Pulheim-Stommeln – Als der Thorrer Mühlenbauer Mathias Reuter Ende März 1912 eine neue Flügelwelle in die Stommelner Mühle einbauen will, kommt es zu einem Unglück. Beim Hochziehen reißt das Tragseil, und das schwere eiserne Bauteil, das oben in den Turmhelm hätte montiert werden sollen, stürzt ab. Die Schäden sind groß, nicht nur am Material. „Der Mühlenbauer zieht sich durch den auftretenden Schock ein schweres Herzleiden zu, was ihn weitgehend arbeitsunfähig macht.“
So heißt es in der Dokumentation von Gabriele Mohr und Rüdiger Hagen über die Stommelner Mühle, die nun erschienen ist. Das 50 Seiten starke Heft ist eine Publikation des Rheinischen Mühlendokumentationszentrums (RMDZ) und als ganz sachliche und wissenschaftliche Aufnahme der Mühle gedacht, die sich aber dennoch an vielen Stellen spannend liest.
Ventikantenflügel statt Segel an der Mühle
So wird vom Umbau auf die sogenannten Ventikantenflügel im Jahr 1937 berichtet, aerodynamisch konstruierte Flügel, wie sie heute etwa in moderner Form an Windkraftanlagen zum Einsatz kommen. „Vorher war die Mühle mit Segeln bespannt“, sagt Gabriele Mohr, die auch Vorsitzende des Vereins RMDZ und seit 1994 Kreisarchivarin ist.
Der Verein Rheinisches Mühlendokumentationszentrum (RMDZ) mit Sitz in Duisburg ist aus dem im Jahr 2000 gegründeten Mühlenverband Rhein-Erft-Rur entstanden. Der fokussierte sich auf den Betrieb der Gymnicher Mühle (was letztlich in der Insolvenz des Verbands und der Zwangsversteigerung der Mühle endete). Das RMDZ löste sich als eigener Verein heraus. 1119 Mühlen sind inzwischen erfasst, darunter auch „tote“ und untergegangene Mühlen. (dv)
Auch findet sich im Text eine Passage über Mühlenbaumeister Max Woite, der in der Nachkriegszeit bei der Eigentümerfamilie der Mühle in Stommeln wohnte und den alten hölzernen Sackaufzug durch einen neuen ersetzte, die er zum Teil aus der Achse eines Panzers baute. Im Februar 1860 hatte der Stommelner Gemeinderat den Neubau einer Turmwindmühle beschlossen, möglichst dicht hinter der alten Bockwindmühle. 4315 Taler waren veranschlagt. Vier Jahre später, im Februar 1864, erteilt die Königliche Regierung in Köln die Erlaubnis zur Inbetriebnahme der neuen Windmühle.
Stommelner Mühle ist zweitgrößte im Kreis
Von diesem Zeitpunkt an ist nun die Geschichte der Mühle, nach der Mühle in Grottenherten immerhin die zweitgrößte im Kreis, vom RMDZ nachgezeichnet. Die technische Dokumentation und die Rekonstruktion der Mühle in Zeichnungen hat der Mühlentechniker Rüdiger Hagen übernommen. Bei der Untersuchung der Mühle konnten die Autoren auch den schon 1862 erwähnten, aber nicht mehr vorhandenen „Gerstenschälgang“ rekonstruieren – es stellte sich heraus, dass es sich schon rein von den technischen Gegebenheiten nur um einen kleinen Kollergang gehandelt haben muss. Bei einem Kollergang stehen die Mühlsteine senkrecht nebeneinander anstatt aufeinander zu liegen.
Und tatsächlich findet sich noch ein dazu passender Stein, der in der Toreinfahrt der Stommelner Mühle lehnt. „Interessanterweise befinden sich wesentliche Teile eines solchen Kollergangs noch in gleicher Einbauweise in der Windmühle im benachbarten Brauweiler“, sagt Mohr. „Auch an der nicht weit entfernten Windmühle in Grottenherten lehnen noch ähnlich kleine Läufersteine eines Kollergangs.“
Bei vielen Mühlen in der Umgebung seien Gerstenschälgänge nachweisbar, haben die Autoren herausgefunden, in anderen Regionen kommen sie nur sehr selten vor. Gabriele Mohr und Rüdiger Hagen schließen daraus, dass kleine Kollergänge zum Schälen von Gerste „eine regionale Eigenart hiesiger Mühlen“ waren. Gerste sei als Zusatz zu anderen Lebensmitteln wie Grützwurst oder eben als Braugerste verwendet worden. „Zur Zeit der Erbauung der Stommelner Mühle blühte das Brauereigewerbe in der rheinischen Region sehr stark auf“, sagt Mohr.