Ehemaliges WöchnerinnenheimIm Haus Mödrath gab es jedes Jahr ein neues Christkind

In der Burg Mödrath war in den 20er-Jahren ein Wöchnerinnenheim (r.) untergebracht.
Copyright: Fratz, Kreisarchiv
Kerpen-Mödrath – Ein echtes Baby als Jesuskind in der Krippe, das gab es in den Vorkriegsjahren in der Burg Mödrath alle Jahre wieder. In dem Haus war von 1925 bis 1932 das Kreiswöchnerinnenheim untergebracht, und das jeweils vor Weihnachten letztgeborene Kind wurde in der Hauskapelle zur Feier der Heiligen Nacht neben Ochs und Esel in den Stall gelegt.
Diese Geschichte weiß Rita Löffel zu erzählen. Ihre Mutter, damals hieß sie Klara Esser, war als Säuglingsschwester im Heim tätig und hat ihrer Tochter oft von dem lebendigen Christkind erzählt. Klara Esser kam 1910 zur Welt und arbeitete bis 1932 in der Burg, später als Kinderfrau bei einer Horremer Geschäftsfamilie. Im Zuge der tagebaubedingten Umsiedlung ihres Wohnortes Boisdorf, eines Nachbardorfs von Mödrath, zog die dann verheiratete Klara Kawaters nach Sindorf, wo sie 1995 starb.

Viele Säuglingsschwestern waren in der Burg tätig.
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„Meine Mutter hat auch erzählt, dass viele Mütter wollten, dass sie Patin wurde. So wurden in der Zeit viele Kinder auf den Namen Klara getauft“, erzählt Rita Löffel (79), die in Horrem lebt und viele Jahre lang im Amt Horrem und später bei der Stadt Kerpen gearbeitet hat.
Die ersten Gebäude mit Strom
Erbaut wurde Haus Mödrath, das von den Einheimischen „Burg“ genannt wurde, 1830 westlich des alten Mödrath in den Erftauen von dem Kaufmann Arend, Besitzer der Mödrather Mühle, in der er eine Farbmühle und eine Nadelfabrik betrieb. Anfang des 20. Jahrhunderts waren Burg und Mühle die ersten Gebäude im Kreis Bergheim, die über Strom verfügten.
1920 beschloss der Kreistag um Landrat Karl Sieger, das Haus und die umliegenden etwa 120 Morgen Wiesengrund „an der schönsten Stelle des Erftlandes“ (Bergheimer Zeitung, 2. Mai 1920) vom damaligen Besitzer Viktor Rolff zu pachten. Nachzulesen ist die Episode des Hauses als Geburtsstation in einer Abhandlung, die der Bergheimer Heimathistoriker Helmut Schrön im aktuellen Jahrbuch des Bergheimer Geschichtsvereins veröffentlicht hat.
Den hat auch Rita Löffel gelesen und dem Autor von den Erzählungen ihrer Mutter berichtet. Oberhebamme war bis zur Schließung des Heims Schwester Elisabeth Nagel. Betrieben wurde das Haus, das über 21 Betten verfügte, von den Dernbacher Schwestern, die auch das Bergheimer Maria-Hilf-Krankenhaus betreuten. „Hier finden hoffende Frauen in ihrer schweren Stunde Zuflucht und sachgemäße Pflege, sind umgeben von peinlichster Sauberkeit, Hygiene, Licht und Luft, erhalten die ihrem Zustande zuträgliche Nahrung“, heißt es in dem Bericht weiter.
Heute ein Museum
Mehr als 250 Kinder wurden jedes Jahr in Haus Mödrath geboren, darunter Karl-Heinz-Stockhausen, der Komponist und Pionier der elektronischen Musik, und der spätere Bergheimer Bürgermeister Willi Schmitt.
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1932 wurde das Heim geschlossen, weil das Geld knapp wurde. Ab 1934 war es Sitz der Gebietsführerschule der Hitlerjugend. 1935 kaufte Graf Clemens Beißel von Gymnich das Haus, die Führerschule wurde aufgelöst, der Graf, der auf der Burg wohnte, führte dort kommissarisch eine Kölner SA-Reserve-Standarte, wie Schrön erforscht hat. Von 1945 bis 1949 lebten Flüchtlingsfamilien in der Burg, dann diente sie als Kinderheim des Malteser-Ordens, ab 1961 als Heim für junge türkische Arbeiter, bevor Herbert Hillebrand Anfang der 80er-Jahre mit seiner Firma dort einzog. Heute hat das Haus einen neuen Besitzer, in den oberen Stockwerken werden in den „Räumen für Kunst“ wechselnde Ausstellungen gezeigt.
Was aus dem letzten Mödrather Christkind geworden ist, das jetzt 90 Jahre alt würde, ist nicht überliefert.