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Kohleausstieg im Rheinischen RevierKraftwerk Frimmersdorf geht endgültig vom Netz

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Braunkohlekraftwerk Frimmersdorf

Das Braunkohlekraftwerk Frimmersdorf im Juni 2015

Rhein-Erft-Kreis/Frimmersdorf – Zum ersten Mal geht im Rahmen des Kohleausstiegs ein Kraftwerk im Rheinischen Revier vom Netz: Das Kraftwerk Frimmersdorf wird ab dem 30. September Geschichte sein. Auch wenn damit das Ende eines Kapitels Industriehistorie beginnt, von außen ist der Kohleausstieg wohl erst mit dem Abriss sichtbar sein. Die beiden verbliebenen 300-Megawatt-Blöcke „Paula“ und „Quelle“ waren seit vier Jahren ohnehin nur noch in der sogenannten Sicherheitsbereitschaft. Dampf stieg schon lange nicht mehr aus den Kühltürmen. Die übrigen Blöcke sind schon deutlich früher vom Netz gegangen.

Die Schließung des Kraftwerks erfolgt leise und ohne Festakt. Die Mitarbeiter nahmen bei einer kleinen Feier Abschied vom Kraftwerk. Die betroffenen rund 30 Mitarbeiter wechseln entweder in den Ruhestand oder zum benachbarten Kraftwerk Neurath. Unklar ist noch die Zukunft des Areals: „Was aus dem traditionsreichen und gleichzeitig attraktiven Industriestandort wird, wird in einem Projekt mit der Stadt Grevenbroich und dem Rhein-Kreis Neuss geklärt“, teilt RWE Power mit.

Rheinisches Revier: Bis Ende 2022 gehen sechs Braunkohlenblöcke vom Netz

Bis Ende nächsten Jahres gehen an den anderen RWE-Standorten im Revier – Neurath, Niederaußem, Weisweiler – weitere sechs Braunkohlenblöcke vom Netz. Betroffen sind davon bis zum Jahre 2023 rund 3000 Beschäftigte bei RWE Power. Betriebsbedingte Kündigungen sind ausgeschlossen, die Stilllegungen sollen sozialverträglich gestaltet werden. „Dazu leisten auch die staatlichen Maßnahmen, wie etwa das Anpassungsgeld, einen Beitrag“, teilt RWE Power mit. Bis 2030 wird das Unternehmen nach eigenen Angaben seine Braunkohlenkapazitäten um zwei Drittel reduzieren.

Eine historische Aufnahme zeigt das markante Maschinenhaus des Kraftwerks Frimmersdorf.

Die beiden Blöcke „Paula“ und „Quelle“ haben seit ihrer Inbetriebnahme in zusammen 700.000 Betriebsstunden laut RWE Power 244 Milliarden Kilowattstunden Strom erzeugt: „Damit könnte man rein rechnerisch sämtliche Stromverbraucher Düsseldorfs 60 Jahre lang versorgen.“ Der gesamte Standort Frimmersdorf II habe seit Bestehen fast 1000 Milliarden Kilowattstunden Strom erzeugt – genug, um Düsseldorf 250 Jahre unter Strom zu halten.

Im Jahr 1954 war die Baustelle für das Kraftwerk Frimmersdorf bereits weit fortgeschritten. Zeitweise war Frimmersdorf II das größte Kraftwerk Deutschlands.

„Dass »Paula« und »Quelle« so viele Jahre zuverlässig für die Stromversorgung verfügbar waren, ist einer professionellen Betriebsführung und einer hervorragenden Instandhaltung zu verdanken, vor allem aber ist sie das Ergebnis des großen Engagements der ganzen Mannschaft“, sagte RWE-Power-Vorstandsmitglied Lars Kulik bei der internen Abschiedsfeier. Er würdigte die Rolle des Standorts Frimmersdorf für die Entwicklung von RWE, für die Stadt Grevenbroich und für die Stromversorgung Deutschlands. Ein Kraftwerk gab es im Grevenbroicher Stadtteil Frimmersdorf schon seit dem Jahr 1926, also nun fast hundert Jahre.

Kraftwerk Frimmersdorf: Ein Blick in die Historie

Das heutige Kraftwerk Frimmersdorf II stammt in seinen Ursprüngen aus den 1950er-Jahren – da tickten die Uhren der Behörden noch ganz anders: Die Bau- und Betriebsgenehmigung für die Blöcke A und B umfasste nach Angaben von Betreiber RWE Power ganze drei DIN-A-4-Seiten und wurde im Dezember 1956 erteilt. Da liefen die Blöcke schon ein Jahr.

Das Schwarz-Weiß-Foto aus dem Jahr 1959 zeigt die Montage der Turbine in Block E des Kraftwerks Frimmersdorf.

Die Anlage war zunächst auf 1200 Megawatt ausgelegt – damals eine völlig neue Größenordnung. Zum Vergleich: Heutige Windkraftanlagen an Land haben eine Nennleistung von bis zu fünf Megawatt, und ein einziger der neueren BoA-Blöcke im Kraftwerk Neurath weist eine Leistung von mehr als 1000 Megawatt aus. Im Jahr 1955 gingen die Blöcke A und B ans Netz, 1957 nahmen die Blöcke C und D mit jeweils 150 Megawatt ihren Betrieb auf. Die 150-Megawatt-Blöcke E und F gingen ab 1959 an die Arbeit, 1960 folgten die baugleichen Blöcke G, H und J. „Sie machten Frimmersdorf zeitweise zum größten Kraftwerk Deutschlands“, sagt RWE-Power-Sprecher Guido Steffen.

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Doch das war nicht genug. Der Aufschwung in Deutschland forderte noch mehr Energie. Das RWE errichtete ab 1960 die Blöcke K, L und M, die im Jahr 1962 ans Netz gingen. Bis 1964 folgten schließlich die Blöcke N und O. Die „serielle Blockbauweise“ ist seitdem das prägende Bild des Kraftwerks Frimmersdorf. Das Maschinenhaus ist mehrere Hundert Meter lang, hinter der Fassade haben jahrzehntelang 14 Blöcke gearbeitet. Hinter dem Maschinenhaus: das Feld der Kühltürme, zeitweise 31 an der Zahl. In den 1960er-Jahren kamen sogar noch zwei weitere Blöcke hinzu: der freistehende 300-Megawatt-Block P und der gleich große Block Q.

In den 1980er-Jahren kam das Kraftwerk allmählich in die Jahre. 1988 wurden die Blöcke A und B stillgelegt, weil es sich nicht rechnete, sie wie die anderen Blöcke mit Rauchgas-Entschwefelungs-Anlagen nachzurüsten.