Der tödliche Motorradunfall im vergangenen Oktober war der Anlass für die Unterschriftenaktion. Diese Forderungen hat die Dorfgemeinschaft.
Nach tödlichem UnfallAnwohner fordern Verkehrsberuhigung für B56 in Much-Wellerscheid
Die Autos rauschen reihenweise vor den Nasen der Kinder vorbei. Einmal bis zur Verkehrsinsel gelangt, müssen die Kleinen mitunter nochmals bis zu einer Minute warten, bis eine Lücke aufkommt im starken Verkehr auf der Bundesstraße 56. Die Hauptverkehrsstraße führt durch das etwa 400 Einwohner große Dorf Wellerscheid, das zur Gemeinde Much gehört.
„Es ist uns unwahrscheinlich wichtig, dass hier etwas passiert“, betont Anja Bauer, Vorsitzende der Dorfgemeinschaft Wellerscheid. Der tödliche Motorradunfall Anfang Oktober habe nochmals gezeigt, wie gefährlich die Situation an der Ortsdurchfahrtsstraße sei.
Auch die Baken der Verkehrsinsel wurden kürzlich gleich zweimal von Autofahrern mitgenommen, wie Bauer berichtet und Straßen NRW auf Anfrage bestätigt. „Und das ist auch noch am helllichten Tag passiert! Man stelle sich vor, hinter der Bake hätte ein Kind gestanden“, bemerkt Bauer.
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Die rot-weiß gestreiften Leitsäulen sind nämlich so groß, dass sie Autofahrern die Sicht auf die kleinen Verkehrsteilnehmer verdecken können. Diese Situation sorgt seit vielen Jahren für Unmut unter den Bewohnern. Die Querung der B56 liegt für viele Kinder auf dem Weg zum Kindergarten und zum Schulbus.
Zebrastreifen, Blitzanlage: Dorfgemeinschaft fordert Maßnahmen für stark frequentierte Straße
Die Dorfgemeinschaft um die Vorsitzende Anja Bauer hat Bürgermeister Norbert Büscher eine Unterschriftensammlung übergeben. 230 Signaturen sind seit Anfang Dezember zusammengekommen. „Wir sind an jede Haustür gegangen“, sagt Bauer. Die Bürger fordern die Gemeinde dazu auf, im gesamten Bereich der Ortsdurchfahrt Wellerscheid für eine Verkehrsberuhigung zu sorgen.
So wird in dem überreichten Papier etwa ein Fußgängerüberweg oder eine stationäre Blitzanlage vorgeschlagen. Auch von Parkbereichen zur Verlangsamung des Verkehrs und einer Beleuchtung am Ortseingang ist die Rede.
Bürgermeister Büscher sagte, er könne die Situation gut nachvollziehen und wolle sich mit der Gemeinde für das Vorhaben der Bürger einsetzen. Allerdings hänge die Entscheidung nicht alleine an der Kommune. Auch das Land NRW, das die B56 pflegt und unterhält, sowie das Straßenverkehrsamt des Rhein-Sieg-Kreises sind an der Entscheidungsfindung beteiligt.
Smiley-Messanlage belegt überhöhte Geschwindigkeiten auf Ortsdurchfahrt
Die Installation einer Verkehrsberuhigung ist nicht zuletzt auch eine Kostenfrage. So beliefen sich die Kosten einer stationären Blitzanlage auf etwa 90.000 Euro, erläutert Antonius Nolden von der Pressestelle des Rhein-Sieg-Kreises auf Anfrage. Ein Zebrastreifen koste inklusive Beleuchtung, Abflachung des Gehweges und weiteren Maßnahmen etwa 30.000 bis 35.000 Euro. Nolden merkt aber an, dass dies Durchschnittswerte und für die Ortsdurchfahrt in Wellerscheid nicht unbedingt aussagekräftig seien.
Eine Übergangslösung ist es laut Büscher, Geschwindigkeitsanzeigetafeln mit Smileys aufzustellen. Jeder Autofahrer wird durch das lachende oder traurige Smiley sofort informiert, ob er zu schnell fährt. Im Juni 2016 wurde am Ortseingang bereits ein solches Smiley-Messgerät aufgestellt, neun Tage lang hat es gemessen. Die Auswertung der erfassten Geschwindigkeiten liegt Dieter Schillgallies, Mitglied der Dorfgemeinschaft vor.
Demnach fuhren die Fahrzeuge in dem Zeitraum mit durchschnittlich 58 Kilometer pro Stunde durch die 50er-Zone. 15 Prozent waren schneller als 68, die höchste gemessene Geschwindigkeit war 124 Kilometer pro Stunde. Diese Smiley-Anzeigen messen allerdings ohne zu ahnden. „Der erzieherische Effekt ist trotzdem gut“, so Büscher.
Kreispolizei: Wellerscheid kein Unfallschwerpunkt
Der Bürgermeister erläutert das Verkehrsproblem: „Die lange Gerade vor und hinter dem Ort verleitet natürlich zum schnellen Fahren.“ Auch habe der Verkehr auf der Straße durch die Lkw deutlich zugenommen. Die großen Gefährte würden vermehrt auf die Bundesstraße ausweichen, um den anfallenden Maut-Gebühren auf der Autobahn zu entgehen. Wellerscheid liegt nur etwa sechseinhalb Kilometer von der Autobahnauffahrt A4 Bielstein entfernt.
Ein Todesfall, wie jener im vergangenen Oktober sei laut Büscher immer ein Anlass, wirklich etwas zu verändern. Laut der Polizeibehörde des Rhein-Sieg-Kreises gab es in den letzten fünf Jahren allerdings keine anderen schweren Unfälle. „Das ist kein Unfallschwerpunkt“, teilt Pressesprecher Stefan Birk auf Anfrage mit. Alle beteiligten Parteien teilen mit, sie seien in Gesprächen.
Straßen NRW betreibt und unterhält die Bundesstraße 56. Alle paar Jahre werden landesweit Verkehrszählungen durchgeführt, so auch vor dem Ortseingang von Wellerscheid. 2010 wurde die Erfassung noch manuell durchgeführt, 2015 dann erstmals automatisiert mithilfe von Radartechnik. 2019 wurde nur eine Hochrechnung erstellt, die Daten von Dauerzählstellen wurden dafür herangezogen.
Aufgrund der sich ändernden Erhebungsmethodik ist es schwierig, den angeblichen Verkehrszuwachs zu belegen. In den Hinweisen zur Nutzung der Straßenverkehrszählung heißt es ohnehin: „Als unmittelbare Beurteilungsgrundlage sind die gezählten Werte grundsätzlich nur eingeschränkt geeignet.“ Dies hänge vor allem mit der stichprobenartigen Erfassung zusammen.
Ein deutlicher Zuwachs ist trotzdem auszumachen: Zwischen 2015 und 2021 hat der Verkehr um ganze 77 Prozent zugenommen. Waren es 2015 noch 2538 Fahrzeuge pro Tag, die das Dorf passierten, wurden fünf Jahre später schon 4497 gezählt. Etwa sechs Prozent der passierenden Fahrzeuge seien dem Schwerverkehr zuzuordnen. Dazu zählen Lkw und Busse, 2021 seien das durchschnittlich 290 täglich gewesen.