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KerpenVerurteilter Pfarrer leitete trotz Kontaktverbots des Erzbistums Köln Kindergottesdienste

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Der Windecker Pfarrer, der Sturmhaube und verspiegelte Brille trug, mit seinem Verteidiger im Trenchcoat auf dem Weg in den Verhandlungssaal des Landgerichts Deggendorf.

Der Windecker Pfarrer, der Sturmhaube und verspiegelte Brille trug, mit seinem Verteidiger Christoph Grabitz auf dem Weg in den Verhandlungssaal des Landgerichts Deggendorf.

Der heute 66-jährige Geistliche wurde in Windeck in Rhein-Sieg in der Kinder- und Jugendarbeit eingesetzt. Eine Kontrolle stelle eine große Herausforderung dar, so das Erzbistum.

Über den Pfarrer, der bis zu seiner Entpflichtung im Januar 2023 in Windeck arbeitete und der im niederbayrischen Deggendorf verurteilt worden ist, weil er während zweier privater Radtouren sexuelle Handlungen an einem Messdiener vorgenommen hat, werden immer mehr Details bekannt.

Obwohl dem Priester bereits 2010 vom Erzbistum ein Kontaktverbot zu Kindern und Jugendlichen auferlegt wurde, setzte man ihn in der Arbeit mit Minderjährigen ein. So war er in Windeck aktiv in der Vorbereitung von Erstkommunionen und Firmungen, leitete den Firmunterricht, nahm an Ausflügen teil, hielt Familiengottesdienste und Schulgottesdienste an der Grundschule ab und nahm auch die Beichte ab.

Lange war der 66-Jährige auch als Diakon in Buir tätig. Sein Schwerpunkt: die Kinder- und Jugendarbeit. Der verurteilte Priester betreute Ministranten in Blatzheim, Buir und Manheim. In Buir führte er einen Wortgottesdienst für Kinder ein, um sie für die Lehren der katholischen Kirche zu begeistern. Von 1997 bis 2005 gewann die Gemeinde etwa 50 Ministranten aus der Kindergruppe des Wortgottesdienstes. Auch Messdienerfahrten und Zeltlager begleitete er häufig.

Ob Kinder und Jugendliche in Buir ebenfalls von Missbrauch durch den 66-Jährigen betroffen sind, ist noch unklar. Nach Angaben von Ortsvorsteher Markus Frambach setzen sich der Kirchengemeindeverband und der Ortsausschuss St. Michael bereits mit dem Thema auseinander.

Rhein-Sieg: Mutter zeigt sich entsetzt über mangelnde Kontrolle

In der Redaktion meldeten sich Eltern, deren Töchter der Geistliche noch 2019 und 2020 auf die Kommunion vorbereitete. Entsetzt zeigte sich die Mutter nicht nur über die Tat, für die der Pfarrer nun verurteilt wurde, sondern auch über „die mangelnde Kontrolle seitens der zuständigen Vorgesetzten. Die katholische Kirche setzte damit Kinder und Jugendliche wissentlich einer Gefahr aus“.

Für sie sei dies ein „erschütternder Vertrauensbruch“ und nicht nachvollziehbar, dass „dieser Mann trotz seiner Vorgeschichte im Umgang mit Kindern und Jugendlichen und daher rührender Auflagen seitens der katholischen Kirche weiterhin in der Kinder- und Jugendarbeit tätig sein konnte.“

Vorgesetzter des Pfarrers setzte sich offenbar über Verbot hinweg

Im Jahr 2010 sei aufgrund einer Meldung beschlossen worden, den betreffenden Priester nicht mehr in der Kinder- und Jugendarbeit einzusetzen, teilte eine Sprecherin des Erzbistums auf Anfrage mit. „Der Beschluss wurde seitens des Erzbistums allen Einsatzorten des Pfarrers mitgeteilt.“

Darüber setzte der damalige Vorgesetzte des nun verurteilten Pfarrers sich offenbar hinweg und ließ ihn die Kinder- und Jugendarbeit in der Gemeinde zu großen Teilen übernehmen, bis der Vorgesetzte 2020 in Rente ging. Kontrolliert wurde die Arbeitseinteilung seitens des Erzbistums offenbar nicht, das zugibt: „Die Kontrolle von Auflagen stellt immer eine große Herausforderung dar.“

Im sogenannten Gercke-Gutachten, der 2021 vom Kölner Strafrechtsexperten Björn Gercke und seiner Kollegin Kerstin Stirner herausgegebenen Untersuchung zum Umgang mit sexueller Gewalt im Erzbistum Köln, seien entsprechende Verbesserungen angemahnt worden, so die Sprecherin des Erzbistums weiter. Daraufhin sei die „Kommission zur Kontrolle beschuldigter und straffällig gewordener Kleriker im Erzbistum Köln“ ins Leben gerufen worden, die Ende 2021 ihre Arbeit aufgenommen habe.

Gegen ehemaligen Windecker Pfarrer läuft kirchenrechtliches Verfahren

„Vorrangiges Ziel war und ist dabei, die Betroffenen zu schützen und weitere Taten zu verhindern. Es bedarf aber immer einer ständigen Überprüfung, inwieweit der Schutz von Kindern und Jugendlichen weiter verbessert werden kann“, sagt die Sprecherin des Erzbistums.

Das in Deggendorf gefällte Urteil – eine Freiheitsstrafe von eineinhalb Jahren, die zur Bewährung ausgesetzt wurde – ist noch nicht rechtskräftig. Gegen den 66-Jährigen läuft außerdem noch ein kirchenrechtliches Verfahren.