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Kochkurs am LagerfeuerDer Braten hängt an der Schnur über der Glut

Lesezeit 4 Minuten
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Es regnete. Aber Kochen am Lagerfeuer machte dennoch viel Spaß.

Ruppichteroth – Feuer und Wasser vertragen sich tatsächlich: Von oben pladdert es auf die Baumwollplane, unten zischen und züngeln Flammen, in der Glut steht ein rußiger Kessel, aus der Tülle steigen Dampf und ein unverkennbarer Duft. „Cowboykaffee“, ruft Rolf Iven. Drei Pärchen und die Reporterin stehen fröstelnd auf matschigem Grund und freuen sich aufs Heißgetränk, Prütt inklusive. Das Abenteuer-Kochen fängt ja gut an!

Lagerfeuer, da schwingt doch Romantik mit, Gitarrenklang im Sonnenuntergang, Pfadfinderfeeling mit Würstchen, Stockbrot und Bier. Es kommt alles anders. Zugegeben, idyllisch ist es an dem versteckt gelegenen Angelteich in Ruppichteroth, wo bald schon der Dauerregen vergessen ist, denn die Gruppe geht auf kulinarische Zeitreise.

Iven, studierter Physiker, selbstständiger Coach und Managertrainer, nimmt sie mit zu den Anfängen des Feuers 700.000 vor Christus, ins Mittelalter und zur bäuerlichen Kultur unserer Urgroßeltern, kündigt Äpfel mit Speck an, einen Braten am Strick, Hähnchen im Strohbett, Pfannenbrot, Aromaöl und Süßes aus der Glut.

Der Kurs umfasst acht Stunden

Wir sind Feuer und Flamme, greifen zu Messern und Schneidebrettern, schnibbeln und rühren, putzen Pilze, kneten Teig und pflücken große Pestwurz- und kleine Brennnesselblätter, Grasbüschel, Klee und Kräuter. Wir haben Zeit, der Kurs umfasst acht Stunden, das Gegenprogramm zum oft so hektischen Mahlzeiten-Zubereiten nach Feierabend, „bei uns gibt meist 25-Minuten-Schnellküche“, erzählt Bankkauffrau Ursula Kurth, 48, zweifache Mutter mit Pfadfinderervergangenheit. Als Naturfreund outet sich auch ihr Ehemann Ralf Raffel, 56, als Bauleiter beruflich viel im Auto unterwegs. Entspannung macht sich breit.

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Das Pfannenbrot zeigt schon eine appetitliche Farbe. Darüber hängt der Rinderbraten am Strick.

Jetzt wird es spannend. Der Kursleiter legt ein Knäuel aus dünnem Strick auf den Tisch – das soll den Braten halten – und fesselt uns mit Geschichten. Über Kochgeschirr, zum Beispiel, in vielen Gegenden aus Ton, weil es zu wenig Holz gab, um Gusseisen herzustellen.

Iven erklärt den Dutch Oven mit kurzen Beinen und flachen Deckel, auf dem die Glut das Gargut auch von oben erhitzen kann. Der Afrikans-Potje hingegen ist bauchig und hochbeinig, unter ihm kann ein Feuer entfacht werden.

Räuchern geht auch im Pappkarton

Wie noch vor 100 Jahren bei uns gekocht wurde, das lasse sich in alten Bauernhäusern im Museum besichtigen. „Die Feuerstellen waren zwei mal drei Meter groß, weil unterschiedliche Temperaturzonen genutzt wurden“, weiß Iven. Drüber gab es Platz zum Kalt- und zum Heißräuchern. Kalträuchern könne jeder ganz einfach ausprobieren, so Ivens Tipp: einen Pappkarton mit einigen Löchern versehen, Buchenmehl in einer Schale entzünden, das Räuchergut in den Karton hängen.

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Wir fragen viel, tauschen uns aus. Britta Bochem, 47, geschulte Wildnispädagogin, erzählt von Garexperimenten in einer Erdgrube: „Leider misslungen.“ Ihr Ehemann Piet, 54, Außendienstler, mariniert derweil das Rindfleisch mit sichtlicher Vorfreude. IT-Techniklehrer Tobias Auffenberg, 51, legt Scheite aufs Feuer. Er plant mit seiner Frau Heike, Finanzbeamtin, 44, und den drei Teenager-Töchtern eine Island-Wildnis-Reise, im Gepäck: ein klappbarer Grill.

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Auch der Nachtisch, ein Kirsch-Dessert, wird am Lagerfeuer zubereitet.

Uns allen knurrt der Magen. „So ist unsere Kultur entstanden, die Menschen saßen ums Feuer und redeten“, wirft Rolf Iven ein. Dieser Schritt soll nach Meinung von Forschern ein größerer gewesen sein als die Digitalisierung. Zumindest heute bleiben unsere Handys in der Tasche. Obwohl es Netz gibt.

Hähnchenbrust passt auch für verwöhnte Gaumen

Archaisch sind zwar die Garmethoden, die Aromen kitzeln aber auch verwöhnte Gaumen. Die Hähnchenbrust, die mit allerlei Gewürzen in einem Pestwurzblatt gewickelt und zwischen Gras und Kräutern im Dutch Oven schmorte, verströmt den Geruch nach Heu. Die Bier-Pfannekuchen harmonieren mit den Salbei-Speckäpfeln, die Germanentapas – Brennnesselblätter im Teigmantel – leuchten grün und schmecken kross.

Rezept für Äpfel mit Speck und Bierpfannkuchen

Äpfel mit Speck und Bierpfannekuchen lassen sich nicht nur auf dem Lagerfeuer, sondern auch auf dem heimischen Herd zubereiten.

Speck in fingerdicke Streifen schneiden und in Öl anbraten, nach und nach Apfelstücke und einige Salbeiblätter hinzugeben, pfeffern und salzen. So lange rösten, bis die Stücke weich werden. Einen Pfannkuchenteig aus Eiern und Mehl anrühren, anstatt Milch Bier hinzugeben.

Drei Scheiben Flönz in der Pfanne verteilen, auf jede eine Kelle Teig geben und goldbraun backen. Mit der Apfelmasse servieren. (coh)

Die Lachssteaks saftig mit leichter Rauchnote. Die Eiercreme aus aromatisiertem Öl krönt die im Edelstahlsieb gegrillten Pilze und das Pfannenbrot mit Auberginenmus. Auch das Kirsch-Dessert kommt aus der Glut. Jetzt strahlen nicht nur die Gesichter, sondern auch die Sonne.

Nur der Braten, von außen appetitlich braun, braucht noch Hitze. Er hätte länger in der Marinade liegen und einige Stunden mehr am Strick hängen müssen, „das nehme ich fürs nächste Mal mit“, stellt Rolf Iven fest. Das simple Lagerfeuer ist halt doch komplexer als ein Weber-Grill.