Rhein-Berg – Der Gleisanschluss ist schon seit Längerem von Gras überwuchert, jetzt sind die Zaungitter daneben abmontiert. Ein neu gepflasterter Weg macht Fußgängern vom Driescher Kreisel den Weg frei auf das frühere Zanders-Gelände. Aber nur bis zum nun öffentlichen Parkplatz. Dahinter ist weiterhin Sperrgebiet, wartet das historische Industriegelände hinter Zäunen und verschlossenen Toren auf die Pläne für seine Nachnutzung.
Wohnen, Gewerbe, Kultur oder doch noch ein Teil Spezialpapierproduktion à la Chromolux? Noch ist das offen, nur die inneren Tore sind zu, so dass wir zum Auftakt der sechsten Etappe unserer Sommertour einmal um das mehr als 35 Hektar große Areal im Herzen von Gladbach herumlaufen müssen.Uns befällt das Gefühl, dass sich hier Vergangenheit und Gegenwart begegnen.
Wir starten auf dem leeren Zanders-Gelände
Das Gelände des Papierherstellers ist menschenleer, ein Parkplatz völlig ungenutzt – nur eine Ampel, die hinter dem Zaun des Industriegeländes zu sehen ist, zeigt Rot, doch das ist nun ohne Sinn.
Ziel: Südlichster Punkt des Kreisgebiets in Wahner Heide (auf Rösrather Stadtgebiet)
Länge: 24,6 km, ca. 6,5 Std.
Profil: Aus der Gladbacher Stadtmitte geht es über Gronau in den Gierather Wald und durchs teils quirlig-städtische, teils grüne Refrath in den Königsforst. Immer parallel zur Kölner Stadtgrenze wird im Vorbeigehen der höchste „Berg“ (Monte Troodelöh) der Domstadt überstiegen und am Wassertretbecken ins benachbarte Rösrath gewechselt, an dessen südlichem Rand Rhein-Bergs „Südkap“ liegt. Gesamtsteigung und -gefälle moderat, jeweils ca. 100 Höhenmeter.
Rückfahrt: Von Troisdorf-Altenrath mit Bus Linie 506 Rtg. Sieglar bis Troisdorf Bf., S 12 Rtg. Horrem bis Deutz, S 11 bis Bergisch Gladbach (www.vrs.de).
An einer anderen Zufahrt zu Zanders, an der Cederwaldstraße, breitet sich tiefe Ruhe aus, Pflanzen wuchern, irgendjemand hat bunte Bügelperlen auf den Boden geschüttet. So bald wird sie niemand aufsammeln.
Wir steuern den Weg an, den früher die Straßenbahnlinie G fuhr, bevor sie 1958 auf dem letzten Teilstück zwischen Thielenbruch und Gladbach stillgelegt wurde. Direkt gegenüber der Moschee fällt der Gaststättenname „Guru“ auf – offenbar ein Viertel mit mehreren Religionen.
Im benachbarten Finanzamt ist ein „provisorischer Empfang“ eingerichtet, das sonst genutzte Foyer wird offenbar gerade saniert. Über eine Gerüst-Konstruktion gelangen Besucher nun ohne Termin zu einem Fenster, an dem sie Formulare abholen und andere Anliegen vorbringen können.
Gegensätze und Routen abseits der ausgetretenen Wege
Wenige Schritte weiter verläuft die Trasse der einstigen Straßenbahnlinie G, der Schotter auf dem Weg zeugt davon. Rechts blicken wir tief hinunter in das neue Hochwasserschutzbecken. Beim Starkregen Mitte Juli ist auch dieser riesige Regenrückhalteraum übergelaufen.
Laub und Nadelbäume, kleine Bäche und jede Menge Grün – im Gierather Wald finden Spaziergänger mit Hunden oder auch ein Jogger mit Kind im Buggy viel Auslauf.
Im Nu sind wir aus dem städtischen Getriebe in wunderschöner Natur: Diese Sommertour-Etappe bietet reizvolle Gegensätze. Dass die Route auf städtischem Gebiet überwiegend abseits der ausgetretenen Wege führt, ist ein zusätzlicher Reiz.
Eine Oase mit Erdbeeren, Zwetschgen und Bolognesesauce
Am anderen Ende des Gierather Waldes schlummert das Grundstück der geschlossenen Traditionsgaststätte Kickehäuschen immer noch im Dornröschenschlaf. Die neuen Wohnhäuser, die hier geplant sind, existieren bislang nur auf Plakaten am Bauzaun.
Im Verkehrsgetriebe der Dolmanstraße wirkt der Obsthof der Familie Schneider wie eine Oase: Neben Erdbeeren, Zwetschgen, Sonnenblumen, Kartoffeln und Bolognesesauce aus eigener Produktion gibt’s diese Woche die ersten Klaräpfel des Jahres.
Friederike Schneider, die den Hof in der vierten Generation mitleitet, schaut gerade vorbei. Insgesamt betreibt die Familie aus Wachtberg sieben Verkaufsstellen und 37 Erdbeerstände in der Region.
Angeln am Kahnweiher
Ein paar Häuser weiter bietet der findige Eisverkäufer von „Gelato & Caffè“ sein hausgemachtes Eis auch am Automaten an – falls jemand nachts um halb vier mal Heißhunger darauf bekommt. Am nahen Kahnweiher fallen Stege auf. Da sind Angler tatsächlich nicht weit. Marc Verhaert, ehemaliger Offizier der belgischen Streitkräfte, der nun mit seiner Kölner Frau in Köln-Bilderstöckchen lebt, wartet mit seinem Angelfreund Benno Schier darauf, dass Fische anbeißen.
„Wir sind natürlich im Angelverein Bensberg, sonst dürften wir hier nicht angeln“, sagt er und genießt die Ruhe am See mitten in der Stadt. Unser Etappenziel in der Wahner Heide kennt er gut. Als Offizier war er häufig bei Übungen auf dem dortigen Truppenübungsplatz. Mit Pionieren habe er unter anderem Brücken über die Sülz oder die Agger gebaut, erinnert er sich.
Ein paar Schritte weiter bietet kurz vor der Stadtbahnhaltestelle Lustheide ein Schild „Gäste-, Messe- und Ferienwohnungen“ an, mit Terrasse und Parkplatz direkt an der Straße. Auch eine Ferienwohnung an der Côte d’Azur hat der Vermieter im Angebot. Da weiß man gar nicht, wofür man sich entscheiden soll.
Gipfelbuch auf Kölner Stadtgebiet
Urlaub in Refrath? Wieso nicht, das Grün ist nicht weit: Durch eine Unterführung geht es unter der Autobahn hindurch in das Waldgebiet. Pfützen in der Unterführung sind vom Starkregen des 14. Juli noch geblieben und vermitteln ein flaues Gefühl.
Am Waldrand treffen wir ein vertrautes Gesicht: Ursula Mörs dreht mit Hund Oskar eine Mittagsrunde und empfiehlt uns, unbedingt auch mal einen Abstecher zum Höhenfelder See. „Klar wie ein Bergsee – wie im Urlaub“, schwärmt sie.
Wir folgen erstmal der Kölner Stadtgrenze durch den Königsforst und finden uns unvermittelt auf der Längsüberschreitung eines der bekanntesten Kölner Gipfel wieder. Der „Monte Troodelöh“ ist mit 118,04 Meter die höchste natürliche Erhebung in der Domstadt.
Ein paar Schritte weiter kommt der Wanderer zwar auf rheinisch-bergischem Kreisgebiet schnell deutlich höher – aber das stört den Kölner nicht. Eine Plakette am „Monte Troodelöh“ erinnert an dessen „Entdecker“ Rainer Buttkereit, der 2019 verstorben ist. Wir tragen uns ins Gipfelbuch ein – ein fast alpines Gefühl.
„Südkap“ liegt im Unterholz
Im nächsten Tal hat Stephan Renk gerade einen Kaffee aufgebrüht. Nach einer Knieoperation kommt der Waldkita-Erzieher regelmäßig hierher, um im Wassertretbecken zu trainieren. „Und zwischendurch ein Käffchen – herrlich“, sagt er und blinzelt in die Sonne. Uns zieht’s weiter in den sonnigen Süden, genauer: an den südlichsten Punkt des Kreisgebiets.
Der liegt unweit der Querwindbahn des Flughafens Köln/Bonn auf Rösrather Stadtgebiet mitten in der Wahner Heide. Ein Grenzstein? Fehlanzeige!
Nur mit einem Navi lässt sich das rheinisch-bergische „Südkap“ einigermaßen im Unterholz neben der Straße ausmachen. Ob wir’s zum Start für die nächste Etappe wiederfinden? Das dürfte heiter werden.
Nächstes Wochenende geht es auf der siebten Sommertour-Etappe vom „Südkap“ durch Rösrath nach Overath-Heiligenhaus.