Max Graf Nesselrode glaubt, dass Baumvielfalt die richtige Antwort ist.
Dabei sollen Experimente eingegangen werden.
Ruppichteroth – Erholungsort, Wirtschaftsfaktor, Klimahelfer, Sorgenkind: Was tun mit dem Wald? Diese Frage treibt Max Graf Nesselrode um, wenn er an seine Bäume denkt, diese alten Recken, die Generationen vor ihm gepflanzt und gehegt haben. Und die nun von Trockenheit und deswegen auch von Schädlingen heimgesucht werden. 120 bis 140 Jahre sind die Bäume in der Regel alt, die er aus seinen Wäldern holt, „Wertholz in der Endstufe“ nennt er die dicken Stämme.
Doch die Bäume, die seine zwölf Forstmitarbeiter in diesem Jahr fällen mussten, waren jünger, geschädigt von Dürre und zerfressen vom Borkenkäfer. Viele weitere werden dieses Ende noch nehmen, fürchtet er, „im Risiko steht ein gutes Drittel unserer gesamten Fichtenflächen“. Parallel dazu fiel der Preis für das Holz um mehr als 50 Prozent, zwischen 35 und 45 Euro bringt der Kubikmeter jetzt noch. Dem gegenüber stünden „immense Kosten“ für die Aufforstung, wovon er selbst nicht mehr profitieren werde. Vielmehr sei dies „eine Investition für meinen Sohn, vielleicht auch erst für meinen Enkel“.
Die Fichten sind wohl erst der Anfang, „das Laubholz reagiert mit ein bis zwei Jahren Verzug“, weiß Nesselrode. Hätten nicht sein Vater und Großvater bereits verschiedene Arten gepflanzt, Eichen, Buchen, Ahorn, Douglasien, Erlen, Lärchen, Thuja, Kirschen, Weißtannen und viele mehr, dann wäre der Verlust durch das Fichtensterben jetzt existenziell.
2950 Hektar Waldfläche umfasst der Gräflich Nesselrodsche Forst, 660 Hektar FFH-Gebiet, etwa 50 bis 60 Hektar Naturschutzgebiet. Anlagen für die Zukunft, in mehr als einer Hinsicht.
Die 250 Jahre alten Eichen hat sein Vorfahr gesetzt, und „alle Generationen danach haben sie gepflegt, die Qualität ihres Wuchses überwacht, ob sie einen geraden Schaft und eine breite Krone haben“. Nur dann durften sie stehen bleiben und weiterwachsen, „durch frühzeitige Auslese wird der Bestand verbessert“, so Max von Nesselrode. „Die Natur arbeiten lassen und konsequent wie vorsichtig mitgestalten“, dieses Verfahren habe sich bewährt.
Anpassung kommt
Jetzt steht alles auf dem Prüfstand. „Es ist evident, dass eine Veränderung kommt“, sagt der 39-Jährige. „Es wird wärmer werden, wie schnell und vehement weiß niemand. Das wird Anforderungen stellen, die schwer voraus zu antizipieren sind.“
Es fuchst ihn, dass nur bestimmte Baumarten förderfähig seien und damit faktisch vorgeschrieben werde, welche Bäume er zu setzen habe, obwohl niemand wisse, ob es sich in 60 oder 80 Jahren als richtig herausstelle. Weiter mit anderen Baumarten zu experimentieren, die Biodiversität zu erhöhen, „damit vergrößere man doch die Chancen, Arten zu finden, die sich mit den Veränderungen abfinden können“, sagt er.
Eine Risikominimierung für den Betrieb sei das, sicher, aber auch ein Stärken der Natur. „Man muss ihr und auch sich selber die nötige Zeit geben. Vielleicht braucht die Fichte jetzt 50 Jahre, aber sie wird sich auch an die neue Situation anpassen.“
Nesselrode kritisiert Regulierung
Das Vertrauen in die Einschätzung der Eigentümer, die wegen ihrer Betroffenheit wirklich Verantwortung trügen, vermisst er in der Politik. Stattdessen würden sie zunehmend in ein regulatorisches Korsett gezwängt, bemängelt Nesselrode.
Viel zu viel seiner Arbeitszeit verbringe er inzwischen mit dem komplizierten Regelwerk unter anderem des Naturschutzrechts, „das läuft vielfach nicht mehr mit gesundem Menschenverstand.“ Maßnahmen diskutieren, „die nicht opportun sind“, dürfe man schon gar nicht, zum Beispiel den stärkeren Einsatz von Pflanzenschutzmitteln in dieser Notsituation.
Warum man nicht „ohne ideologische Scheuklappen“ an solche Themen gehen könne, will ihm nicht in den Sinn, warum er sich streiten muss für sein Eigentum. „Ich möchte selber für das verantwortlich sein, wovon meine Familie lebt.“
Max Graf Nesselrode wünscht sich, dass den Waldbesitzern wieder mehr Eigenverantwortung zugestanden wird. Dass auch die Besucher die Arbeit der Waldbesitzer zu schätzen lernen und nicht den Wald als Mülldeponie missbrauchen. Die Formel sei doch ganz einfach: „Jeder muss sich fragen, was er persönlich zum Erhalt des Waldes und damit zum Klimaschutz beitragen kann.“