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Psychologisches Gutachten kommtHürther Thallium-Prozess – „Die Anklage ist verrückt“

Lesezeit 2 Minuten
Man sieht eine behandschuhte Hand, die eine kleine Glasflasche auf einen Tisch stellt.

Eine Flasche mit Rattengift aus Thallium.

In einer ersten Wiedergabe diagnostizierte der Psychologe „keinen auffälligen Befund“.

Wie tickt der Krankenpfleger, der seine Ehefrau, die schwangere Freundin und deren Großmutter mit Thallium vergiftet haben soll? Seit Prozessbeginn vor sechs Monaten hat der Mann vor dem Kölner Landgericht geschwiegen und sich jetzt erstmals gegenüber einem psychiatrischen Sachverständigen geöffnet: auf Anraten seiner Verteidiger, die hoffen, bei einer Verurteilung wegen mehrfachen Mordes mit einer Einschränkung der strafrechtlichen Verantwortlichkeit der drohenden Sicherungsverwahrung zu entkommen. Denn im vorläufigen Gutachten war Psychiater Philipp Massing von einer 100-prozentigen Schuldfähigkeit ausgegangen. Er hatte keine Hinweise für psychisch relevante Auffälligkeiten gesehen.

Hürther Thallium-Prozess: Einen Dritten ins Spiel gebracht

Der Angeklagte hat auch gegenüber dem Sachverständigen seine Unschuld beteuert: „Die Anklage ist verrückt. Ich bin in keiner Weise an der Vergiftung beteiligt.“ Der Umstand, dass in seiner Jackentasche eine Dose mit Thallium gefunden worden war, hielt er entgegen: „Die Jacke habe ich schon längere Zeit nicht mehr getragen. Wer weiß, wo noch in dem Haus Thallium herumfliegt.“ So stellte er die Täterschaft eines unbekannten Dritten in den Raum.

Auch gegenüber dem Psychiater wurde der Krankenpfleger nicht müde, „die besondere emotionale Beziehung zu Britta und Theres“, zwei seiner Opfer, herauszustellen. „Diese Partnerschaften waren für ihn existenziell“, hob Massing hervor. Seine Frau Britta starb, Theres überlebte – deren Großmutter jedoch nicht.

Hürther Thallium-Prozess: Sechsstündiges Gespräch

Als der Gutachter den Krankenpfleger auf eine Erklärung der beiden Todesfälle ansprach, erhielt er zur Antwort: „Ich bin nicht der Täter, kann dazu nichts sagen.“ Er habe seine Frauen immer schützen wollen, „damit niemand ihnen Schaden zufügen kann“. Dass er seit Jahrzehnten die Dienste von Prostituierten in Anspruch nimmt, begründete der Angeklagte mit seinem „Interesse an anonymer Sexualität“. Wichtig sei ihm gewesen, „nicht kommunizieren zu müssen“. „Ich habe es genossen, mich hinterher aber jedes Mal geschämt“, sagte der Hürther.

Sechs Stunden hatte der Gutachter mit dem Angeklagten geredet. Am 22. Verhandlungstag gab Massing den Inhalt der Untersuchung wieder, ohne Interpretation oder Diagnostik. Allerdings gab er vorweg zu Protokoll, dass seine Exploration „keinen auffälligen psychopathologischen Befund“ ergeben habe. Eine Bewertung seines Gutachtens soll am 14. April geschehen. Dann wird auch ein Psychologe zur Persönlichkeit des Angeklagten Stellung beziehen.