Eschrich dazu gebracht, sich auf Recherche nach dem Leben ihrer 2006 gestorbenen Mutter zu begeben. Sie selbst wuchs bei den Großeltern auf. „Ich bin unglaublich glücklich“, sagte sie bei der Eröffnung, „acht Jahre lang habe ich auf diesen Tag gewartet, der für meinen inneren Frieden wichtig ist. Alles, was ich wollte, ist nun abgeschlossen. Mir ist es ganz wichtig, dass mein Sohn heute dabei ist.“

Erst bei der Recherche hatte sie herausgefunden, wie eng ihre Familie mit der Familie Sander bereits viel früher durch ihren Urgroßvater, den Steinmetz Jean Loosen, verbunden war. Auch ihm widmete Eschrich die Ausstellung. Ihr Urgroßvater war mit August Sander und dessen Sohn Erich befreundet gewesen und mit Letzterem im Widerstand gegen das NS-Regime ins Gefängnis gekommen. Selbst Fotografin, hatte Eschrich rund 70 Negative, die ihre Mutter in und um Leuscheid in der Lehrzeit aufgenommen hatte, thematisch zusammengestellt. Zu sehen waren Einblicke ins Familienleben der Sanders, ins Dorfleben, von der umgebenden Landschaft und den Menschen. Im Nu waren die Kalender mit Jansens Fotografien ausverkauft, auch die Postkarten waren begehrt.

Biografie und Ausstellung sind August Sanders Enkel Gerd gewidmet

Bei der Vorstellung der ersten ausführlichen Biografie über August Sander konzentrierte sich Annette Deeken auf weniger Bekanntes und Neues. Mithilfe von Bildmaterial entwarf sie für die Zuhörer die harte, kleine Welt, in der Sander in Herdorf im Westerwald groß geworden war und stellte sich den Wendepunkt in seinem Leben als Kulturschock vor, als Sander zum Militär nach Trier einberufen wurde. „Trier war damals großstädtisch, zu vergleichen mit Paris.“

Menschen stehen in einer Ausstellung mit Schwarz-Weiß-Fotografien zusammen, eine blonde Frau mit Brille blättert in einem Katalog.

Auch Bürgermeisterin Alexandra Gauß kam vorbei. Ihre Familie wohnte als direkte Nachbarn Sanders.

Unterstützung hatten die Frauen von Jörn Besser und vom Bürgerverein Leuscheid erhalten. Großartig kam ein Filmbeitrag von Pavel Schnabel an. Der hatte im 1977 für einen Filmbeitrag Menschen im Westerwald befragt, die der Weltfotograf Jahrzehnte zuvor fotografiert hatte. Für seinen Film ließ er sie die Szenen nachstellen und erzählen. Zuletzt war der Beitrag 2008 als Hommage an August Sander in Paris gezeigt worden.

Gewidmet haben beide Frauen Biografie und Ausstellung auch dem 2021 gestorbenen Sander-Enkel Gerd. „Ohne ihn wäre diese Biografie nie geschrieben worden“, betonte Deeken. „Er hat mir unendlich viel über meine Mutter erzählen können“, bedankte sich Eschrich, die ursprünglich mit ihm gemeinsam die Ausstellung hatte organisieren wollen.