Entscheidung des Herzens19-jährige übernimmt Hof in Pulheim-Stommeln
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Pulheim-Stommeln – Plötzlich kam das Schicksal dazwischen. Marie Kamp hatte sich ihre Zukunft ganz anders vorgestellt. Nun führt die 19-Jährige den Hellmese-Hof, füttert Schafe, steht im Hofladen und organisiert das Lebenswerk ihres verstorbenen Vaters Reinhard Kamp. „Keine Sekunde habe ich gezögert“, sagt sie entschlossen. „Ich möchte unbedingt den Hof im Sinne meines Vaters weiterführen. Das ist eine Herzensangelegenheit.“
Wie früher in einer Großfamilie
Der Hellmese-Hof ist weit über die Grenzen Stommelns hinaus bekannt. Seit Generationen ist der Hof mitten im Mühlenort in Familienbesitz. Reinhard Kamp hatte ihn und die dazugehörenden Felder vor mehr als 30 Jahren von seiner Tante übernommen und nach Demeter-Richtlinien geführt. Sein Traum war es, den Hof wie früher in einer Großfamilie zu bewirtschaften. Diesen Traum hat der engagierte Landwirt vor über zwei Jahren wahr werden lassen und die solidarische und ökologische Gemeinschaft „Bürger machen Landwirtschaft“ gegründet. 170 Familien gehören mittlerweile dazu, sie helfen bei der Ernte, schneiden die Obstbäume, einige scheren sogar die Schafe.
Das alles drohte im vergangenen September jäh aus den Fugen zu geraten. Reinhard Kamp starb völlig unerwartet mit 66 Jahren im Urlaub in der Provence. Marie Kamp nickt, kämpft mit den Tränen, wenn sie daran denkt. Sie war zu der Zeit auf dem Hof, kümmerte sich um die Tiere. „Die letzte Nachricht von ihm werde ich nie vergessen“, erinnert sie sich bewegt. „Er sagte: Schön, dass du da bist. Deshalb bleibe ich jetzt auch hier.“
Marie Kamp ist auf dem Hellmese-Hof groß geworden. Sie hat mit ihrem Vater als kleines Kind auf dem Feld Setzlinge gepflanzt, durfte im Hofladen das Gemüse wiegen, später brachte er ihr in den Ferien Traktorfahren bei. Nach der Trennung ihrer Eltern vor 15 Jahren zog Marie Kamp mit ihrer Mutter nach Köln, besuchte das Wirtschaftsgymnasium und wollte eigentlich nach Australien reisen und danach Modemanagement studieren. Stattdessen musste sie die Formalitäten für ihren Vater regeln, sich in die Landwirtschaft einarbeiten, Verantwortung übernehmen. „Manchmal frage ich mich schon »Wie mache ich das alles?«“, gesteht sie. „Es gibt so viele Dinge, die ich ihn noch hätte fragen wollen.“
Die junge Frau ist wieder in ihr Elternhaus auf dem Hellmese-Hof eingezogen, kümmert sich um Schafe, Kühe, Hühner und die Hofkatze. Vor kurzem wurde ein Kälbchen geboren. „Ich wollte es eigentlich Provence nennen, weil mein Vater dort gestorben ist“, verrät Marie Kamp. „Aber ich weiß noch nicht, ob ich das übers Herz bringe.“
So viele Erinnerungen sind für sie mit dem Hof, den Tieren und den Feldern verbunden. So oft denkt sie dabei an ihren Vater. Und der Hofladen, den einst ihre Mutter bewirtschaftete, liegt jetzt in ihren Händen. „Ohne Unterstützung würde ich das alles nicht schaffen“, sagt sie. Allen voran Tanja Schlote, die sich um das Projekt „Bürger machen Landwirtschaft“ kümmert, der Landwirt Karl-Heinz Betken und viele weitere Helfer und Freunde stehen hinter ihr. Für die gute Laune auf dem Hof ist seit drei Monaten Mischlingshündin Leia zuständig.
„Ganz ehrlich, Landwirtin zu sein ist eigentlich gar nicht so meins“, gesteht Marie Kamp und lacht. Aber die ökologische und nachhaltige Demeter-Philosophie ihres Vaters überzeugt auch sie: „Es soll hier nichts von dem verloren gehen, was mein Vater aufgebaut hat. Ich spüre, er sieht das von oben und ist stolz auf mich.“