Hürth-Efferen – Es war ein Gewaltmarsch voller Qualen, Anstrengungen und großer Gefühle. „Ich werde ihn mein Leben lang nicht vergessen“, sagt Nils Schneider (30). In nur eineinhalb Monaten lief der Unternehmer aus Efferen auf dem Jakobsweg 1115 Kilometer – von Köln zunächst bis Trier und dann von Pamplona bis nach Santiago de Compostela.
„Durchnässt, glücklich und völlig am Ende meiner Kräfte bin ich, überwältigt von all den Gefühlen, am Ziel erst einmal aufs Straßenpflaster gesunken und habe drei Stunden nur geheult“, gesteht Schneider. Es war die Tour seines Lebens. „Dass ich das wirklich schaffe, hatte ich mir ja selber nicht zugetraut.“
Mit einer Vorlaufzeit von nur drei Tagen von der Idee bis zum Abmarsch zog Nils Schneider am 17. September in neuen Turnschuhen und mit zwölf Kilogramm Gepäck auf dem Rücken los. „Ich wollte einfach einmal über mich und mein Leben nachdenken“, erklärt er seine Motivation. Das Einmannzelt habe er sich eigens für die Tour gekauft. Doch oft habe er darin nicht geschlafen. Zwischen Köln und Trier übernachtete er meist in Pensionen und Hotels. Doch bei durchschnittlich 70 Euro pro Nacht habe er schnell ausgerechnet, dass seine Ersparnisse so nicht reichen würden, zumal er sich schon nach 150 Kilometern, bei Prüm, vernünftige Wanderschuhe habe kaufen müssen. In den Turnschuhen weiterzulaufen, das sei unter gar keinen Umständen gegangen. „Die Blasen an den Füßen waren schon so groß wie Zweieurostücke“, berichtet er anschaulich.
In Trier angekommen, sei er mit dem Zug nach Paris und von dort mit dem Bus weiter nach Pamplona gefahren, um seine Pilgertour von da aus fortzusetzen. „Dort entlang des Jakobsweges gibt es Pilgerstätten, wo man in einfachen Mehrbettzimmern für zehn bis zwölf Euro schlafen kann“, erzählt er. Bald schon habe er deswegen auch sein Zelt und die Isomatte per Post nach Hause geschickt.
Schmerzen im Fuß: Drei Tage keinen Schritt gemacht
Die Füße hätten ihn trotz oder vielleicht auch wegen der neuen Wanderschuhe die ganze Tour über geplagt. Zeitweise hätten sie ihm so sehr geschmerzt, dass er drei Tage keinen Schritt habe machen können. „An anderen Tagen war ich froh, wenn ich fünf bis sieben Kilometer geschafft habe.“
Unterwegs sei er mit sich im Monolog gewesen. „Ich habe viel über die Familie, die Freunde und über meine Arbeit nachgedacht.“ Und mit jedem Schritt seien die Probleme kleiner und unbedeutender geworden. „Irgendwann hatte ich mich mit mir restlos ausgesprochen – da war der Kopf frei für Neues“, berichtet er. Unterwegs gewesen sei er meisten zwischen 7 und 17 Uhr. So habe er abends noch Zeit für einige Einkäufe gehabt, um sich ein Essen zubereiten zu können.
Unterwegs habe er tolle Menschen kennen gelernt. „Der Jakobsweg ist international“, sagt Schneider und gerät ins Schwärmen. Er habe Franzosen, Japaner und Brasilianer getroffen. „Am meisten hat mich beeindruckt, dass nur ganz wenige Jakobspilger aus religiösen Gründen unterwegs zu sein scheinen.“ Viele, mit denen er gesprochen habe, seien gepilgert, um eine Erfahrung mit sich selbst machen. „Man unterstützt sich gegenseitig und wird für die Zeit der gemeinsamen Wallfahrt zu Seelenverwandten“, beschreibt Nils Schneider den besonderen Zusammenhalt der Pilgernden. Abends nach dem Essen rede man noch ein bisschen, schlafe dann aber auch ziemlich schnell ein. Die Erschöpfung fordere ihren Tribut.
Was genau der Auslöser dafür war, dass er auf seiner letzten Etappe 108,4 Kilometer am Stück ohne Übernachtung bis nach Santiago de Compostela lief, kann er nicht sagen. „Geplant hatte ich das wirklich nicht, die Idee kam mir ganz spontan.“
Trotz aller Strapazen, Plagen und Schmerzen, gelohnt habe sich die Wallfahrt auf jeden Fall, versichert der 30-Jährige. „Es gibt so vieles, was man gar nicht braucht.“ Was ihn betreffe, so habe er die Erfahrung gemacht, dass es zum Beispiel auch ohne Smartphone, Facebook und Netflix gehe und dass das Leben ohne Social Media sogar viel schöner sein könne.