Aus für Traditionsgaststätte?„Siegtaler Hof“ bleibt vorerst geschlossen
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Windeck – Der „Siegtaler Hof“ in Herchen hat eine fast 200 Jahre alte Geschichte. Und die ist erst einmal zu Ende. Die Gaststätte war über Generationen im Besitz der Familie Kölschbach. Doch am 30. Dezember schlossen die Wirtsleute Christoph und Mary Kölschbach die Tür ein letztes Mal ab. Sie gehen in den Ruhestand. Ihre Bemühungen, in Corona-Zeiten einen Nachfolger für die Gaststätte zu finden, waren nicht erfolgreich.
Mehr Glück hatten sie beim Verkauf. Die Gemeinde Windeck hat die umfangreiche Liegenschaft erworben, um den Neu- und Erweiterungsbau des Herchener Feuerwehrhauses am angrenzenden bisherigen Standort zu ermöglichen. „Die notwendige Erweiterung ist nur mit einem Teil des erworbenen Grundstücks umsetzbar“, äußerte sich Windecks Beigeordneter Thomas Becher zum Kauf, der ein weiteres Haus, eine Remise und einen Stall auf insgesamt 2500 Quadratmeter Grund einschließt.
Laut Becher ist der Bauantrag für die Neubebauung des Feuerwehrgeländes kurzfristig und die bauliche Umsetzung möglichst noch in diesem Jahr vorgesehen. „Wir sind bestrebt, die gastronomische Nutzung für die Zukunft zu erhalten“, betont er. Es sei aber zu früh, weitere Auskunft zu geben.
Der Bürger- und Verschönerungsverein der Ortschaft entsendete den Vorsitzenden Peter Kolf und der Seniorentreff Dr. Wolf-Rüdiger Weisbach und Franz Kluwe als Vertreter, um die Wirtsleute des Siegtaler Hofs und ehemaligen Hotels zu verabschieden. Als Präsent überreichten sie den Eheleuten ein Bild des Troisdorfer Künstlers Josef Hawle, auf dem der Siegtaler Hof zu sehen ist. Leicht fällt es der 62-jährigen Mary Kölschbach und ihrem ein Jahr älteren Mann nicht, den Familienbesitz aus der Hand zu geben. Christoph Kölschbach stieg 1970 in den Betrieb ein, der seinerzeit von der Erbengemeinschaft Kölschbach geführt wurde. Auch eine Landwirtschaft gehörte dazu.
„Es gibt eine alte Festschrift zu 150 Jahre Siegtaler Hof“, erzählte die Wirtin, „deshalb können wir davon ausgehen, dass er noch älter ist.“ Wolf-Rüdiger Weisbach, Sprecher des Dorfarchivs, berichtete von der Postkutschenzeit, in der es neben der Poststation auch Übernachtungsmöglichkeit für Fahrgäste und eine Ruhestation für die Pferde im Siegtaler Hof gab.
Für das Dorf war der Festsaal viele Jahre die Adresse für Feiern aller Ereignisse und Anlässe, die im größeren Kreis begangen wurden. In der gemütlichen Kneipe und im kleinen Biergarten trafen sich Herchener und Touristen bei Bier und Speisen, darunter auch selbst gebackenen Kuchen. Herchen dürfe sich zwar „anerkannter Erholungsort“ nennen, bedauert Weisbach, doch nach Schließung von Geschäften, Banken und Post sei im Ort einmal mehr eine Lebensader abgeschnitten. „Vor nicht einmal 30 Jahren hat es noch rund zwölf Gastronomiebetriebe gegeben“, hat er recherchiert.
Christoph Kölschbach versucht, den Abschied sachlich zu sehen. „Wir haben keine Kinder, es ist in Ordnung, wie es jetzt ist. Die Zeit und das Interesse an Gastronomie haben sich sehr verändert, die Menschen fühlen sich nicht mehr so verbunden mit ihrer Wirtschaft wie früher.“
Die Wirtsleute im Ruhestand wollen in Zukunft nicht ganz rasten und sich kleine Nebenjobs suchen. „Ich würde gern kleine Fahrten übernehmen“, meint Christoph Kölschbach, und seine Frau möchte in der Küche hantieren.