Rhein-Erft Julis im Gespräch„Wir müssen Politik attraktiver für Frauen machen“
- Die Jungen Liberalen (Julis) wollen hoch hinaus.
- Sie stellen bei der Kommunalwahl im nächsten Jahr einen eigenen Kandidaten für den Kreistag.
- Im Interview haben sie erklärt, wieso junge Leute und Frauen in der Politik so wichtig sind.
Brühl – Die FDP wird weitgehend als One-Man-Show von Christian Lindner wahrgenommen. Wie wollen Sie da gegensteuern?
Kathrin Klein: Die FDP besteht natürlich aus mehreren Menschen. Aber es ist durchaus so, dass man ihn in den Medien am meisten wahrnimmt. Ich denke, dass wir da jetzt auf einem guten Weg sind, auch die anderen Gesichter in unserer Partei mehr in den Vordergrund zu stellen.
Steffan Brochhaus: Ich denke, Christian Lindner war ein guter Schachzug, um der Bevölkerung zu zeigen, dass es die FDP, gerade als wir nicht mehr im Bundestag waren, noch gibt. Jetzt, wo wir überlebt haben, können wir noch mal so richtig zeigen, wofür wir alles stehen. Und das ist eben noch viel, viel mehr.
Harald Reuter: Viele Fernsehredaktionen beispielsweise laden auch explizit nur Christian Lindner ein. Sonst höchstens noch Wolfgang Kubicki, aber das war’s dann auch leider schon.
Im Präsidium der FDP sitzen neun Männer und drei Frauen. 77 Prozent der FDP-Mitglieder sind männlich. Hat die FDP ein Frauenproblem?
Kathrin Klein: Als Frau kann ich nur sagen, dass wir durchaus wenige Frauen haben, aber wir arbeiten daran. Auch wir als Jugendorganisation haben noch einen sehr hohen Männeranteil, auch da versuchen wir, weibliche Leute anzusprechen. Ich denke, andere Parteien haben einen Vorteil, da sie sich mehr auf das Soziale fokussieren. Aber ich persönlich sehe auch in der FDP viel Potenzial für soziale Themen wie zum Beispiel den Pflegenotstand.
Die Jungen Liberalen im Rhein-Erft-kreis
Die Jungen Liberalen haben im Rhein-Erft-Kreis 42 Mitglieder. Etwa zehn davon setzen sich aktiv für die Jugendorganisation ein. Harald Reuter (34) ist der Kreisvorsitzende der Julis und kommt aus Bedburg. Kathrin Klein (22) aus Frechen ist seine Stellvertreterin. Henrik A. Müller-Pleuß (22), ebenfalls aus Frechen, ist für die Presse- und Öffentlichkeitsarbeit zuständig. Steffan Brochhaus (20) ist Bergheimer und Schatzmeister der Jugendorganisation. Wer bei den Julis mitmachen möchte, kann sich per E-Mail melden.
Ich bin selbst momentan Auszubildende in der Krankenpflege, da liegt es mir besonders am Herzen, dort eine Lösung zu finden. Wir als Junge Liberale im Kreis sind zu dem Ergebnis bekommen, dass wir eine Pflegefallpauschale einführen wollen. Momentan ist das Bezahlungssystem im Krankenhaus ja ausschließlich nach Diagnosen gegliedert. Dabei können zwei Menschen mit der gleichen Diagnose einen komplett unterschiedlichen Pflegeaufwand haben. Deshalb sollte für das Pflegebedürfnis auch ein gewisser Betrag errechnet werden, der dann direkt an die Pflege und die Pfleger geht. Wenn wir solche Themen stärker propagieren, kommen wir auch an mehr weibliche Anhänger.
Bedient das nicht gerade das Vorurteil? Die Frauen fürs Soziale und die Männer für die Wirtschaft?
Kathrin Klein: Wir haben in unserer Partei auch viele wirtschaftlich sehr engagierte Frauen, und wenn man sich mal umschaut innerhalb der Partei, sieht man das auch, allein in ihrem Lebenslauf. Wenn man sich für Wirtschaft interessiert, stößt man so oder so auf uns. Wir haben aber noch ein breiteres Spektrum, das wir bedienen können und möchten. Vielleicht kriegen wir so auch die, für die Wirtschaft jetzt vielleicht nicht das Thema Nummer eins ist.
Harald Reuter: Ich glaube, wir müssen generell auf der Kommunalpolitik-Ebene anfangen, Politik attraktiver für Frauen zu machen, damit die gesamte Politik nicht so männlich bleibt und sich mehr Frauen dafür interessieren. Wie wir das Ziel erreichen, diskutieren wir gerade. Wir haben gerade in der Mutterpartei Zielvereinbarungen definiert, dass wir mehr Frauen in Vorstandspositionen und weiteren Funktionen haben wollen. Wir haben uns da von einer strikten Quote, wie die Konkurrenten von den Grünen das zum Beispiel machen, abgegrenzt, da wir uns die Flexibilität erhalten wollen. Im Idealzustand spiegelt eine Partei genau so die Bevölkerung wider, wie es dann auch die Vorstände tun sollten. Da sind wir bei beidem noch nicht am Ziel.
Auf der Internetseite der Jungen Liberalen in Deutschland steht, dass sie nicht länger dabei zusehen wollen, wie alte Menschen über die Zukunft der jungen Generation entscheiden. Bedeutet dies im Umkehrschluss, dass junge Leute bessere Politik machen als alte?
Kathrin Klein: Nein, ich denke, beide Altersstrukturen haben ihre Vor- und Nachteile. Jüngere haben einen anderen Blick auf die politischen Themen als ältere, und wir sprechen da eben als Junge Liberale mehr die Jüngeren an. Wir haben ja auch eine Altersgrenze von 35 Jahren.
Henrik A. Müller-Pleuß: Es ist halt komisch, wenn in einer Partei plötzlich 90 Prozent der Menschen über 50 sind, die in der Politik sitzen. Mann muss ja auch Politik für Menschen machen, die irgendwann später erst ins Berufsleben einsteigen. Die sind ja in einer anderen Phase, und das wird relativ wenig bedient, finde ich.
Steffan Brochhaus: Wir wollen alle, glaube ich, noch länger auf dieser Welt bleiben. Und gerade für uns ist es noch mal eine andere Perspektive. Wer hätte vor ein paar Jahren gedacht, dass heute keiner mehr ohne Handy einen Tag übersteht? Dass sich das dann eben auch in der Politik widerspiegelt, ist unser Ziel.
Deshalb wollten wir eben nicht mehr untätig zuschauen, sondern eben etwas machen. Dass wir zwei Kandidaten der Julis auf die FDP-Liste für die Europawahl bringen konnten und mit Svenja Ilona Hahn und Moritz Körner im europäischen Parlament vertreten sind, wird vielleicht auch noch mal einen anderen Spirit für Europa mit sich bringen. Das sind Leute, die sehr wenig vom alten Europa, zum Beispiel Grenzkontrollen, mitbekommen haben und sich eher auf die Zukunft konzentrieren.
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Was bringen Sie als Junge Liberale mit in die Politik ein?
Harald Reuter: Zwei große Ziele haben wir als Julis in die Programmatik der FDP miteingebracht. Einmal die Abschaffung der Wehrpflicht, die bei uns angefangen hat, Programmatik zu werden, und dann Programm der FDP war. Zweitens erst kürzlich die Legalisierung von Cannabis, die immer wieder abgelehnt und dann auf dem FDP-Bundesparteitag nach langer Diskussion als Position angenommen wurde. Das sind so Themen, die von unten hochgekommen sind.
Auf der Internetseite steht auch, dass die Jungen Liberalen als eingetragener Verein unabhängig sind, was Ihnen die Freiheit gibt, auch andere Positionen zu vertreten als Ihre Mutterpartei. Was sind das für Positionen, die sich unterscheiden?
Harald Reuter: Häufig sind unsere Positionen ein bisschen weitergehend und progressiver als die der FDP. Das war 2009 bis 2013 ganz deutlich so mit einer alten Bundestagsfraktion, wo alte Köpfe entschieden haben und das gesamte Gesicht ein ganz anderes war, als es heute ist. Wir mussten die Partei in der Zeit der außenparlamentarischen Opposition erneuern, und das haben wir als Junge Liberale aktiv begleitet. Und jetzt ist es eine jüngere Partei geworden. Deshalb ist der Abstand bei den verschiedenen Positionen heute vielleicht nicht mehr so groß, wie er damals war.
Kommen wir zum Thema Wahlen. Die FDP kann man bei der Europawahl in diesem Jahr als kleinen Gewinner betiteln. Immerhin zwei Prozent, von 3,4 auf 5,4, konnte die Partei dort gutmachen. Warum haben Sie das geschafft und viele andere Parteien nicht?
Kathrin Klein: Zum einen sind wir große Verfechter der europäischen Union und stehen für Europa. Wir sind aber gleichzeitig nicht eingefahren in unserem Europabild. Wir möchten durchaus, dass sich Europa und die Union weiter verbessern. Gerade wir als Junge Liberale haben da auch wieder etwas andere Ansichten als gegebenenfalls unsere Mutterpartei, deswegen ist das für uns ein riesiger Gewinn, dass wir zwei aus unseren Reihen jetzt im Europaparlament sitzen haben.
Steffan Brochhaus: Ich denke, ein entscheidender Faktor war auch, dass wir uns für den Menschen einsetzen und die Rechte eines jeden Menschen stärken wollen. Insbesondere im Hinblick auf Ehe für alle und gleichgeschlechtliche Beziehungen. Da passiert leider in einigen Ländern in Europa ein Rückschritt. Zumindest wir in Deutschland haben jetzt dieses Privileg, und ich denke auch, dass viele eben wollen, dass Europa diese Vorteile allen bringt. Deswegen war dieser proeuropäische Weg, den wir gegangen sind, und den wir auch gehen wollen, die richtige Entscheidung, und die zwei Prozent haben uns das bestätigt.
Henrik A. Müller-Pleuß: Der Grundsatz der EU ist ja, dass wir Grenzen überqueren und uns niederlassen können, wo wir wollen. Das ist auch erst mal ein liberaler Gedanke ohne großartige Einschränkungen oder veraltetes Nationaldenken des Weltbildes. Wir denken gemeinschaftlich und freiheitlich.
Haben Sie schon einen Fahrplan für die Kommunalwahlen nächstes Jahr?
Kathrin Kleine: Wir werden Harald Reuter als unseren eigenen Kandidaten aufstellen und hoffen, dass er für die Julis in den Kreistag einzieht.
Harald Reuter: Ich arbeite momentan schon in der Kreistagsfraktion mit und bin sachkundiger Bürger dort. Die Vorbereitungen laufen schon an. Wir haben erste Treffen und Sitzungen abgehalten, um die Organisation zu besprechen und einen Zeitplan aufzustellen. Jetzt warten wir noch darauf, dass die Stadträte und der Kreistag die Wahlkreise zuschneiden, damit wir dann festlegen können, wann wir die Kandidaten für die Liste und die Direktwahl aufstellen.
Werden auch Junge Liberale für die Stadträte kandidieren?
Steffan Brochhaus: Ich wurde in diesem Jahr schon in unseren Vorstand in Bergheim gewählt und werde mich aus dieser Position als stellvertretender Vorsitzender auch in unserem Ortsverband zur Wahl stellen, um auf unsere Liste gesetzt zu werden. Natürlich ist es unser aller Motivation, nicht nur auf Bundes- oder europäischer Ebene, sondern auch auf kommunaler Ebene, junge Gedanken miteinfließen zu lassen und nach vorne zu bringen.