Pulheim-Stommeln – Im Heimatmuseum im Mühlenort gibt es Dinge zu bestaunen, die nicht alltäglich sind. „Es sind Gegenstände, Geräte aus vergangenen Tagen unserer Vorfahren, die den Alltag mit neuen Erfindungen, ob für die Arbeit oder das Freizeitvergnügen, erleichterten und verschönerten“, sagt Albert Kandels, Vorstandsmitglied im Verein der Freunde und Förderer des Heimatmuseums.
Eines dieser alten Schätzchen in den Räumen am Kattenberg 5-7 lässt das Herz des Elektromeisters im Ruhestand höher schlagen. Die Rede ist von einem Klavier der besonderen Art – einem Phonola. „Aus einem herkömmlichen Klavier ein Phonola zu bauen, also einen Musikapparat, der ohne menschliches Zutun Musik wiedergibt, war eine Ingenieurleistung erster Klasse“, schwärmt der Stommelner. Chemische Erzeugnisse wie etwa PVC, biegsame Schläuche, Muffen, Anschlussnippel und dergleichen mehr habe man zur Erbauerzeit nicht gekannt. „Es war feinste Handarbeit angesagt.“
Tanzsaal zum Kino umfunktioniert
Die Dresdner Firma Ludwig Hupfeld hat das Instrument 1907 gebaut, „so lesen wir es auf dem Typenschild im Inneren des Phonolas“. Sie sei in Europa führend in der Fabrikation der Phonolas gewesen. „Sie stellte auch die Notenrollen, gelochte Papierbänder, her, die man zu jedem Film kaufen konnte“, weiß Albert Kandels. Film ist das Stichwort, das verrät, warum das Phonola, das schon einen „modernen Elektromotor“ hatte, „um etwa 1925 oder etwas später“ seinen Weg in den Mühlenort fand. „Es stand jahrelang im Stommelner Lichtspielhaus.“
Recherchen des Stommelner Historikers Josef Wißkirchen belegen, dass die Kinowelt 1925 in die damalige Gaststätte „Kölner Hof“ am Josef-Gladbach-Platz Einzug gehalten habe. „Der kleine Tanzsaal wurde zum Filmeschauen umfunktioniert.“
Konkurrenz vom Rundfunk
Von dem Phonola habe Clemens Silvester Heß, ein Stommelner Urgestein, der das Lokal 1928 übernommen und in „Jägerhof“ umbenannt habe, regen Gebrauch gemacht. Lange bestand das Stommelner Lichtspielhaus allerdings nicht. „Leider bekam das Kino Ende der 1920er-Jahre Konkurrenz vom Rundfunk. In Köln wurde 1923 die erste Radiosendung in Europa ausgestrahlt. Die Industrie wartete mit Radio-Apparaten auf und erfand dazu noch die Schallplatte, die man zu Hause abspielen konnte.“ Der Zweite Weltkrieg tat ein Übriges – „er legte das Kino praktisch lahm“.
Zum Neubeginn nach dem Krieg schlug die Stunde des Phonolas, „es erlebte eine Renaissance“. Das gute alte Stück wurde vom Kinosaal in die Gaststätte versetzt und mit einem Selbstbedienungsautomaten ausgerüstet, so Albert Kandels. „Das war ein separates Gerät, das an die Wand montiert wurde. Es wurde elektrisch mit dem Phonola verbunden.“
Elektromotor für die Luftversorgung
Ein solches Gerät sei heute noch in dem Lokal Klimperkasten in Köln zu sehen, es hänge dort an der Wand. „Für fünf Groschen konnte man drei Titel wählen, die das Phonola dann abspielte.“ Die Wirtin Frau Heß, von vielen die „Mamm“ genannt, habe den Automaten bedient und streng darüber gewacht, dass Songs, die der Jugendreife entsprachen, gespielt wurden. In den 1950er-Jahren habe Josef Heß, der Vater von Clemens Silvester, das Klavier an den beliebten Treibjagd-Abenden erklingen lassen. „Er verstand es, den Jägerfreunden Lieder zu präsentieren, die fröhliche Stimmung erzeugten und gut ankamen.“
In den heutigen Zustand wurde das Instrument Ende der 1960er-Jahre versetzt. Clemens Heß junior „ließ das Innenleben, die Notenrollen, entfernen. Sie befanden sich im Klanggehäuse, dort, wo jetzt die Anschlagshämmerchen sind. Auch die Übertragungstechnik auf die Hämmerchen wurde entfernt“. Erhalten geblieben sei die Originaltechnik im Fußraum aus der Erbauerzeit für die Luftversorgung – „ein Elektromotor der ersten Stunde, der mit dem aus Rundleder bestehenden Riemenpaar den doppelläufigen Blasebalg antreibt“.
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Seinen letzten Umzug hat das Phonola 1971 erlebt. „Per Hubsteiger wurde es durch ein im ersten Stock gelegenes Fenster zu seinem neuen Bestimmungsort im Heimatmuseum gehievt.“ Es gebe immer wieder Besucher, die versuchten dem alten Instrument bekannte Melodien zu entlocken. „Das macht mir Freude.“
Das Heimatmuseum im Obergeschoss des Feuerwehrhauses, Kattenberg 5 - 7, ist jeden ersten Sonntag im Monat jeweils von 14.30 bis 17 Uhr geöffnet. Erstmals nach dem monatelangen Lockdown ist ein Besuch am 4. Juli möglich.