Christian Schubert wirbt im Wahlkreis 91, zu dem Brühl, Erftstadt und Wesseling gehören, für grüne Ideen. Er tritt zum ersten mal im Bund an.
Bundestagswahl 2025Schubert (Grüne) aus Erftstadt: „Wir Politiker müssen das Vertrauen wiederherstellen“
![Auf dem Foto ist Christian Schubert von den Grünen im Gespräch zu sehen.](https://static.rundschau-online.de/__images/2025/02/14/02c60c6e-c97e-463a-9545-c191456bbbbc.jpeg?q=75&q=70&rect=0,224,2500,1406&w=2000&h=1334&fm=jpeg&s=ff61da5357f6f36cb3d65e132034964e)
Christian Schubert (Mitte) im Gespräch dem grünen Landesvorsitzenden Tim Achtermeyer (r.) und Dr. Franz-Georg Rips von der MÜNCH-Stift-APZ GmbH
Copyright: Michael Breuer
Am 23. Februar sind rund 350.000 Wahlberechtigte zwischen Bedburg und Wesseling aufgerufen, ihre Stimme bei der Bundestagswahl abzugeben. In den beiden Wahlkreisen des Rhein-Erft-Kreises bewerben sich 17 Kandidaten um ein Direktmandat. Der Wahlsieg in einem der Wahlkreise wird voraussichtlich für einen Einzug in den Bundestag reichen. Wir stellen die Bewerber vor – diesmal Christian Schubert, der im Wahlkreis 91 (Erftstadt, Brühl, Wesseling und Kreis Euskirchen) für die Grünen antritt. Die Fragen stellte Jörn Tüffers.
Wann haben Sie begonnen, sich für Politik zu interessieren? Gab es eine Initialzündung?
Das war 2016 zur US-Wahl, in der sich am Ende Donald Trump gegen Hillary Clinton durchgesetzt hat. Eine Schulfahrt zur Gedenkstätte in Ausschwitz im Jahr 2018 hat mich dann endgültig dazu motiviert, mich politisch zu engagieren. Die Berge an Haaren und der Schuhe der Ermordeten, haben sich tief in meinen Kopf eingebrannt. Auch ein Gespräch mit dem mittlerweile verstorbenen Holocaust-Überlebenden Karol Tendera hat mir verdeutlicht, dass unsere Demokratie keine Selbstverständlichkeit ist und Tag für Tag durch Engagement belebt werden muss.
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Ich habe mir dann ein Jahr Zeit genommen, mich intensiv über alle demokratischen Parteien zu informieren. Der Dreiklang aus Ökonomie, Ökologie und Sozialem sowie der klare Wertekompass, hat mich schlussendlich zu den Grünen und in die Kommunalpolitik gebracht.
![Die Flut 2021 in Erftstadt-Blessem hatte einen Erdrutsch ausgelöst.](https://static.rundschau-online.de/__images/2025/02/14/69b8c56b-89ed-454e-9369-52169701bc39.jpeg?q=75&q=70&rect=0,0,3137,1765&w=2000&h=1168&fm=jpeg&s=b47c8cd2d9fbbaffe29b437c8a302377)
Die Flut 2021 in Erftstadt-Blessem hatte einen Erdrutsch ausgelöst.
Copyright: IMAGO/Reichwein
Welches politische Ereignis hat Sie in den vergangenen Jahren am meisten bewegt/berührt?
Die Flutkatastrophe im Juli 2021. Menschen sind gestorben, die materiellen Schäden sind immens und noch heute werden viele nervös, wenn es tagelang regnet und die Pegel der Flüsse immer weiter steigen. Egal welchen Bereich wir uns anschauen, wir waren nicht auf ein solches Ereignis vorbereitet. Seitdem wurden zwar viele Schritte, gerade im Katastrophenschutz, unternommen, doch die Prozesse hin zu mehr Hochwasserschutz dauern zu lange. Ich setze mich dafür ein, dass Hochwasserschutzmaßnahmen als überragendes öffentliches Interesse eingestuft werden, um Planungs- und Umsetzungszeiträume deutlich zu verkürzen. Beim Klimaschutz dürfen wir nicht zurückfallen.
Wenn ich trotzdem etwas Positives aus der Katastrophe ziehe, dann ist es der Zusammenhalt der Menschen. Einsatzkräfte, tausende freiwillige Helfende und insbesondere Landwirtinnen und Landwirte haben Außerordentliches geleistet. Wir haben uns in dieser Krisenzeit nachbarschaftlich untergehakt. Von diesem Zusammenhalt brauchen wir mehr.
Welcher lebende Politiker/welche lebende Politikerin imponiert Ihnen? Welcher hat Sie geprägt?
Norbert Lammert. Der ehemalige Bundestagspräsident hat es immer geschafft, die richtigen Worte zu finden. Kaum ein Politiker hat ein so hohes Ansehen über alle Parteigrenzen hinweg. Er hat sein Amt und die damit einhergehenden Pflichten immer über Parteiinteressen gestellt. Damit hat er den Deutschen Bundestag und unseren deutschen Parlamentarismus aufgewertet. Er hat immer wieder über die Bedeutung von Minderheitenrechten in einer Demokratie gesprochen. Ich kenne kaum eine Person, die ihre Worte so mit Bedacht wählt wie er. Ihm könnte ich stundenlang zuhören.
Welcher Politiker hat am meisten für den Rhein-Erft-Kreis geleistet?
Dr. Bernhard Worms. Er war über Jahrzehnte engagiert für seine Heimat und unseren Kreis. Als Kommunalpolitiker, erster ehrenamtlicher Landrat im damaligen Erftkreis, 20 Jahre als Landtagsabgeordneter und als Staatsekretär unter Norbert Blüm hat er sein Leben den Menschen in unserer Region gewidmet. Er war einer der Gründungsväter der Kommunalen Gebietsreform, die unseren Staat modernisiert hat. Doch er war mehr als ausschließlich ein Politiker. Er hat sich in einer Vielzahl von Vereinen leidenschaftlich vor Ort eingesetzt. Dieses Engagement müssen wir anerkennen und wertschätzen. Bernhard Worms hat sich um seine Heimatstadt Pulheim, unseren Kreis und seine Partei verdient gemacht. Leider ist er im Dezember im Alter von 94 verstorben.
Wie erklären Sie jemandem in Berlin, was der Rhein-Erft-Kreis ist?
Zuerst würde ich die Lage zwischen Köln, Bonn und Aachen erklären. Aber der Rhein-Erft-Kreis muss sich in unserer Region nicht verstecken. Unsere zehn Städte überzeugen in ihrer Unterschiedlichkeit mit einer vielfältigen Prägung: Historische Bauten, Industrie, Landwirtschaft, Handwerk, Handel und Natur. Der Kreis befindet sich mitten im Strukturwandel auf dem Weg zu einer modernen und zukunftsfähigen wirtschaftlichen Vorzeigeregion. Hier sind noch viele Aufgaben anzupacken.
Doch was unsere Region ausmacht, sind die Menschen und unsere rheinländische Art. Es ist einzigartig, welches ehrenamtliche und soziale Engagement jeden einzelnen Tag gelebt wird. Ob es die Freiwillige Feuerwehr ist, soziale Vereine und Verbände, Sportvereine, Kulturvereine – diese Liste könnte ich lange fortführen: Sie machen unsere Gemeinschaft aus. Gerade jetzt im Karneval stehen wir trotz aller Unterschiedlichkeit zusammen und schunkeln. Wenn ich also die Frage kurz beantworten müsste, würde ich sagen: Mein Zuhause, wo ich mich wohlfühle.
Was wollen Sie als Abgeordneter in Berlin für den Rhein-Erft-Kreis erreichen?
Es braucht in Berlin endlich jemanden, der die Kommunen vor Ort an erste Stelle setzt. Sie sind strukturell unterfinanziert – deutlich über zehn Milliarden Euro allein im Jahr 2024. Die Prognosen sehen immer schlechter aus. Das führt dazu, dass lokale Angebote im Bereich Jugend, Soziales, Bildung, Kultur oder Mobilität zusammengespart werden, während gleichzeitig Gebühren und Steuern massiv steigen und noch stärker steigen werden. Wichtige Investitionsprojekte in den Kommunen werden auf die lange Bank geschoben, da sie kaum finanzierbar sind. Es geht um Kitas, Schulen, Offenen Ganztag, Bäder, die Feuerwehr, Digitalisierung, Wohnraum und Mobilität.
![Christian Schubert bei einer Podiumsdiskussion in Füssenich im Kreis Euskirchen.](https://static.rundschau-online.de/__images/2025/02/14/64a52bdc-a807-4033-b790-2f4dcaf12f42.jpeg?q=75&q=70&rect=0,361,4000,2250&w=2000&h=1334&fm=jpeg&s=5584b4055356fbee2879c85246c0ed86)
Christian Schubert (Mitte) bei einer Podiumsdiskussion in Füssenich im Kreis Euskirchen.
Copyright: Tom Steinicke
Daher setze ich mich für mehr Geld vor Ort ein. Wir müssen die Unterfinanzierung beenden, um die Handlungsfähigkeit der Kommunen sicherzustellen. Immer wieder erleben wir, dass Aufgaben von Bund und Land an die Kommunen übertragen werden, allerdings ohne die für die Umsetzung notwendigen Gelder bereitzustellen.
Die Kommunen brauchen außerdem mehr Freiheit bei der Umsetzung von Bundesvorgaben, um vor Ort passende Lösungen zu finden. Wir brauchen die Kraft, eine Föderalismusreform anzupacken. Viele Projekte verlangsamen sich durch zu viele unterschiedliche Zuständigkeiten zwischen den Ebenen. Hier braucht es klarere Zuständigkeiten. Dafür sind dicke Bretter zu bohren, aber wer mich kennt weiß, dass ich mich mit Tatkraft in diese Themen reinknie.
Mit wie vielen Wählerinnen und Wählern haben Sie seit Beginn des Wahlkampfs Kontakt gehabt und wie viele werden es schätzungsweise bis zum 23. Februar sein?
Ich habe nicht mitgezählt und das ist durch unterschiedliche Formate schwer zu beziffern. Ich beantworte Mails, bekomme Nachrichten in den sozialen Medien, bin auf Podien, mache Haustürwahlkampf, bin an Wahlständen anzutreffen, besuche Bürgerinnen und Bürger, Unternehmen und Institutionen. Wenn ich alles zusammenzähle, komme ich auf mehrere tausend Menschen, die mich bis zum Wahltermin persönlich gesehen haben.
Wie würden Sie einen Nichtwähler davon überzeugen, sein Kreuz auf dem Stimmzettel zu machen?
Wer sich dazu entscheidet, nicht zu wählen, hat wahrscheinlich das Vertrauen in Parteien oder den demokratischen Prozess verloren. Deswegen ist es wichtig darzustellen, dass es einen Unterschied macht, wer regiert und dass jede Stimme zählt. Gleichzeitig müssen wir als Politik Vertrauen wiederherstellen. Dazu gehört es, die immer weiter zunehmende politische Phrasendrescherei wegzulassen – das fängt bei Interviews wie diesen an. Fragen kann man klar beantworten und muss nicht herumdrucksen.
Dazu gehört auch, Sorgen und Probleme, gerade auch bei kontroversen Themen, offen anzusprechen. Das haben wir beispielsweise im Bereich der Migration nicht ausreichend getan und Menschen haben sich in eine Ecke gestellt gefühlt. Es braucht eine andere Diskussionskultur. Als Teil einer neuen Generation versuche ich so Vertrauen zurückzugewinnen.
Wer ist besser als Kanzler geeignet: Merz oder Scholz?
Ich bin froh, dass es mit Robert Habeck eine dritte Auswahlmöglichkeit gibt. Friedrich Merz‘ gescheitertes Vorgehen um das Zustrombegrenzungsgesetz hat gezeigt: Auf sein Wort ist kein Verlass. Sein Vorgehen ist entweder damit zu erklären, dass er unüberlegt und impulsiv gehandelt hat, oder damit, dass er sich in einer politischen Strategie massiv verzockt hat. Beide Erklärungen sprechen gegen seine Eignung.
An Olaf Scholz habe ich viel Kritik. Er hat die Ampel nicht geführt, hat sich für die Bekämpfung von Kinderarmut nicht so eingesetzt, wie ich es von einem Sozialdemokraten erwarten würde, mir fehlt Selbstkritik und sein außenpolitischer Schlingerkurs verunsichert europäische Partner. Doch der eine nimmt Mehrheiten mit Verfassungsfeinden in Kauf und der andere nicht. Daher ist die Antwort auf Ihre Frage: Scholz.
![Die Wesselingerin Andrea Kanonenberg (SPD) kandidiert ebenfalls m Wahlkreis 91 für den Bundestag. Christian Schubert hält sie für kompetent, den Rhein-Erft-Kreis in Berlin zu vertreten.](https://static.rundschau-online.de/__images/2025/02/14/ec75df7c-a8bd-48a6-aad5-53358047ac8e.jpeg?q=75&q=70&rect=0,239,3616,2034&w=2000&h=1340&fm=jpeg&s=2d9fe6faa72b03fd22da410af4ef1f58)
Die Wesselingerin Andrea Kanonenberg (SPD) kandidiert ebenfalls m Wahlkreis 91 für den Bundestag. Christian Schubert hält sie für kompetent, den Rhein-Erft-Kreis in Berlin zu vertreten.
Copyright: Kathrin Höhne
Welchem Ihrer Mitbewerber würden Sie den Einzug ins Parlament gönnen und fachlich zutrauen?
Andrea Kanonenberg. Auch bei ihr stehen Kommunen an erster Stelle, sie ist konsequent in der Außenpolitik und kämpft für soziale Gerechtigkeit. Sie interessiert sich für die Menschen, hört ihnen aufmerksam zu und bezieht das in ihre Positionen ein. Ihre ruhige, sachliche Art tut jeder männerdominierten Diskussion gut. Zieht sie in den Bundestag ein, können sich alle darauf verlassen, dass sie Mehrheiten und Konsens in der demokratischen Mitte sucht. Das Abstimmungsverhalten von Detlef Seif und Markus Herbrand zeigt, bei allem Respekt für ihre parlamentarische Arbeit, dass auf sie in dieser Frage kein Verlass ist.
Mit welchem Politiker/welcher Politikerin würden Sie niemals ein Bier trinken gehen?
Bei Markus Söder könnte ich es mir schwer vorstellen. Zum einen würde er mich unter den Tisch trinken und zum anderen möchte ich bei einem Bier nicht nur politisch sprechen. Markus Söder schafft es kaum zwei Sätze zu sagen, ohne dass „Robert Habeck“ oder „Die Grünen“ fällt, um von seinen eigenen Verantwortlichkeiten abzulenken. Daher wäre das für uns beide kein schöner Abend. Aber unter Demokraten sollte man niemals „nie“ sagen.
![Auf ein Bier mit Markus Söder würde Schubert gerne verzichten.](https://static.rundschau-online.de/__images/2025/02/14/f9e8ba06-a369-48d9-8ee5-ba5bbcd2e438.jpeg?q=75&q=70&rect=0,279,4000,2250&w=2000&h=1416&fm=jpeg&s=5fef02df70bf49cf6c6fcec259b32bcb)
Auf ein Bier mit Markus Söder würde Schubert gerne verzichten.
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„Nie“ kann ich also sicher bei denjenigen sagen, die unsere Demokratie verächtlich machen. Da nach einem Namen gefragt wurde, nenne ich stellvertretend für die gesamte AfD Alice Weidel. Geschichtsrevisionismus darf keinen Platz in unserer Gesellschaft haben, womit ich wieder beim Anfang dieses Interviews bin.