Solidarität und SymbolAktionsbündnis protestiert in Lützerath
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Erkelenz-Lützerath – Mit der Zusage, den denkmalgeschützten Hof des standhaften Landwirts Eckardt Heukamp fürs Erste nicht anzutasten und zumindest vorerst auf weitere Abriss-, Räumungs- und Rodungsarbeiten in Lützerath zu verzichten, hatte der Energiekonzern RWE im Vorfeld etwas Dampf aus dem Kessel genommen. Das hielt die Kohlegegnerinnen und Kohlegegner gestern aber nicht davon ab, in Massen in das bedrohte Dorf am westlichen Rand des Tagebaus Garzweiler zu strömen.
Ihr mit mehreren Kundgebungen garnierter Demonstrationszug bildete den Höhepunkt des noch bis Mittwoch laufenden „Unräumbar“-Festivals und war gleichzeitig die größte Protestaktion, die der nur noch von wenigen Menschen bewohnte Ort bisher erlebt hat. Zum Protest aufgerufen hatte ein von „Fridays for Future“, „Greenpeace“, „Alle Dörfer bleiben“, „Lützerath lebt“ und weiteren Gruppen gebildetes Aktionsbündnis.
„Diese Solidarität tut einfach gut"
Die Veranstaltenden sprachen am späten Nachmittag von 5000 Teilnehmerinnen und Teilnehmern; die Polizei hatte zuvor 2500 Menschen angegeben. Zu diesem Zeitpunkt waren allerdings zahlreiche Protestierende noch unterwegs zum Kundgebungsort. Viele, die aus allen Himmelsrichtungen mit dem Auto angereist waren, mussten die letzten Kilometer zu Fuß absolvieren, denn die Zufahrtsstraßen waren weiträumig abgesperrt.
„Jedenfalls sind unglaublich viele Menschen gekommen, um mich im Kampf um meinen Hof zu unterstützen und um unser Dorf vor der Zerstörung zu verteidigen. Diese Solidarität tut einfach gut; dafür bin ich sehr dankbar“, freute sich Eckardt Heukamp mit Blick auf die große Menschenmenge.
Der letzte Lützerather Landwirt wehrt sich seit Jahren juristisch gegen seine Enteignung und ist längst zu einer Symbolfigur für die Anti-Kohle-Bewegung im rheinischen Revier geworden. Bis Anfang Januar wird nun ein Urteilsspruch des Oberverwaltungsgerichts Münster darüber erwartet, ob RWE den Hof für den Kohleabbau in Anspruch nehmen darf.
Ein breites Bündnis will für den Ort kämpfen
„So oder so: Wir sind hier, um Lützerath zu verteidigen. Denn auch hier entscheidet sich, ob das 1,5-Grad-Klimaziel noch erreicht werden kann. Und wir werden auch im November, im Dezember und im Januar hier sein und dafür sorgen, dass Lützerath bleibt“, rief die prominente „Fridays for Future“-Aktivistin Carla Reetsma in die Menge. Sie gehörte zu den Hauptrednerinnen und -rednern der Auftaktkundgebung am Hof von Eckardt Heukamp und übte in ihrer Rede scharfe Kritik an den Regierenden der großen Industriestaaten. „Die selbsternannten Anführerinnen und Anführer machen auch jetzt bei der Weltklimakonferenz in Glasgow wieder große Versprechungen, um anschließend wieder alles zu verwässern und zu relativieren“, so Reetsma, „auf diese Schönrederei dürfen wir uns nicht verlassen. Überschwemmungen und Hitzewellen sind jetzt schon für viele Menschen die Hölle, und es wird noch viel schlimmer, wenn wir uns nicht mit aller Kraft wehren und den Kampf für eine klimagerechte Welt fortsetzen.“
Die Kundgebung mit anschließendem Marsch zum bereits abgebaggerten Dorf Immerath war eine von vielen Aktionen im Rahmen des „Unräumbar“-Festivals. Unter anderem hatten „Greenpeace“-Aktive am frühen Morgen mit behördlicher Genehmigung als symbolische Schutzlinie für Lützerath ein 150 Meter langes Feuerband entzündet. Der bekannte Künstler Thomas Baumgärtel verzierte Heukamps Hof am Nachmittag mit einer seiner Sprühbananen und erklärte das Anwesen feierlich zum erhaltenswerten Ort der Kunst.
In den Demonstrationszug reihten sich in weißen Maleranzügen auch rund 300 Aktivistinnen und Aktivisten des für ihre Aktionen des zivilen Ungehorsams bekannten Bündnisses „Ende Gelände“ ein. Ein Teil der Gruppe stürmte am späten Nachmittag von Immerath aus in Richtung Tagebau und blockierte einen Bagger in der Nähe der Abbruchkante.