Bergheim-Quadrath-Ichendorf – Jupp Meul geht Ende des Jahres in Rente. Dann ist nach 33 Jahren Schluss mit der Arbeit im DRK-Jugendzentrum. Der Sozialarbeiter, Heilpädagoge und Mitbegründer des Vereins „FreiO“ gegen sexuelle Gewalt hat in den vergangenen Jahrzehnten die gesellschaftlichen Veränderungen unmittelbar erlebt durch die Kinder und Jugendlichen.
Pünktlich um 14 Uhr öffnet sich die schwere Flügeltür zum Jugendzentrum mit unüberhörbarem Quietschen der Angeln. Die ersten Kinder betreten den erst kürzlich grün gestrichenen Flur des einstmaligen Vereinsheim des örtlichen Fußballclubs. Die einen zieht es in den ersten Stockwerk in den Computerraum, die anderen bleiben unten im Gesellschaftsraum neben der Küche. Da hilft eine Sozialarbeiterin den Schülern bei den Hausaufgaben weiter. Jupp Meul steht in der Küche und schmiert Stullen.
Seit Corona ist im DRK-Jugendzentrum Bergheim alles anders
Längs über den Tischkicker im Gesellschaftsraum spannt sich seit Corona eine transparente Folie auf Holzlatten, die die Tröpfchenübertragung zwischen den Spielern verhindern soll.
Kinder kämen derzeit, ja, aber von den täglich bis zu 18 Jugendlichen kaum noch einer, denen könne man mit Abstand und Mundschutz im Jugendzentrum eben nicht kommen, stellt Jupp Meul fest.
Meul ist die ganze von, wie er sagt, „eineinhalb Stellen“ und Leiter des DRK-Jugendzentrums. Vor 2015 seien es immerhin noch zwei gewesen, sagt er. Mittlerweile befürworte er einen Wechsel, eine Umwandlung der Jugendzentren in Bürgerzentren mit gezielter Förderung von Kindern und ihren Familien, und das mit mehr Personal als in der offenen Jugendarbeit.
„Mit der offenen Jugendarbeit im Quadrather Brennpunkt geht es bergab“
Mit der offenen Jugendarbeit im Quadrather Brennpunkt – geprägt von der hohen Zahl der Menschen mit Migrationsanteil – gehe es seit langem bergab, sagt der 65-Jährige. Allein mit „Verwahrung und Bespaßung durch Technik“, erreiche er Jugendliche kaum mehr.
Den Wendepunkt sieht er im Ende eines sehr speziellen Angebotes des DRK-Jugendzentrums im Jahr 2003. In jahrzehntelangen Trial-Workshops, dem Geschicklichkeitsfahren auf wendigen Geländemotorrädern auf einem belgischen Motorradparcours nahe der Grenze, seien ihm und seiner früh verstorbenen Kollegin noch der Zugang zu den jungen Leuten gelungen. Sie hätten Gespräche, Zuwendung, Lebenshilfe gefordert, sich auf Rollenspiele und Auseinandersetzungen eingelassen.
Jupp Meul: „Heute ist die Jugend langweilig und ignorant“
Heute sei die Jugend „langweilig und ignorant“, kritisiert Meul, die stetige Digitalisierung beeinflusse auch das Freizeitverhalten. Im ehemals als „Drogenhöhle“ gebrandmarkten Haus geben es diese Probleme nicht mehr. Aber letztlich sehe er den Teufel mit Beelzebub ausgetrieben.
Durch die ständige Nutzung von Smartphone und Internet prägten sich bei vielen seiner Schützlingen psychologische Schäden aus, die er sonst nur aus Begegnungen mit heroinsüchtigen Jugendlichen kenne, schildert Jupp Meul.
Jupp Meul überlebte einige körperliche Angriffe
Auf seine Zeit in der Jugendarbeit schaut Jupp Meul ohne Groll. Er habe körperliche Angriffe in Quadrath überlebt, wie eine Glasscherbe am Hals oder die Billardkugel gegen den Kopf, Holzschrauben in den Autoreifen. Von Beginn seiner Arbeit in den 1980er Jahren als Heilpädagoge und Erzieher in einer Kita im sozialen Brennpunkt in Köln-Zollstock, in der „Knastarbeit“ mit HIV-infizierten Häftlingen oder in Zusammenarbeit mit Ursula Enders und dem Kölner Verein gegen Missbrauch „Zartbitter“ habe er sich immer als „sozialpolitischer Sozialarbeiter“ erlebt.
Auch außerhalb des Jugendzentrums setze er sich für junge Menschen ein, mit zehn anderen habe er 1997 den Verein „FreiO“ gegründet, der sich für den Schutz von Opfern sexueller Gewalt engagiert.
Wenngleich keiner Partei angehörig, habe er früh, nicht als einer der 68er-Generation, aber als „69er“ in der politischen Szene Frechens Haltung gezeigt: „Mit 14 las ich das Kommunistische Manifest und Anfang der 1970er Jahre saß ich mit dem späteren Landrat und SPD-Bundestagsmitglied Klaus Lennartz im Berufsverbote-Komitee an einem Tisch.“ An späteren, vielen runden Tischen mit Politikern, Verwaltungsleuten, städtischen Jugendarbeitern und Polizeibeamten zum Thema Drogen oder sexuellen Missbrauch habe er immer „Angriffsflächen“ geboten: „Ich bin nicht diplomatisch.“