AboAbonnieren

Sohn auf A3-Baustelle gestorben„Menschenleben sind im Straßenverkehr nichts wert“

Lesezeit 3 Minuten

Dirk Gerlinger, Sohn des Ehepaars Klaus und Anne Gerlinger aus Quadrath-Ichendorf, kam im Oktober 2018 bei einem Unfall an einer Baustelle auf der Autobahn 3 ums Leben.

  1. Das Bergheimer Ehepaar Gerlinger hat bei einem Unfall auf der A3 bei Köln seinen Sohn verloren. Sie sagen: „Es entsteht für uns der Eindruck, dass Menschenleben im Zusammenhang mit dem Straßenverkehr nichts wert sind.“
  2. Sie appellieren an die Autofahrer: „Nehmt euch endlich mal zurück, haltet inne und bringt eurem Gegenüber etwas mehr Respekt entgegen.“

Bergheim-Quadrath-Ichendorf – Eine Baustelle auf der vierspurigen A 3 mitten in der Nacht. Warnleuchten, Warnbaken, eine fahrbare Absperrtafel – die Baustelle zwischen der Anschlussstelle Köln-Dellbrück und dem Kreuz Köln-Ost war nicht zu übersehen. Doch all das reichte nicht. Ein Lastwagen fuhr am 26. Oktober vorigen Jahres nach rund 400 Metern gerader Strecke in die Absperrtafel, die sich in den Kühlergrill des Lkw bohrte. Der Fahrer gab später an, er habe nur kurz auf den Tacho geschaut.

Nichts mehr wie es war

Bei diesem Unfall kam Dirk Gerlinger, 48 Jahre alt, ums Leben. Er war für die Sicherung der Baustelle zuständig und gerade dabei, mit mehreren Mitarbeitern die Absperrung abzubauen. Es war der Moment, der das Leben seiner Eltern, Anne und Klaus Gerlinger aus Quadrath-Ichendorf, auf den Kopf stellte.

Dirk Gerlinger, Sohn des Ehepaars Klaus und Anne Gerlinger aus Quadrath-Ichendorf, kam im Oktober 2018 bei einem Unfall an einer Baustelle auf der Autobahn 3 ums Leben.

„Seitdem ist nichts mehr, wie es war“, sagt Klaus Gerlinger, der in den höchsten Tönen von seinem ältesten Sohn schwärmt. „Er war immer hilfsbereit, soziale Einstellung, liebenswert.“ Der Sohn war fest verwurzelt in FC-Fan-Kreisen und in der Karnevalsgesellschaft „Burgwächter vun Hollwigg“. Er habe Konzerte und Ausstellungen besucht. „Er stand mitten im Leben“, erinnert sich der Vater.

Bis zu jener Nacht. „Der Unfallfahrer hat uns nicht nur unseren Sohn genommen, sondern hat damit auch verursacht, dass wir im Alter ohne Betreuung und Fürsorge dastehen, die Dirk gemäß notarieller Regelung übernehmen sollte“, erklärt er weiter.

Auch Monate nach dem Unglück ist das Ehepaar immer noch auf der Suche nach einem Umgang mit der Trauer. Sie berichten, der Unfallfahrer habe seinen zunächst eingezogenen Führerschein inzwischen wieder zurück. Der Prozess stehe noch aus.

Ehepaar will nicht als Nebenkläger auftreten

Dass sie nicht als Nebenkläger auftreten wollen, haben die Gerlingers schon entschieden. Dem aufwühlenden Auffrischen des Unglücks, womöglich mit einem für sie nicht zufriedenstellenden Urteil, möchten sie sich nicht stellen. „Es entsteht für uns der Eindruck, dass Menschenleben im Zusammenhang mit dem Straßenverkehr nichts wert sind, die Täter verschont werden und die Hinterbliebenen und Angehörigen für den Rest ihres Lebens lebenslänglich bekommen sollen“, sagt Gerlinger. Lebenslänglich mit dem Schmerz.

Statt auf den ausstehenden Prozess konzentriert sich das Ehepaar vielmehr darauf, die Botschaft zu vermitteln, dass alle mehr Rücksicht im Straßenverkehr nehmen sollen. „Beschimpfungen und Beleidigungen waren während Dirks Arbeitstätigkeit nicht selten“, berichtet der Vater. „Das Zeigen des Stinkefingers, übermäßiges Hupen, das Werfen von Getränkedosen und -flaschen und Umfahren der Hütchen gehörten dazu.“ Auch wegen der rücksichtslosen Fahrweise in Baustellen habe Dirk sich streng an die Vorsichtsregeln in seinem Job gehalten.

„Wenn ich eine Baustelle nur schon aus der Entfernung sehe, dann weiß ich doch, dass ich besonders vorsichtig sein muss“, sagt Anne Gerlinger. Es sei unerklärlich, dass Menschen dann nicht automatisch vom Gas gingen und so schwere Unfälle wie der ihres Sohnes überhaupt geschehen könnten.

Seit dem Unglück nähmen sie den Verkehr auf der Straße anders wahr, erzählen sie übereinstimmend. „Drängeln, Überholen im Überholverbot, zu schnelles Fahren und mehr – es gibt so viel Rücksichtslosigkeit und Aggressivität auf der Straße“, sagt Klaus Gerlinger. Der Appell des Ehepaars an die Autofahrer lautet: „Nehmt euch endlich mal zurück, haltet inne und bringt eurem Gegenüber etwas mehr Respekt entgegen.“